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Urban Farming – Komm, wir gehen aufs Dach und ernten Möhren

Gemüse vom Acker fern der Stadt war gestern. Heute kommen Tomaten, Zucchini oder Kartoffeln immer häufiger direkt aus der City: aus Gewächshäusern auf Hochhausdächern, von Äckern auf Industriebrachen oder sogar aus U-Bahnschächten. Der Trend geht zum Urban Farming – und schon einige Großstädte weltweit sind dabei ganz vorn mit dabei.
Annette Schana

Blick auf die Lufa Farms in Montreal, eines der ersten kommerziellen Dachgewächshäuser.
Lufa Farms (CC-by-sa 3.0)

Deutschlands Trendstadt Nummer 1 Berlin macht es vor: Städtisches Gärtnern oder Urban Gardening, gibt es dort schon seit einiger Zeit. Gemeinschaftsgärten machten den Anfang,  Menschen unterschiedlichster nationaler Herkunft gärtnerten darin miteinander. Das förderte die Gemeinschaft durch Austausch untereinander nicht nur im gärtnerischen Bereich. Es entwickelte sich das Bedürfnis, gesunde Lebensmittel für den Eigenbedarf zu produzieren.

Urban Farming ist heute in der Fortsetzung die professionelle Lebensmittelproduktion direkt aus der Stadt. Aber geht das überhaupt?  Passt ein Bauernhof in eine Großstadt? Zahleiche Beispiele zeigen: Ja, das geht. Und zudem hat es auch noch handfeste Vorteile:

Was bringt das Urban Farming?:

  1. Urban Farming, und damit verbunden ortsnaher Konsum, verkürzt Transportwege und verringert CO2 Ausstoß.
  2. Gewächshäuser optimieren die Erträge und sparen Energie.
  3. Das Bewusstsein für Nahrungsmittel wächst. Urban Farming unterstützt genussvolles, bewusstes und regionales Essen und ist Teil der „Slow Food“-Bewegung - einem Gegenentwurf zum uniformen und globalisierten „Fastfood“.
  4. Durch lokales Recycling kompostierbarer Abfälle und Abwässer wird Landwirtschaft und städtische Lebensweise in die natürlichen Stoffkreisläufe integriert.
  5. Bewohner armer Länder erhalten mit Urban Farming die Möglichkeit der Subsistenzwirtschaft
  6. Engpässe, beispielsweise bei Naturkatastrophen, sichern im städtischen Raum die Versorgung mit Lebensmitteln

Im Grunde nichts Neues

Eigentlich gibt es Urban Farming in Städten schon sehr lange. So gab es schon im Mittelalter, aber auch später noch für die Produktion von Obst und Gemüse bereitgestellte Ackerflächen im Stadtgebiet, soviel, wie für die Versorgung der Stadtbevölkerung nötig war. Dieser Eigenanbau ermöglichte weiten Teilen der Bevölkerung überhaupt erst ein Überleben speziell in Krisenzeiten. Zudem war so gewährleistet, dass innerhalb kürzester Zeit verderbliche Lebensmittel ihre Abnehmer fanden.

Spezielle Anbautechniken und Gewächshäuser ermöglichen den lohnenden Anbau auf kleinstem Raum, hier in Albuquerque.
USDA

Der Acker auf dem Dach

Doch das Urban Farming der neuen Art umgeht dieses Problem: Genutzt werden Brachflächen, die ohnehin zeitweilig  ungenutzt bleiben – beispielsweise weil ein Bau geplant ist, aber noch nicht begonnen hat. Oder aber es werden von vornherein Flächen genutzt, die für wenig anderes taugen, wie beispielsweise Flachdächer. In einigen  Städten der USA experimentieren Menschen bereits mit Dächern als Feldersatz. Erste Firmen in New York haben sich auf das Designen von Dachgewächshäusern spezialisiert.

Auch die dynamisch wachsenden Metropolen Asiens wie Shanghai, Hongkong und Singapur setzen längst auf Urban Farming: Für die Millionenstädte ist die innerstädtische Landwirtschaft Versorgungs- und Einkommensquelle zugleich und sie fördern sie seit Jahren. Auf Kuba gehört der Stadtacker sogar zum offiziellen politischen Programm. Als die Sowjetunion zusammenbrach und Düngerlieferungen an den sozialistischen Bruderstaat ausblieben, begann diese Form der Nahrungsproduktion. In Havanna und Santiago liefert die „agricultura urbana“ seitdem 90 Prozent der frischen Lebensmittel.

Gemüse aus dem Bunker und Fische aus dem Container

Eine Londoner Firma betreibt ihre Gemüseproduktion ohne Kohlenstoffdioxid unter U-Bahnschächten in alten Bunkern. Das Licht kommt über spezielle energiesparende LED-Lampen. Kontrollierte Bewässerung und gleichbleibende Temperaturen sorgen dafür, dass der Energiekonsum auf ein Minimum beschränkt bleibt. Und der Strom kommt ausschließlich aus ökologischen Quellen. Freilich mutet der unterirdische Anbau auf Kokosmatten als Lebensmittelproduktion noch arg futuristisch an - ist aber ernst zu nehmen. Das hochwertige Gemüse ist vor allem für Restaurants, Markthändler und Londoner gedacht.

Eine Berliner Firma produziert zum Gemüse sogar gleichzeitig Fische. Ein ausgedienter Schiffscontainer enthält eine Aquakultur für die Fischzucht und darüber ist ein Gewächshaus für den Gemüseanbau. Ein spezielles Filtersystem nutzt die Hinterlassenschaften der Fische und Kohlendioxid als Nährlösung für die Pflanzen. Auch der Fisch wird fangfrisch verkauft - frischer geht es nicht.

Dass die Idee Anklang findet, beweist die Auszeichnung mit dem „Silicon Valley Clean Tech Open“ ein außerordentlich vielversprechender Start-up-Preis in der Kategorie „Landwirtschaft, Wasser und Abfall“.

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