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Unfall – was nun?

Leider geht es oft schneller, als man denkt. Es kracht. Der Schreck nach einem Verkehrsunfall ist meist groß. Jetzt auch noch einen kühlen Kopf zu bewahren und das Richtige zu tun, ist gar nicht so leicht. wissen.de hat mit dem Hamburger Rechtsanwalt Lars Kohnen über die Rechte und Pflichten gesprochen, die die Beteiligten eines Verkehrsunfalls haben, ganz egal, ob sie im Auto, zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs waren.
von Susanne Böllert, Mai 2013

Wissen.de: Ich habe einen Unfall gehabt. Wie geht es weiter? Was habe ich zu beachten?

Lars Kohnen: Zunächst einmal heißt es in jedem Fall anhalten, den Unfallort absichern, die Warnblinkanlage einschalten und das Warndreieck etwa 100 Meter vor der Unfallstelle aufstellen. Bei geringfügigem Schaden fahren Sie zügig beiseite, um nachfolgenden Verkehr nicht zu behindern. Wenn es möglich ist, machen Sie noch schnell ein Foto von der Unfallendstellung. Wurden beim Unfall Personen verletzt, so ist jeder, egal ob am Unfall beteiligt oder nicht, verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Möglicherweise muss auch der Notarzt verständigt werden.

Wenn es Verletzte gibt oder einen erheblichem Sachschaden, sollte die Polizei unbedingt benachrichtigt werden. Die fertigt an der Unfallstelle eine Unfallmitteilung an und händigt sie den Unfallbeteiligten und sonstigen Geschädigten aus. In diesem Protokoll sollten alle wesentlichen Angaben über die Unfallbeteiligten und die Fahrzeuge festgehalten und eine Skizze angefertigt werden. Wird die Polizei nicht eingeschaltet, sollten die Unfallbeteiligten selbst die wichtigsten Daten austauschen, also Name, Anschrift, Versicherung, Versicherungsnummer und –  ganz wichtig – das amtliche Kennzeichen der Fahrzeuge. Hierzu sind alle Beteiligten gesetzlich verpflichtet. Erst, wenn die Daten ausgetauscht sind, dürfen sie den Unfallort verlassen. Andererseits könnte man sich wegen Unfallflucht strafbar machen.

 

Wissen.de: Was sollte ich nach einem Unfall am besten unterlassen?

Lars Kohnen: Mich zur Schuldfrage zu äußern. Am Unfallort sollte man überhaupt keine Angaben zur Verschuldensfrage machen oder gar seine Schuld 

Abgeschleppt
istockphoto.com/Lya Cattel
eingestehen. Auch nicht gegenüber der Polizei. Denn da heißt es: „Alles, was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden.“ Dabei ist es häufig gar nicht so einfach einzuschätzen, wer den Unfall wirklich verschuldet hat. Ich rate daher dringend davon ab, gegenüber der Polizei oder den Gegnern verbindliche Aussagen zum eigenen Verschulden zu machen. Dies sollte, wenn überhaupt, erst nach einer anwaltlichen Beratung geschehen.

Außerdem ist es sinnvoll, im Hinblick auf den eigenen Schaden direkt vor Ort Unfallspuren und Beweismittel zu sichern. Sich die Kennzeichen sowie Namen und Anschrift möglicher Zeugen zu notieren, kann später auch nützlich sein. Ebenso wie Fotos von der Unfallstelle, der Anordnung der beteiligten Fahrzeuge nach dem Unfall und von den Unfallschäden. Am besten fotografiere ich die Gesamtübersicht sowie die einzelnen Schäden – notfalls mit dem Handy. Einen Fotoapparat hat man ja nicht unbedingt immer mit dabei.

 

Wissen.de: Gelten diese Grundsätze nur für Autofahrer, oder muss man das auch als Radfahrer und Fußgänger beachten?

Lars Kohnen: Die Pflicht, am Unfallort zu bleiben, bis die Angaben zu den Beteiligten, den Fahrzeugen –  also gegebenenfalls auch zu den Fahrrädern –  sowie zur Art der Unfallbeteiligung ausgetauscht sind, gilt für sämtliche Personen, die am Straßenverkehr teilgenommen haben und die für den Unfall zumindest mitverantwortlich sein könnten. Also auch für Fahrradfahrer und Fußgänger. Wenn niemand da ist, um diese Daten auszutauschen, also wenn man zum Beispiel ein parkendes Auto beschädigt hat und der Besitzer nicht da ist, ruft man, um auf Nummer sicher zu gehen, am besten die Polizei.

Die Pflicht, Erste Hilfe für Verletzte zu leisten, richtet sich darüber hinaus an jeden, egal ob Beteiligter des Unfalls oder nicht, also auch an Zeugen. Ansonsten mache ich mich eventuell wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Aber eigentlich versteht es sich ja von selbst, Verletzten zu helfen.

 

Wissen.de: Bin ich verpflichtet, den Unfall meiner Versicherung zu melden?

Lars Kohnen: Ja, unbedingt! Die meisten Versicherungen enthalten entsprechende Klauseln, dass man – egal ob verschuldet oder unverschuldet – einen Unfall unverzüglich zu melden hat. Unverzüglich heißt meist spätestens innerhalb einer Woche. Bei schweren Verletzungen oder Todesfällen sogar häufig binnen 48 Stunden. Wer sich nicht daran hält, riskiert die so genannte Leistungsfreiheit des Versicherers. Dieser erstattet dann zwar dem Gegner den entstandenen Schaden, holt sich das Geld jedoch beim Versicherungsnehmer zurück.

 

Wissen.de: Und wie mache ich meinen eigenen Schaden am besten geltend?

Lars Kohnen: Ganz wichtig: sich nicht vorschnell auf die Vorschläge der gegnerischen Versicherung einlassen. Häufig locken Versicherungen nämlich mit vermeintlich gutem Service und bieten schnell hauseigene Sachverständige zur Ermittlung der Schadenshöhe an. Oder sie schlagen Reparaturwerkstätten und Mietwagenfirmen vor, die den Wagen vor Ort abholen und wieder zurückbringen. Das hört sich natürlich erst einmal ziemlich gut an. Und scheint, weitere Komplikationen zu vermeiden. Aber Vorsicht! Denn natürlich tun die Versicherungen all dies nicht aus reiner Nettigkeit. Vielmehr versuchen sie so, Geld zu sparen.

Darum heißt die wichtigste Regel bei der Geltendmachung eines Unfallschadens: Jeder hat ein Recht darauf, einen Kfz-Sachverständigen seiner Wahl zu beauftragen, der den Schaden nicht durch die Brille der Versicherung, sondern objektiv beurteilt. Die Kosten für diesen Sachverständigen übernimmt im Fall eines unverschuldeten Unfalls zu 100 Prozent die gegnerische Versicherung. Das gilt übrigens auch für mögliche Rechtsanwaltskosten zur Durchsetzung sämtlicher Schadenspositionen, wie zum Beispiel Haushaltsführungsschäden, Wertminderung, Schmerzensgeld … Die sind nicht immer einfach zu beziffern.

Als Geschädigter kann ich mich außerdem selbst entscheiden, wie ich die Schadensregulierung betreiben möchte. Ich kann das verunfallte Fahrzeug verkaufen, reparieren lassen oder aber mir die Schadenssumme auszahlen lassen. Dabei sind bestimmte Besonderheiten zu beachten, die mir der Kfz-Sachverständige oder ein im Verkehrsrecht erfahrener Rechtsanwalt erläutern wird.

Und jetzt wünsche ich noch eine gute und hoffentlich unfallfreie Fahrt!

 

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