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Vor 100 Jahren: Das Marsfieber

Dr. Dirk Soltau

Hochkonjunktur für den roten Planeten

Man mag sich vorstellen, dass nach der Erfindung des Teleskops die Erkundung der Marsoberfläche ein Kinderspiel gewesen sein müsste: Man baue ein Teleskop mit gewaltiger Vergrößerung und studiere am Okular die Landschaften des fernen Planeten. Doch so einfach ist das nicht. Die Fähigkeit eines Teleskops, Einzelheiten auf dem Mars sichtbar zu machen, wird von drei Faktoren bestimmt: von seiner optischen Qualität, von seinem Standort und von der Entfernung zum Mars.

Selbst ein ausgezeichnetes Teleskop kann von einem schlechten Standort aus keine Höchstleistung bringen. Der Grund liegt in den optischen Eigenschaften der Erdatmosphäre: Luftschlieren - verursacht durch Temperaturschwankungen - verzerren und verschieben das Bild im Teleskop. Abhilfe schafft hier die Wahl eines Standortes, der hoch gelegen ist, und über dem die Atmosphäre möglichst stabil geschichtet ist. Zu dieser einfachen Erkenntnis kamen die Astronomen aber erst vor etwas über hundert Jahren. Bis dahin waren Sternwarten auch Repräsentativbauten, die man in den Haupt- und Universitätsstädten errichtete. So vergingen Jahrhunderte, in denen man nur wenig über die Marsoberfläche erfuhr.

Im Teleskop zeigt sich Mars als rötliches Scheibchen. Seine Größe hängt von der Entfernung des Mars von der Erde ab. Diese variiert stark, je nach dem, ob Mars in seiner Bahn gegenüber der Sonne steht (Opposition) oder ob er - von der Erde aus gesehen - hinter der Sonne steht (Konjunktion). Im ersten Fall kann seine Entfernung auf 38 % der Entfernung Erde-Sonne schrumpfen. Im anderen Extrem ist Mars mehr als fünf Mal so weit von uns entfernt wie die Sonne. Bei einer solchen Konjunktion steht Mars allerdings so dicht bei der Sonne, dass er nicht beobachtbar ist. Aber da sowohl die Erd- als auch die Marsbahn elliptisch sind, gleichen sich nicht alle Oppositionen. Besonders nahe Oppositionen treten alle 15 Jahre auf. Dann hat Mars Hochkonjunktur.

So war es im Sommer 2003 sein, und so war es auch im Jahr 1877, dem Jahr, in dem die Beobachtungsgrundlagen für ein „Marsfieber“ gelegt wurden, das fast fünfzig Jahre lang die wildesten Spekulationen über intelligentes Leben auf dem Mars nährte.

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