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Was ist Melatonin und wofür wird es angewendet?

Als Schlafhormon, Anti-Aging-Mittel oder Radikalfänger – der Begriff Melatonin taucht in medizinischen Zusammenhängen häufig auf. Wie der wichtige Botenstoff im Körper gebildet wird und welche Effekte er ausübt, beleuchtet der folgende Artikel.

Sonnenlicht bremst die Bildung von Melatonin - deshalb bleiben wir tagsüber leichter wach und werden nachts einfacher müde.

pixabay.com, AdinaVoicu (CC0)

Was ist Melatonin?

Melatonin ist ein Hormon (Botenstoff) und Antioxidant, das den Wach- und Schlafrhythmus des Menschen reguliert. Die sogenannte Zirbeldrüse im menschlichen Zwischenhirn produziert die Substanz aus dem „Glückshormon“ Serotonin. Darüber hinaus wird es auch im Darm und in der Netzhaut gebildet. Die Melatoninproduktion ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig:

Licht: Tageslicht bremst die Bildung des schlaffördernden Melatonins. Dieser Effekt hängt jedoch von der Intensität der Bestrahlung ab. Im Winter, wenn das Sonnenlicht hierzulande eher schwach ist und die Dunkelheit früh einsetzt, bleibt der Melatoninspiegel auch tagsüber erhöht. Ebenso kann künstliche Beleuchtung, z.B. im Rahmen der Nacht- und Schichtarbeit die nächtliche Melatoninproduktion bremsen.

Tageszeit: Bei einem natürlichen Tagesrhythmus, dessen Schlafperiode nach Einsetzen der Dunkelheit stattfindet, erreicht der Melatoninspiegel im Körper sein Maximum gegen 3 Uhr am Morgen. Begünstigt wird die Melatoninbildung dabei durch Dunkelheit im Schlafzimmer sowie Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad.

Alter: Ältere Menschen bilden tendenziell weniger Melatonin – ihr maximaler Spiegel in der Nacht ist um das dreifache gegenüber dem Tagesspiegel erhöht. Bei jüngeren Menschen liegt dieser Faktor bei 12. Mit dieser Tatsache assoziieren Forscher die mit steigendem Lebensalter häufiger auftretenden Schlafstörungen.

Wozu wird es benötigt?

Melatonin trägt zu einem erholsamen Schlaf bei, stößt im Organismus jedoch noch zahlreiche weitere Reaktionen an:

Melatonin reguliert den Biorhythmus: In seiner Rolle als Schlafförderer bildet Melatonin einen wichtigen Faktor des sogenannten circadianen Rhythmus. Innerhalb einer 24-Stunden-Periode kommt es im menschlichen Körper dabei tagtäglich zu Veränderungen der Herzfrequenz, des Blutdruckes, des Hormonspiegels, der Körpertemperatur und der Konzentration von Immunzellen. Eine gestörte „innere Uhr“ des Menschen erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und neurodegenerative Erkrankungen.

Melatonin fördert die Bildung von Wachstumshormonen: Während der durch Melatonin verursachten Tiefschlafphase bildet der Körper verstärkt das Wachstumshormon Somatropin. Ein Mangel daran führt im Erwachsenenalter zum Abbau der Muskelmasse, Ansammlungen von Fettgewebe am Bauch und zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu wenig Somatropin im Kindesalter hingegen verursacht Kleinwüchsigkeit.

Antioxidatives Potenzial: Neben seiner schlafinduzierenden Wirkung besitzt Melatonin im menschlichen Körper einen starken antioxidativen Effekt. Es neutralisiert freie Sauerstoffradikale und Stickstoffverbindungen, die im Körper oxidativen Stress und Zellschäden verursachen. Im Gegensatz zu anderen Antioxidanzien passiert Melatonin leicht die Zellmembranen sowie die Blut-Hirn-Schranke. Seine antioxidative Wirkung ist zweimal so hoch wie die von Vitamin E und es löst im Körper eine Kaskadenreaktion aus, da seine Abbauprodukte ebenfalls als Radikalfänger wirken. Sein Vorteil gegenüber anderen Antioxidanzien wie Vitamin C und E ist, dass Melatonin amphiphile Eigenschaften besitzt. Es löst sich sowohl in wässrigem wie auch in öligem Milieu.

Welche medizinisches Ansätze ergeben sich daraus?

Eine umfangeiche Studienauswertung von iNutro zum Melatonin zeigt, dass das Schlafhormon nahezu 10 % aller Gene reguliert und somit einen gewichtigen Anteil an unserer Gesundheit hat. Da viele Effekte des Melatonins der Wissenschaft hinreichend bekannt sind, nutzen es Mediziner erfolgreich zur Therapie verschiedener Symptome.

Therapie von Schlafstörungen: Nicht nur Schichtarbeit und Jetlag können die Melatoninproduktion stören, auch das zunehmende Lebensalter stellt einen Faktor für die verringerte Hormonproduktion dar. Melatoninhaltige Medikamente sind daher in Deutschland seit 2007 zur Behandlung von Schlaflosigkeit bei Patienten über 55 Jahren zugelassen. Das Melatonin wird dabei in retardierter Form eingesetzt, um die Periode der Wirkstofffreisetzung zu verlängern. Dadurch erreicht man eine Verkürzung der Einschlafzeit, eine verbesserte Schlafqualität gleichzeitig mit der gesteigerten morgendlichen Aufmerksamkeit und erhöhten Tagesleistung.

Prävention von Jetlag: Laut einer großen Metaanalyse übt Melatonin in einer Dosierung von 0,5 bis 5mg eine positive Wirkung auf Jetlag-Symptome aus. Der Effekt ist um so größer, je mehr Zeitzonen überquert werden und zeigt sich bei Flügen nach Osten größer als bei Reisen nach Westen. Dosierungen unter 5mg führten zur vergleichsweise schnellsten Einschlafzeit.

Konzentration und Lernen: Ein erholsamer Nachtschlaf bildet die Voraussetzung für Lernerfolge und Konzentrationsfähigkeit während des Tages. Grund dafür könnte der Effekt sein, den Melatonin auf den Hippocampus ausübt. Diese Hirnregion ist verantwortlich für ein funktionierendes Gedächtnis in Form von Lernen und Erinnern. Experten empfehlen daher eine Melatoninsubstitution bei Konzentrationsstörungen und Lernschwächen.

Migräne-Prävention: In einer offenen Studie an Kindern unter 14 Jahren, die an Migräne litten, offenbarte einen positiven Effekt von Melatonin. Nachdem die Kinder 3 Monate lang täglich 3 Milligramm Melatonin vor dem Zubettgehen erhielten, berichteten zwei Drittel der Testteilnehmer, dass sich ihre Kopfschmerzen um die Hälfte reduziert hatten. Vier Probenden wiesen nach der Behandlung keinerlei Beschwerden mehr auf.

Haarwuchsmittel: Innerhalb einer Pilotstudie konnte Melatonin, das als Lösung auf die Kopfhaut aufgebracht wurde, das Haarwachstum der weiblichen Testpersonen stimulieren. Die Probandinnen litten entweder unter diffusem Haarausfall oder androgenetischer Alopezie, die durch einen Überschuss männlicher Hormone verursacht wird.

Krebstherapie: Bislang wurden einige Studien zum Thema Melatonin in der Krebstherapie durchgeführt und einer übergreifenden Meta-Analyse unterzogen. Das Ergebnis zeigte, dass die Gabe von Melatonin das Sterberisiko signifikant senken konnte und dabei keine unerwünschten Nebenwirkungen aufwies. Das Schlafhormon zeigte seine positive Wirkung dabei auf unterschiedliche Krebsarten und in unterschiedlichen Dosierungen. In Verbindung mit einer Chemo- bzw. Strahlentherapie sehen Mediziner in Melatonin einen Therapiefaktor mit großem Potenzial.

Nebenwirkungen: Einige Studien weisen darauf hin, dass hohe Melatonindosierungen Schläfrigkeit während des Tages verursachen können. Darüber hinaus können eventuell Wechselwirkungen mit Antiepileptika und Antithrombosemitteln entstehen. Eine Melatonineinnahme unter 3 Monaten hat nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand keinerlei negative Folgen.

Melatonin kann auch das die Konzentrationsfähigkeit beeinflusse. Hier ergeben sich medizinische Ansätze für eine Behandlung.

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Fazit

Wie viele Hormone besitzt auch Melatonin eine breite Wirkung im menschlichen Körper, die Schlafrhythmus, Wachstum, Gehirnleistung und Immunsystem mit einschließt. Wer Defizite fürchtet, sollte seinen Hausarzt darauf ansprechen. Während Melatonin in Deutschland verschreibungspflichtig ist, wird es in den USA oder Österreich in Dosierungen von 1 bis 5mg als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Auch Schlafhygiene und melatoninreiche Nahrungsmittel können zu einem gesunden Melatoninspiegel beitragen. So lässt sich die eigene Gesundheit positiv beeinflussen.

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