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Ungesunder Klimawandel

Ein paar Grad machen den Unterschied: Mit dem Klimawandel finden gefährliche Tigermücken, Tropenviren und Allergiekräuter in Europa ein zweites Zuhause.
von wissen.de-Redakteurin Alexandra Mankarios, Januar 2013

Denguefieber in Portugal

Gelbfiebermücke (Stegomyia aegypti)
United States Department of Agriculture
Im Oktober 2012 registrieren die Gesundheitsbehörden auf der portugiesischen Ferieninsel Madeira zwei ungewohnte Krankheitsfälle: Denguefieber. Die Virusinfektion, gegen die es weder Impfung noch Medikament gibt, kommt sonst, von wenigen Einzelfällen abgesehen, nur in tropischen Regionen Afrikas, Asiens und Amerikas vor. Bis jetzt.

Aus den zwei Fällen auf Madeira entsteht eine kleine Epidemie. Anfang Januar 2013 meldet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bereits über 2000 Denguefieber-Fälle auf der beliebten Ferieninsel, zudem haben Touristen das Virus in viele Länder Europas importiert. Auch nach Deutschland sind seit Ausbruch der Infektion 19 Urlauber mit Denguefieber eingereist.

 

Übeltäter Stechmücke

Überträger des Virus ist die – eigentlich tropische – Gelbfiebermücke (Stegomyia aegypti), die erst seit 2005 auf Madeira heimisch ist. Reist jemand aus den Tropen ein, der das Virus im Blut hat, kann die Mücke die Krankheit weitertragen. Je mehr Erkrankte, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Epidemie entwickelt. Dass das Denguevirus wieder vollständig von Madeira verschwinde, sei unwahrscheinlich, schätzt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhardt-Nocht-Institut für Tropenmedizin: „Es gibt ja keine Impfung gegen das Denguevirus. Die einzige Möglichkeit, es in einer bestimmten Region auszurotten, besteht darin, die Stechmücken zu bekämpfen. Aber das ist sehr teuer und aufwändig.“ Das Problem: Die Viren werden in den Stechmückeneiern von einer Generation auf die nächste übertragen. „Man müsste Hunderte von Menschen beschäftigen, die buchstäblich von Blumentopf zu Blumentopf gehen, alle noch so schwer erreichbaren Brutplätze aufsuchen und dort Bekämpfungsmaßnahmen durchführen“, erklärt Schmidt-Chanasit.

Dass bereits mit einem einzigen Infizierten eine kleine Epidemie entstehen kann, zeigte sich 2006 in einem italienischen Dorf nahe der Stadt Ravenna. Ein mit dem tropischen Chikungunyafieber infizierter Indienreisender brachte das Virus mit. Die seit etwa 1990 in Italien heimische Asiatische Tigermücke (Stegomyia albopictus), eine Verwandte der Gelbfiebermücke, trug den Erreger weiter – binnen weniger Wochen waren rund 200 Menschen erkrankt.

Das Risiko aber bleibt. Immer wieder registrieren Behörden in Europa Fälle so genannter autochthoner, also vor Ort erfolgter Infektionen mit tropischen Krankheiten. Ein genaues Mückenmonitoring soll die Verbreitung der tropischen Arten in Europa verfolgen.

Dass die tropischen Mücken überhaupt in Europa heimisch geworden sind, habe mit dem Klimawandel allerdings wenig zu tun, erzählt Schmidt-Chanasit – vor allem der internationale Warenverkehr habe die exotischen Stechmücken hergeführt: „Die asiatische Tigermücke zum Beispiel ist bei Containertransporten Ende der 70er Jahre mit Altreifen nach Albanien gelangt und hat sich von dort in ganz Europa ausgebreitet. Die klimatischen Bedingungen hier reichten schon damals aus.“ Die Verbreitung der tropischen Viren allerdings hänge stark mit der Temperatur zusammen: „Je wärmer es ist, desto schneller können sich diese Viren in den Stechmücken vermehren und auch besser übertragen werden.“ Sollte es, wie Klimaforscher vorhersagen, tatsächlich wärmer werden, dann rechne er in Europa auch mit einer Zunahme tropischer Infektionen, so der Virologe.

Noch ist die Wahrscheinlichkeit allerdings gering, sich in unseren Breiten mit einem Tropenvirus zu infizieren. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte aber den Mückenschutz im Urlaub ernst nehmen – und zwar nicht nur nachts, denn Tiger- und Gelbfiebermücken sind tagaktiv und stechen gern zu jeder Zeit zu.

 

Ambrosia: Amerikanisches Allergiekraut auf dem Vormarsch

Ambrosia-Jagd mit Schutzanzug und Feinstaubmaske
Picture-Alliance GmbH, Frankfurt/Patrick Pleul
Ambrosia ist in der antiken griechischen Mythologie die Speise der Götter. Der Name leitet sich vom Griechischen a-brotós ab und bedeutet „unsterblich“. Dass auch die Pflanzengattung der Traubenkräuter den botanischen Namen Ambrosia erhalten hat, verdankt sie allerdings einer eher lästigen Eigenschaft: Traubenkräuter sind kaum zu bekämpfen, verbreiten sich in rasantem Tempo. Und ihre Pollen sind hochallergen. In Mitteleuropa ist seit einigen Jahren besonders das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) auf dem Vormarsch. Ursprünglich nur in Nordamerika beheimatet, breitet sich die Pflanze seit etwa 1990 vermehrt auch in Deutschland aus – mit dem Klimawandel ist es warm genug geworden, damit die Samen in großer Zahl keimen.

Für Allergiker ist die Verbreitung von Ambrosia eine Katastrophe. Schon etwa zehn Pollen pro Kubikmeter Luft genügen, um eine allergische Reaktion hervorzurufen, fünfmal weniger als bei einer normalen Gräserpollenallergie. Außerdem sind die allergischen Reaktionen besonders heftig: bei einem Viertel der Allergiker kommen zum Niesen und Augenjucken auch Atemnot uns Asthmaanfälle hinzu – etwa doppelt so häufig, wie bei anderen Pollenallergien.

Wer allerdings an einer Gräserpollenallergie leidet, hat ohnehin ein größeres Risiko, auch auf Ambrosia zu reagieren: Etwa zehn bis 15 Prozent der Gesamtbevölkerung reagieren allergisch auf das zähe Kraut, aber etwa 40 Prozent der Allergiker. Und die Zahlen steigen, denn der Kontakt mit großen Pollenmengen kann die Allergie überhaupt erst auslösen. In den USA, wo Ambrosia seit Jahren wächst, schätzen Studien die Zahl der Traubenblatt-Allergiker auf bis zu 30 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Besonders ärgerlich für die Betroffenen: Ambrosia blüht später als viele Gräser, Allergiker können also von Juli bis September, wenn viele andere Allergie-Pollen nicht mehr unterwegs sind, noch einmal von Ambrosia heimgesucht werden.

Was also tun gegen die tückische Pflanze, die vor allem über Tierfutter den Weg nach Europa gefunden hat? Seit 2011 ist die Einfuhr von ambrosiahaltigen Futtermitteln in die EU verboten. Trotzdem finden sich die unscheinbaren Samen nicht selten in Vogelfutter. Daher ein Rat für die kalte Jahreszeit: Streuen Sie kein Vogelfutter an Stellen aus, an denen sich später unbemerkt Ambrosia entfalten könnte, sondern nur in Bereichen, die Sie unter Kontrolle haben.

Außerdem haben Gesundheitsämter und Wissenschaftler mehrerer Bundesländer ein Ambrosia-Monitoring ins Leben gerufen. Wer das Beifußblättrige Traubenkraut am Wegesrand blühen sieht, ist aufgerufen, den Fund zu melden.

 

Hitzewellen voraus!

Um etwas weniger als ein Grad haben die Temperaturen in Bodennähe seit Anfang des 20. Jahrhunderts zugenommen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts könnte das Thermometer noch einmal um bis zu vier Grad steigen – so prognostiziert es der Weltklimarat. Das klingt zunächst nicht danach, als würden wir in Deutschland bald ins Schwitzen kommen: Selbst im Juli liegt derzeit die Durchschnittstemperatur in Deutschland nur bei etwa 17 Grad.

Aber der Schein trügt, denn mit dem Klimawandel steigt auch die Zahl der Extremwetter-Ereignisse. Für Deutschland bedeutet das vor allem, dass Hitzewellen häufiger werden. Und die haben dann erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das hat sich zum Beispiel 2003 gezeigt, als in den ersten Augustwochen selbst in Deutschland das Thermometer über 40 Grad anzeigte. 3500 Hitzetote hierzulande, in ganz Europa starben 75.000 Menschen an den Folgen des Extremwetters, vor allem Alte, ganz Junge und Kranke.

Nicht nur Herz- und Kreislauf, sondern auch die Lunge drohen bei geschwächten Menschen zu versagen, wenn es heiß wird.

Gegenmaßnahmen bei der nächsten Hitzewelle: Kühle Räume aufsuchen, viel trinken. Wer gefährdet ist, sollte außerdem hohen Ozonwerten ausweichen und seinen Blutdruck regelmäßig kontrollieren.

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