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Visual Effects: Wie in Filmen getrickst wird

Mehr Schein als Sein: Ob fliegende Menschen, brüllende Dinosaurier oder ganze Städte, die in Trümmern liegen – die Filmwelt macht alles möglich. Dahinter stecken heute meist digitale Filmtricks und Animationen, die per Computer erstellt werden. Dennoch greifen Regisseure in ihren Filmen auch immer wieder auf klassische Tricks zurück oder orientieren sich an ihnen. Aber was waren die ersten Effekte? Und wie haben sich die Filmtricks entwickelt?
ABO, 22.01.2021

Seit "Star Wars" kommen die meisten Spezialeffekte nicht mehr aus der Trickkiste des klassischen Films, sondern hauptsächlich aus dem Computer.

In Filmen wird heute üblicherweise mit sogenannten Filmtricks gearbeitet: Dahinter stecken Spezial-Effekte, mit denen die Filmbilder vor der Kamera manipuliert werden oder digitale visuelle Effekte (VFX), die erst später im Schnitt in gedrehte Szenen eingefügt werden. Mit diesen Tricks wollen Regisseure ihre Filme aufregender gestalten und Illusionen sowie Fantasiewelten erstellen. Schon längst wurde das Kino dadurch revolutioniert und mittlerweile werden sogar Preise für die besten Spezialeffekte in Film, Fernsehen, Werbung, Musikvideos und Computerspielen vergeben.

Wie alles begann

Als Erfinder des Filmtricks gilt der französische Filmemacher Georges Méliès. Er drehte seine ersten Filme schon Ende des 19. Jahrhunderts und entdeckte dabei per Zufall den wahrscheinlich ersten bekannten Filmtrick: Als er in Paris eine Straßenszene filmte, verhakte sich der Filmstreifen in seiner Kamera. Nach kurzer Zeit lief die Kamera weiter, die Szene auf der Straße hatte sich aber in der Zwischenzeit verändert. Als Méliès den Film später abspulte, entdeckte er, dass durch das Malheur mit der Kamera plötzlich Menschen im Bild erschienen oder verschwanden und sich unter anderem ein Bus schlagartig in eine Droschke, eine offene Kutsche, verwandelte.

Der sogenannte Stopptrick war geboren. Der Filmmacher selbst experimentierte weiter an dem Filmtrick. Damit legte Méliès den Grundstein für die sogenannte Stop-Motion. Bei dieser Filmtechnik werden einzelne sich unterscheidende Fotos eines Motivs oder Szenarios aufgenommen und anschließend aneinandergereiht. Dadurch entsteht die Illusion, dass sich das Motiv bewegt. Auf dieser Technik bauten schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts viele Filme auf.

Plötzlich ganz groß

Filme mit besonderen Effekten „magischer“ zu machen, blieb nicht lange nur Méliès Idee: Im Jahr 1927 produzierte der Regisseur und Schauspieler Fritz Lang einen Film, in dem er noch mehr trickste. In "Metropolis" wurde die gleichnamige, futuristische Stadt nur als tischhohe Miniaturstadt gebaut. Im Film später schienen die Gebäude neben den Schauspielern aber über hundert Meter in die Höhe zu ragen.

Um die Modellaufnahmen der Stadt mit den Aktionen der Schauspieler zu kombinieren, verwendete Lang den sogenannten Schüfftan’schen Spiegeltrick: Dieses Verfahren entwickelte der Kameramann Eugen Schüfftan schon im Jahr 1923. Damit konnte man mithilfe eines Spiegels Aufnahmen so manipulieren, dass die Proportionen der Schauspieler und des Miniaturmodells zueinander passten.

Dafür wird die Kamera neben ein Modell - wie bei Lang neben die Miniaturstadt Metropolis - und vor einen an einigen Stellen transparenten Spiegel gestellt, der im Winkel von 45 Grad zum Kameraobjektiv steht. Bei der Aufnahme filmt die Kamera die Schauspieler durch den Spiegel und erfasst gleichzeitig durch die Spiegelung das seitliche stehende Modell.

King Kong und die Urzeittiere auf Skull Island wurden im Stop-Motion-Verfahren zum Leben erweckt.

RKO Publicity-Material

Mit King Kong in ein neues Zeitalter

1933 eroberten weitere Techniken die Kinoleinwand, unter anderem im Schwarz-Weiß-Film "King Kong und die weiße Frau". Zum einen verwendete er die Stop Motion, denn der Gorilla King Kong war in Wirklichkeit ein 45 Zentimeter große Trickfigur aus Draht, Gummi, Baumwolle und Fell. Um sie zu bewegen, wurde sie Bild für Bild aufgenommen und jedes Mal ein bisschen verändert, sodass im fertigen Film der Eindruck einer Bewegung entstand.

Erweitert wurde die Stop Motion durch sogenannte Matte Paintings oder die „Glass shot“-Technik: Dabei werden einzelne gemalte Teile der Kulisse auf Leinwände oder Glas aufgebracht, um aufwendige Außenaufnahmen zu ersparen. So können Produzenten das Matte-Verfahren nutzen, um zum Beispiel berühmte Gebäude nicht komplett nachbauen zu müssen: Man baute etwa nur den unteren Teil und ergänzte dann den oberen Teil optisch.

Für den Film „King Kong“ wurde die King-Kong-Puppe mithilfe des Matte Paintings zwischen zwei parallele Glasscheiben, die in einem größeren Abstand zueinander standen, positioniert. Auf der ersten Scheibe waren präzise gemalte Elemente, wie etwa Bäume und Gräser, aufgetragen. Auf der zweiten Scheibe waren Himmel und Wolken gemalt. Vor den beiden Scheiben stand die Kamera und filmte King-Kong umgeben von dem „irrealen“ Gebüsch vor und dem Himmel über ihm.

Das Originalmodell eines Brontosaurus, das Kong-Kong-Verfilmung von 1933 zum Einsatz kam.

DaBler / Public domain

Rückprojektion als große Hilfe

Auch die sogenannte Rückprojektion, die der deutsche Ingenieur Josef Behrens erfand, wurde in „King Kong“ angewendet: Dabei spielen die Schauspieler vor einer Leinwand, auf die ein spezieller Projektor von hinten einen beliebigen Hintergrund wirft, der entweder statisch oder bewegt ist. Für "King Kong" wurde das Verfahren der Rückprojektion so perfektioniert, dass es ab den 1940er-Jahren zur führenden Tricktechnik wurde.

Der Grund: Als der Tonfilm allmählich den Stummfilm ablöste, mussten Spielfilme soweit wie möglich im Studio produziert werden - für die Außenaufnahmen gab es damals noch keine transportablen Mikrofone. Die Produzenten spielten Kulissen für Auto-, Schifffahrten oder Stadtszenen deshalb mithilfe der Rückprojektion ein. Es gab sogar den Beruf des Rückprojektions-Kameramanns, der für große Studios um die Welt reiste, um die Straßen großer Städte zu filmen.

In manchen Filmen wie „Das Rettungsboot“ von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1943 wurde sogar ausschließlich mit Rückprojektion gearbeitet. Die Schauspieler spielten also lediglich vor einer Hintergrundleinwand, auf die die entsprechende Kulisse eingeblendet war.

Schematische Darstellung einer Rückprojektion

Die Komplikation der Frontprojektion

Eine ähnliche, aber deutlich kompliziertere Technik war die Frontprojektion: Bei diesem Verfahren wird das Hintergrundbild von vorne auf die Leinwand projiziert, vor der die Schauspieler agieren. Dadurch bildet sich das Kulissenbild allerdings nicht nur auf der Leinwand, sondern auch in den Gesichtern und auf dem Körper der Akteure ab. Um die Projektion auf den Schauspielern zu verbergen, mussten diese mit zahlreichen Studiolampen angestrahlt werden.

Ein Beispiel für eine solche Frontprojektion sind Aufnahmen in Stanley Kubricks Film "2001: A Space Odyssey" aus dem Jahr 1968: Der Film beginnt mit einer Szene mit Affen in einer Steinwüste. Kubrick projizierte dafür Fotos einer Landschaft in Südwestafrika auf eine große Leinwand, vor der die Schauspieler in ihren Affenkostümen spielten. Damit die Dia-Projektion nicht auf den Spielern in ihren Kostümen zu sehen war, brauchte Kubrick 1.500 Studiolampen, um sie auszuleuchten.

Beginn des digitalen Zeitalters

1977 leitete George Lucas mit seinem "Krieg der Sterne" den großen Umbruch der Filmgeschichte ein: Er stellte sich für den ersten Film seiner Star Wars- Reihe ein Weltraum-Abenteuer mit futuristischen Fahrzeugen und Waffen vor. Lucas scheiterte doch zunächst daran ein Studio zu finden, das die Tricktechnik beherrschte, die ihm für "Krieg der Sterne" vorschwebte. Deshalb gründete der Regisseur eine eigene Tricktechnik-Firma - die "Industrial Light and Magic" (ILM).

Damit brach die Zeit der Computerfilme an. Denn die meisten Spezialeffekte kamen von nun an nicht mehr aus der Trickkiste des klassischen Films, sondern hauptsächlich aus dem Computer. Für die Entwicklung der Effekte orientierte sich Lucas an bestehenden Gebäuden, Waffen und Transportmitteln und bearbeitete sie. Die neue Technik ermöglichte es Lucas zum Beispiel sehr einfach und kostengünstig,  Kämpfe im Alloder den Todesstern, eine riesige Raumstation, darzustellen. Außerdem nutzte er das sogenannte Compositing, mit dem er digital erzeugte Figuren in seine gefilmten Aufnahmen einfügen konnte.

Während seine Tricktechnik-Firma ursprünglich nur als Projekt für "Krieg der Sterne" und die zwei Folgefilme der damals geplanten Star-Wars-Reihe gedacht war, entwickelte sich die Firma aber schon bald zum führenden Studio für Spezialeffekte. Unter anderem betreute sie ab den 1980-er Jahren Filme wie "Star Trek", "Indiana Jones", "Terminator", "Jurassic Park", "Men in Black" oder "Krieg der Welten" mit.

Filmset mit Bluebox

Welten aus dem Computer

Mit diesen Filmprojekten entwickelte sich die digitale Filmtechnik immer weiter und revolutionierte die Kinowelt. So verlor zum Beispiel der Spiegeltrick durch die digitalen Effekte an Bedeutung und fast alle Matte Paintings wurden digital erstellt. Außerdem wurde die Frontprojektion von der Bluescreen-Technik abgelöst. Die Technik macht es möglich, Gegenstände oder Personen vor einem blauen oder auch grünen Hintergrund zu filmen und später am Computer etwa eine Aufnahme einer realen Kulisse oder einer Computergrafik nachträglich einzusetzen.

Zwar entstand der erste Kinofilm, „Der Dieb von Bagdad“, bei dem mit einem Bluescreen gearbeitet wurde, schon im Jahr 1940. Aber für die Nachbearbeitung brauchte der Filmtechniker Lawrence Butler damals mehrere Jahre. Den Durchbruch feierte die Technik erst einige Zeit später. Mittlerweile werden Blue- und Greenscreens zum Beispiel auch bei der Nachrichtenproduktion benutzt.

Eingefrorene Zeit und virtuelle Kamerafahrten

Ein weiterer Fortschritt in der Filmproduktion war die Zeitlupentechnik. Im einfachsten Fall werden Filmsequenzen dafür mit erhöhtem Tempo – beispielsweise Highspeedkameras - aufgenommen und dann verlangsamt abgespielt. Deutlich weiter entwickelt ist dagegen die sogenannte Bullet-Time – ein Spezialeffekt, der zum Beispiel im Kinofilm "Matrix" aus dem Jahr 1999 für aufsehenerregende Bilder sorgte. Dabei scheint sich der Betrachter um eine in der Zeit eingefrorene Szene herumzubewegen.

Für diesen Effekt werden beim Filmdreh mehr als hundert Standbildkameras im Raum vor einem Bluescreen verteilt. Diese werden durch ein Computerprogramm nacheinander ausgelöst. Über spezielle Software und ergänzende digitale Nachbearbeitung werden diese Bilder dann zu einer Filmsequenz montiert, die  wie eine virtuelle Kamerafahrt wirkt.

Auch das sogenannte Motion-Capture-Verfahren kam bei "Matrix" zum Einsatz. Dabei werden menschliche Bewegungen mithilfe von Markierungen an bestimmten Punkten des Körpers aufgezeichnet. Die Darsteller tragen zum Beispiel einen dunklen Anzug, an dem viele kleine Lämpchen kleben. Spezialkameras nehmen die Bewegungen auf, indem sie die Bewegungskurven der markierten Punkte verfolgen.

Diese Informationen werden dann im Computer weiterverarbeitet und auf im Computer erzeugte Modelle übertragen, sodass man zum Beispiel dreidimensionale Figuren digital erstellen, sie beliebig steuern und etwa Kämpfe darstellen kann.

Von Anfang bis Ende digital

Mittlerweile werden viele Filme komplett digital mittels Computer Generated Imagery (CGI) produziert. Grundlage dafür bilden 3D-Computergrafiken, mit denen Personen, Tiere oder Gegenstände erstellt und beliebig bewegt werden. Verschiedene Bewegungsabläufe, zum Beispiel bei Kampfhandlungen, werden vorher mit der Motion-Capture-Methode erfasst und dann digital umgesetzt. Mit diesen Bewegungsmuster können dann die erstellten Figuren animiert werden.

Auch bei „Realfilmen“ werden heute die Kameraeinstellungen, Belichtungen und Spezialeffekte meist am Computer vorgeplant.

In der sogenannten Postproduktion nach dem Dreh s werden dann reale und virtuelle Beispiel Szenen zusammengefügt, Übergänge produziert, Musik unterlegt, Figuren und die Kulisse eingefügt oder die Beleuchtung angepasst.

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