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Was bringen Mietpreisbremse und Co?

Wohngeld, finanzielle Förderung von Sozialwohnungen und die Mietpreisbremse: Mit diesen drei Instrumenten versucht der deutsche Staat, das Wohnen auch für Menschen mit geringeren Einkommen bezahlbar zu machen. Doch wie wirkungsvoll sind diese Maßnahmen? Forscher haben das nun untersucht - mit ernüchternden Ergebnissen. Demnach erreicht kein einziges der staatlichen Instrumente die gesetzten Ziele zu hundert Prozent.
Hans-Böckler-Stiftung / DAL, 19.08.2018

Die Mietpreisbremse bleibt oft wirkungslos, weil die Vermieter sie durch zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen sowie mangels Kontrollen einfach unterlaufen können.
Bezahlbarer Wohnraum ist in Deutschland knapp - vor allem, aber nicht nur in den Großstädten. In Metropolen wie Berlin oder München steigen die Mieten inzwischen ebenso kontinuierlich wie in kleineren Städten. Als Folge wird die Wohnungssuche für immer mehr Menschen zum Problem. Geringverdiener haben es dabei besonders schwer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Doch auch für Haushalte mit mittlerem Einkommen wird die Lage zunehmend prekär.

Top oder Flop?

Eigentlich sollen bestimmte staatliche Maßnahmen genau diesem Trend entgegenwirken. Sozialer Wohnungsbau und die Zahlung von Wohngeld sollen gewährleisten, dass sich Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft das Wohnen leisten können. Auch die jüngst eingeführte Mietpreisbremse war dazu gedacht, die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Doch wie erfolgreich sind diese Instrumente?

Dieser Frage haben sich nun Wissenschaftler um Andrej Holm von der Hans-Böckler-Stiftung gewidmet. Sie analysierten für alle 77 deutschen Großstädte die aktuellen Mikrozensus-Daten. Der Mikrozensus ist eine repräsentative Haushaltsbefragung, die unter anderem Informationen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung erfasst. Was würde der Blick in diese Haushalte über die Durchschlagskraft von Mietpreisbremse und Co verraten?

Wohngeld erreicht nur wenige

Die Ergebnisse klingen ernüchternd: Kein einziges der wohnungspolitischen Instrumente erreicht die gesetzten Ziele vollständig, wie die Forscher berichten. Am wenigsten soziale Wirkung attestieren sie dabei dem staatlichen Wohngeld. So zeigte die Auswertung, dass diese Maßnahme nur relativ wenige Haushalte erreicht. Demnach erhielten im Untersuchungsjahr gerade einmal 1,2 Prozent der Großstadthaushalte Wohngeld.

Diese werden dadurch zwar entlastet, müssen den Ergebnissen zufolge jedoch trotz dieser Hilfe im Mittel noch mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für das Wohnen ausgeben - als obere Belastungsgrenze gelten gerade für Mieter mit kleinem Einkommen eigentlich 30 Prozent. "Damit hilft das Wohngeld zwar dabei, überhaupt eine Wohnung anmieten zu können. Es sichert aber eher die Marktteilnahme als eine tatsächlich soziale Wohnungsversorgung", so das Urteil des Teams. Zudem habe das Wohngeld keine direkte dämpfende Wirkung auf die Mietentwicklung.

Vor allem in den Ballungsräumen haben Makler und Wohnungseigentümer die freie Wahl: Schlange stehen für die Besichtigung ist dort keine Seltenheit.

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Große Lücke beim Sozialbau

Die Mietpreisbremse wiederum könnte in der Theorie zwar eine deutliche Entlastung vor allem für Durchschnittsverdiener bedeuten. Hier scheitert es bislang allerdings an den zahlreichen Ausnahmen und praktischen Defiziten - zum Beispiel, weil die Einhaltung der Mietpreisbremse nicht konsequent kontrolliert wird. Würde sie dagegen systematisch angewandt und kontrolliert, müssten Vermieter in den 44 untersuchten Großstädten mit Mietpreisbremse ihre Aufschläge bei der Neuvermietung um satte 17 Prozent reduzieren, wie die Forscher ermittelten.

Und wie steht es um Maßnahme Nummer drei? "Der soziale Wohnungsbau hat eine wichtige Funktion für die Entspannung der Versorgungssituation, vor allem in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten", schreiben Holm und seine Kollegen. Allerdings gebe es viel zu wenig davon, entsprechende Förderprogramme seien trotz der Ausweitung in den letzten Jahren zu klein dimensioniert. Wie viel zu klein, zeigt diese Rechnung: In den zehn größten Städten würde es beim aktuellen Förderumfang 185 Jahre dauern, um die Lücke an günstigen Wohnungen zu schließen.

Problematische Gewichtung

Gemessen an den aktuellen Problemen leisten die untersuchten Instrumente demnach "nur einen sehr eingeschränkten Beitrag für die Versorgung der Haushalte mit den größten sozialen Wohnversorgungsbedarfen", so das Fazit der Wissenschaftler. Das liege wesentlich an einer problematischen Gewichtung, bei der das Instrument mit dem größten Potenzial mit vergleichsweise wenig Geld ausgestattet sei: der Aufbau eines ausreichend großen, dauerhaft preisgedämpften Wohnungsbestands.

So fließen in den sozialen Wohnungsbau deutschlandweit derzeit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Ebenso viel wird für das Wohngeld ausgegeben. Für die Übernahme von Wohnkosten im Rahmen von Hartz-IV-Leistungen gibt der Staat bundesweit gleichzeitig etwa 15 Milliarden Euro aus. "Die öffentliche Hand übernimmt damit für rund 17 Milliarden Euro im Jahr Ausfallbürgschaften auf einem heiß laufenden Markt", sagt Holm. "Sinnvoller wäre eine verstärkte öffentliche Investition in den Aufbau von dauerhaft leistbaren Wohnungsbeständen."

Zurzeit fehlen rund 1 Mio. Wohnungen in Deutschland. Und es wird nicht nur zu wenig, sondern auch zu teuer und zu langsam gebaut.

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Soziale Wohnungsversorgung - aber wie?

Um eine soziale Wohnungsversorgung sicher zu stellen, ist nach Analyse der Wissenschaftler der langfristige Aufbau von dauerhaft mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungsbeständen sowie ein konsequenter Schutz von Bestandsmietverhältnissen notwendig. Wesentliche Faktoren seien dabei eine Stärkung gemeinnütziger Vermieter sowie ein Mix von steuerlichen Begünstigungen, klassischer Förderung und einer preisgünstigen Vergabe von öffentlichen Grundstücken in Erbbaupacht.

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