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Warum die Grippe-Impfung in diesem Jahr besonders wichtig ist

Während der Corona-Pandemie haben die Schutzmaßnahmen dafür gesorgt, dass auch viele andere Krankheitserreger das Nachsehen hatten – Erkältungen und Grippe kamen im letzten Winter kaum vor. Das aber ist in diesem Jahr anders: Weil unser Immunsystem durch die starke Hygiene quasi "außer Übung" ist, könnte eine Infektion mit Influenza viele Menschen besonders hart treffen. Umso wichtiger ist es für Gefährdete, sich jetzt impfen zu lassen.
NPO, 07.10.2021

Typisch für eine Grippe ist, dass das Krankheitsgefühl sehr plötzlich und stark einsetzt.

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Jedes Jahr im Winter grassieren nicht nur die "normalen "Erkältungsviren", die uns Husten, Schnupfen, Halsschmerzen bescheren. Auch die Influenza hat dann wieder Hochsaison. Diese vom Influenzaviren ausgelöste Infektion kann gerade für Vorerkrankte und Ältere zu schweren Verläufen führen. Auch wenn die Grippe weniger oft tödlich endet als Covid-19, ist daher gerade für potenziell Gefährdete eine Impfung ratsam.

„Fast genauso wichtig wie die Corona-Impfung ist für diesen Herbst und Winter eine zweite Impfung - die Grippeschutzimpfung", erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "Eine große Grippewelle in diesem Winter hat das Risiko, die Folgen und Belastungen der vierten Corona-Welle noch zu verstärken."

Warum ist die Grippe-Impfung gerade in der Corona-Pandemie wichtig?

Experten empfehlen in diesem Herbst verstärkt, sich gegen die saisonale Grippe impfen zu lassen – aus gleich zwei Gründen. Zum einen besteht die Gefahr, dass man sich gleich zwei Infektionen auf einmal holt: Das Coronavirus SARS-CoV-2 und das Influenzavirus können uns unabhängig voneinander und sogar gleichzeitig treffen. Dann muss der Körper gleich gegen zwei krankmachende Viren auf einmal kämpfen – und ist meist überfordert.

Hinzu kommt, dass die Menschen, die bereits Covid-19 hinter sich haben, oft noch Spätfolgen an ihrer Lunge und anderen Organen in sich tragen. "Wenn Sie einen schweren Verlauf einer Coronavirus-Infektion hatten und noch Spätfolgen haben, an der Lunge zum Beispiel, dann macht es auf jeden Fall Sinn, sich gegen die Grippe impfen zu lassen, um nicht weiter die Lunge zu belasten", erklärt die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt. Aber auch bei milden Verläufen kann der Körper noch geschwächt sein, so das das Risiko für eine schwere Grippe steigt.

Empfohlen wird die Grippeimpfung für alle Menschen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko, darunter Menschen ab 60 Jahren, Schwangere und chronisch Kranke aller Altersgruppen.

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Immunsystem ist "aus der Übung"

Aber es gibt noch einen weiteren Grund: Weil wir inzwischen gut eineinhalb Jahre relativ strenge Hygienemaßnahmen einhalten – Maske tragen, Hände desinfizieren und Abstand halten – hatten es nicht nur die Coronaviren schwer uns zu infizieren, sondern auch andere Krankheitserreger. Unser Immunsystem, das normalerweise täglich mit hunderten verschiedener Erreger konfrontiert ist, wurde dadurch weit weniger stark belastet – und ist dadurch gewissermaßen aus der Übung geraten.

Konkret bedeutet dies, dass in unserem Blut und den Geweben beispielsweise weniger Antikörper und Abwehrzellen zirkulieren als normalerweise. Dringen dann Influenzaviren oder andere virale Erreger ein, kann das Immunsystem weniger schnell und effektiv reagieren als sonst. Es muss erst seine "Abwehrtruppen" mobilisieren und das verschafft den Erregern einen wertvollen und für uns krankmachenden Vorsprung. Experten gehen deshalb davon aus, dass in diesem Herbst und Winter deutlich mehr Erkältungen und Grippefälle vorkommen werden und dass sich die Infektionen auch stärker auswirken werden.

Schützt eine Grippeimpfung auch vor Corona – oder umgekehrt?

Prinzipiell sind Impfstoffe immer spezifisch. Das bedeutet: Wenn ich mich gegen das Coronavirus impfen lasse, bekommt mein Immunsystem mit dem Vakzin Informationen darüber, wie es SARS-CoV-2 an seinem stachelartigen Spike-Protein erkennen kann. Gegen Teile dieses Proteins bildet die Immunabwehr dann Antikörper und T-Killerzellen und kann so eine Infektion schneller und effektiver bekämpfen. Die Influenza-Impfstoffe vermitteln unserem Immunsystem nur die Merkmale der höchstwahrscheinlich in diesem Winter kursierenden Grippeviren-Stämme.

Aus diesem Grund schützt jeder Impfstoff immer nur gegen die Krankheit, gegen die er verabreicht wird. Allerdings könnte es einen leichten, unspezifischen Kreuz-Effekt geben: Einige Studien haben ergeben, dass Menschen nach einer Grippeerkrankung oder Influenza-Impfung offenbar ein etwas geringeres Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben. Schwere Komplikationen und eine Behandlung auf der Intensivstation scheinen dann etwas seltener vorzukommen.

Zwar sind sich die Erreger von Influenza und Covid-19 nicht einmal in Ansätzen ähnlich, die Impfung gegen Grippe mobilisiert aber neben der spezifischen Abwehr gegen das Influenzavirus auch die unspezifische Immunabwehr. Dadurch erkennt unser Körper zwar die anderen Viren, in diesem Fall das Coronavirus nicht besser, ist aber durch die Grippeimpfung schon in einem allgemeinen Alarmzustand. Fresszellen und andere Abwehrmechanismen, die nicht auf bestimmte "Gegner" gepolt sind, sind daher von vornherein aktiver und können mithelfen, das Coronavirus zu bekämpfen.

Die Effekte dieser unspezifischen Abwehr sind aber nicht besonders stark ausgeprägt und halten vermutlich nur wenige Tage nach der Impfung an. "Der Irrglaube, dass wenn man sich gegen Grippe impfen lässt, man keine Corona-Impfung mehr braucht oder umgekehrt – das ist nicht so", betont Ciesek.

Die Hygienmaßnahmen gegen das Coronavirus habe auch andere Krankheitserreger auf Abstand gehalten, so dass unser Immunsystem aus der Übung geraten konnte.

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Corona-Impfung und Grippe-Impfung auf einmal – geht das?

Weil die Impfstoffe gegen Corona und Grippe sehr unterschiedlich sind, kann man sie sich auch gleichzeitig geben lassen. " Unter der Voraussetzung, dass eine Indikation zur Impfung sowohl gegen Grippe als auch gegen COVID-19 besteht, ist die gleichzeitige Verabreichung beider Impfstoffe möglich", heißt es beim Robert-Koch-Institut. Voraussetzung ist, dass man gesund ist und keine akute Infektion beispielsweise eine Erkältung hat. In der Regel wird beim Impftermin dann eine Impfung in den einen, die andere in den andern Arm gegeben.

Wer sollte sich jetzt gegen Grippe impfen lassen?

Empfohlen wird die Grippeimpfung für alle Menschen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko, darunter Menschen ab 60 Jahren, Schwangere und chronisch Kranke aller Altersgruppen. Sie sollten sich im Oktober, November oder in der ersten Dezemberhälfte gegen Grippe impfen lassen. Dies gilt außerdem für medizinisches und pflegerisches Personal, das ein berufliches Ansteckungsrisiko hat.

Weil das Immunsystem älterer Menschen schwächer auf Impfungen reagiert, wurde für sie ein spezieller Hochdosis-Grippeimpfstoff entwickelt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt diesen Impfstoff allen Menschen ab 60 Jahren. Diese Altersgruppe sollte sich zudem gegen Pneumokokken impfen lassen, weil diese Erreger ebenfalls Lungenentzündungen verursachen und so das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 und Influenza erhöhen.

Woran erkenne ich eine echte Grippe?

In vielen Fällen merkt man gar nicht, dass man sich statt einer normalen Erkältung eine Grippe eingefangen hat. Denn in rund 80 Prozent der Fälle verläuft die Infektion glimpflich. Die Symptome ähneln dann einer starken Erkältung mit Fieber, Schnupfen, Husten und einem dicken Kopf. In rund 20 Prozent der Fälle aber droht ein schwererer Verlauf. Daher ist es wichtig, genau auf verräterische Anzeichen einer echten Grippe zu achten.

Typisch für eine Grippe ist, dass das Krankheitsgefühl sehr plötzlich und stark einsetzt: Von einem Moment auf den andern fühlen wir uns schwach, haben hohes Fieber mit Gliederschmerzen und teilweise sogar Schüttelfrost. Begleitet wird dies von Schweißausbrüchen, Appetitlosigkeit und einem allgemeinen Gefühl der Zerschlagenheit und Schwäche. Kommt dann noch ein trockener Husten hinzu, ist ein Besuch beim Arzt ratsam. Im Gegensatz dazu beginnt eine normale Erkältung meist eher schleichend, erst läuft die Nase, dann kratzt der Hals und erst später kommen auch Husten und Kopfschmerzen dazu.

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