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Tornister aus und Gummistiefel an - Draußenschule werden

KEL

Einige Grundschüler Deutschlands werden bald zwei Jahre lang von sich sagen können: "Wir besuchen eine Draußenschule." An einem Tag in der Woche tauschen die Kinder dann regelmäßig ihre Bücher gegen Zweige, Insekten oder Steine und ihren Stuhl, auf dem sie zuvor noch still sitzen sollten, gegen einen Baumstumpf, auf dem sie auch mal herumklettern dürfen. In einer Initiative sucht der Deutsche Wanderverband gemeinsam mit der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz zurzeit drei Grundschulen für das "Schulwandern - Draußen erleben. Vielfalt entdecken. Menschen bewegen".

Eine Wanderung im Wald
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Nur noch wenig Zeit verbringen die Kinder von heute draußen an der Luft. Sind es im Sommer, wenn es hoch kommt, vielleicht noch ein paar Stunden am Tag, so geht an feucht-kalten Tagen die Tendenz wohl eher gegen Null. Welche Möglichkeiten haben wir das zu ändern? Raus aus der Schulklasse und rein in die Natur, so ein möglicher Ansatz.

Deutschland bleibt lieber drinnen

In den skandinivischen Ländern ist das Konzept, der Uteskole (norwegisch: Draußenschule) nichts Neues. Bereits seit den 1990er Jahren ist der regelmäßige Unterricht in schulnahen Natur- und Kulturräumen dort stark verbreitet. Deutschland hinkt den skandinavischen Ländern in dieser Hinsicht ziemlich hinterher. Seit 2008 haben zwar immer mal wieder einzelne Schulklassen ihren Unterricht regelmäßig nach draußen verlegt, in der Regel jedoch nur für ein Jahr und von "draußenschulischem" Alltag kann hierzulande nun wahrlich nicht die Rede sein.

Die Kinder zum ökologischen Denken und Handeln erziehen

Unseren Wald erkunden
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Doch wie genau sieht das geplante Projekt des Deutschen Wanderverbandes aus? Die Schüler werden zur regulären Schulzeit an einem Tag in der Woche nahegelegene Flussauen, Wälder, Ruinen und vieles mehr erwandern und erkunden. Welchen Einfluss hat der Mensch auf den Lebensraum Wald? Wie sah der Wald vor 100, 200 oder gar 500 Jahren aus? Derartige Fragen entstehen bei den Erkundungstouren der Schulklassen. Der sonst im Klassenzimmer nur theoretisch behandelte Lernstoff bekommt so einen Bezug zu der Natur in dem direkten Umfeld der Schüler.

Nicht nur beobachten, sondern auch mitmachen sollen die Kinder. Physikalische Experimente zur Gravitation etwa stehen auf dem Stundenplan. Die Kinder werden die Boden- und Wasserqualität in ihrer Umgebung messen und die Menge an Niederschlag über ein ganzes Jahr bestimmen. Dies schult das naturwissenschaftliche und ökologische Denken der Kinder. Ein Bewusstsein schaffen für die Dinge und die Zusammenhänge in der Natur - darum geht es bei dem Projekt.

Das Bundesprogramm Biologische Vielfalt gehört zu den zahlreichen Förderern des Projektes. Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz erklärt, warum: "Die Schüler können so Ihre natürliche Umgebung im Jahresverlauf bewusst wahrnehmen und erfahren die Zusammenhänge, Einflüsse und Abhängigkeiten sowie Vielfalt in der Natur. Eigene gemeinsame Naturerfahrungen verhelfen ihnen letztlich dazu, auch selber gesellschaftliche Verantwortung für die biologische Vielfalt zu übernehmen und fördern darüber hinaus das soziale Miteinander."

Steht der Draußentag bald auf jedem Stundenplan?

Und das nicht genug. Die Schulen werden zudem wissenschaftlich begleitet. Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz geben den Schulen nicht nur Tipps und Hilfestellungen an die Hand, sie wollen auch genau untersuchen: Was sind die besten Konzepte für eine Draußenschule? Und was bringt sie für unsere Kinder?

Wenn die Forscher in ihrer Studie dann den Nutzen des regelmäßigen Unterrichts im Freien wissenschaftlich belegen, könnte es auch in Deutschland bald vermehrt heißen: "Heute ist Dienstag, Kinder. Egal, ob es regnet, stürmt oder die Sonne scheint, lasst Eure Tornister und die guten Klamotten zuhause, denn heute ist Draußen-Tag."

(18.03.2014)

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