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Traumtouren mit Trittsicherheit: Der Alpencross

Iris Hilberth

Das gibt es wohl in jeder Sportart: den Traum vom ganz großen Erlebnis, den Wunsch nach einer Teilnahme an dem, was sie den Klassiker dieser Sparte nennen. Für die Triathleten ist es der Ironman auf Hawaii, für Tennisspieler Wimbledon und für Mountainbiker zählt mit Sicherheit die Alpenüberquerung dazu. Rund 2500 Teilnehmer hat der so genannte Transalp Challenge jedes Jahr. Und etwa dreimal so viele Mountainbiker versuchen sich zudem ohne Startnummern und Zeitmessung an der Überwindung des mitteleuropäischen Gebirges von Nord nach Süd. Ob man die Tour nun Alpencross, Alpenüberquerung oder Transalp nennt – die mehrtägige hochalpine Unternehmung spukt vielen im Kopf herum, nachdem sie vom Stadtfahrrad auf das Mountainbike umgestiegen sind, seit sie das erste Mal auf Schotterpisten in rauer Gebirgslandschaft auf die Höhenmeter geschielt haben und auf schmalen Trails die Beherrschung des Zweirads seine Grenze fand. „Demnächst fahr ich mal über die Alpen“, wird der Beschluss gefasst.

 

Die "Heckmair"-Route

Auf den Spuren von Hannibal – dieser Spruch kommt dann meist von Außenstehenden. Über die Route des karthagischen Feldherren streiten sich die Historiker bis heute, überliefert ist allerdings, dass von seinen 55.000 Soldaten nur 26.000 in Italien ankamen. Eine wenig empfehlenswerte Unternehmung. Die Alpenüberquerung der Mountainbiker heutzutage orientiert sich an einer weitaus jüngeren Pionierleistung. 1990 radelte der Bergführer Andi Heckmair von Oberstdorf an den Gardasee, und auch wenn der damalige Chefredakteur des Magazins „Bike“, Ulrich Stanciu, im gleichen Jahr von Mittenwald über die Berge nach Bozen strampelte, so ist die Heckmair-Route zum Inbegriff der Alpenüberquerung geworden.

 

Alpine Erfahrung erforderlich

Leicht ist dieses Unternehmen aber bei weitem nicht und erfordert alpine Erfahrung, Trittsicherheit und fahrtechnisches Können. Ebenso wie bei der so genannten Joe-Route mit gleichem Start und Ziel, allerdings mit noch ein paar Höhenmetern und Schwierigkeiten mehr, erwartet einem auf dem Weg nach Riva schon bei der ersten von sieben Etappen ein alpinistischer Höhepunkt. „Tragestrecke“ wird so etwas lapidar in Mountainbike-Führern genannt. Am Schrofenpass muss der Radfahrer Gefährt wie Gepäck schultern und über eine Aluleiter die Schlüsselstelle am Abgrund meistern. Dann geht es auf Heckmairs Spuren weiter über die Allgäuer Alpen, das Lechquellengebirge, durch das Rätikon und die Engadiner Alpen auf die Südseite des Ortlers, vorbei am Adamello bis zur Nordspitze des Lago di Garda: 380 Kilometer, 11.950 Höhenmeter bergauf und 12.700 Höhenmeter bergab. Die Joe-Route verläuft ganz ähnlich, nur sind hier statt sechs Pässen über 2000 Meter gleich neun dieser Kategorie zu überwinden. Die Anforderungen sind also noch etwas höher.

Insgesamt gibt es unendlich viele Möglichkeiten, die Alpen zu überqueren, allein mit Ausgangsort Oberstdorf beschreibt Achim Zahn in seinem Führer „Alpencross“ fünf Varianten. Doch auch weiter westlich oder weiter östlich lassen sich interessante Routen planen, insgesamt schlägt Zahn 17 verschiedene vor. Ulrich Stanciu empfiehlt in seinem Werk „Traumtouren TransAlp“ 18 Überquerungen der verschiedenen Schwierigkeitsklassen.

 

Viele Wege führen nach Rom

Für Alpencross-Einsteiger, denen es noch an alpiner Erfahrung mangelt, wäre zum Beispiel die Via Claudia von Garmisch an den Gardasee eine Erfolg versprechende Alternative. 5200 Höhenmeter bergauf, 5850 Höhenmeter bergab, 363 Kilometer in fünf Etappen, drei Pässe über 1400 Meter. Vom Fuße der Zugspitze geht es auf der alten Römerstraße über den Fernpass und Reschenpass in den Vinschgau und weiter über das Gampenjoch ins Nonstal, entlang der Trentiner Seenplatte nach Riva. Schiebestücke sind ganz selten. Dennoch gilt für Anfänger: gemütlich beginnen. Damit man noch tagelang weiterradeln kann.

Tourenverlauf:

Heckmair-Route (380 Km, 11950 Hm, 7 Etappen): Oberstdorf-Raues Joch (Freiburger Hütte) – Klosters- S-Chanf – Bormio – Edolo –Storo – Riva

Via Claudia  (363 Km, 5200 Hm, 5 Etappen): Garmisch – Imst – Nauders – Lana – Cles – Riva

Das richtige Fahrrad: Mountainbike unter 14 Kilo, möglichst mit großer Untersetzung beim Antrieb

Übernachtung: Hütten, Hotels, Pensionen

Buchtipps: Achim Zahn: Alpencross, erschienen bei Bruckmann, München 2004; Ulrich Stanciu: Traumtouren TransAlp, erschienen bei Delius Klasing, Bielefeld 2004

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