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Was machen Amphibien im Winter?

Ebenso wie Reptilien und Fische sind Amphibien wechselwarm: Ihre Körpertemperatur schwankt mit der Umgebungstemperatur und liegt beträchtlich niedriger als bei Vögeln und Säugern. Da Amphibien von Wärmequellen außerhalb ihres Körpers abhängig sind, kommen sie nur mit Hilfe einer raffinierten Überlebensstrategie durch den kalten Winter. Sie verfallen in die sogenannte Winterstarre und werden erst im Frühjahr wieder aktiv.
von wissen.de-Autor Christoph Hage

Doppelleben zwischen Land und Wasser

Das Wort “Amphibium“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet “Doppellebende“. Zu den Amphibien zählen Frösche, Kröten, Salamander, Molche und Unken, die sowohl im Wasser als auch das Land heimisch sind. Die meisten der auch als “Lurche“ bezeichneten Amphibien suchen zur Paarung und Eiablage ein Gewässer auf, im Gegensatz zur landläufigen Annahme verbringen sie den Rest des Jahres aber an Land. Der Großteil der 21 in Deutschland vorkommenden Arten ist dabei auf feuchte Standorte angewiesen.

 

Umwelttemperatur = Körpertemperatur

Amphibien, die als wechselwarme “poikilotherme“ Tiere keine konstante Körpertemperatur haben, verfallen in der kalten Jahreszeit in die Winterstarre. Für den Winter, in dem sie ihre “Betriebstemperatur“ nicht erreichen und sich schon deshalb kaum bewegen können, bleibt den Amphibien deshalb nur der Rückzug an geschützte Standorte. Bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius setzt zwangsläufig die Winterstarre ein: Sobald die kritische Temperatur erreicht ist, werden die Tiere unbeweglich.

Wenn sie dann nicht genügend geschützt sind, müssen sie sterben. Viele Amphibien verkriechen sich daher frühzeitig in geeignete Verstecke: Sie überwintern im Wurzelbereich von Bäumen, in feuchten Erdlöchern, Felsspalten, Hohlräumen unter Steinplatten oder unter totem Holz. Einige Frösche wandern auch in Teiche und Bäche, wo sie sich in den Bodenschlamm graben.

Um Energie zu sparen, reduzieren die Tiere in der Zeit der Starre alle Körperfunktionen auf ein Minimum. Selbst die normale Atmung wird eingestellt: Ihren geringen Sauerstoffbedarf decken die Amphibien ausschließlich über die feinporige Haut.

Da die erstarrten Tiere keine Nahrung aufnehmen können, benötigen sie im Herbst ausreichende Reserven. Der Aufbau der Körpervorräte ist vor allem für den Amphibien-Nachwuchs problematisch, dem nur wenig Zeit für die Nahrungssuche bleibt. Daher sind Jungtiere von Wasserfröschen und Unken oft noch bis in den Spätherbst aktiv, wenn sich die meisten anderen Lurche bereits ins Winterquartier zurückgezogen haben.

Die Dauer der Überwinterung ist von Temperatur, geografischer Lage und lokalen Gegebenheiten abhängig. Die Starrephase reicht normalerweise von Mitte Oktober bis Mitte März, kann aber auch deutlich von diesem Zeitraum abweichen. Bei dem im Hochgebirge heimischen Alpensalamander dauert der Winter bis zu acht Monate, im milden Klima Südeuropas kann die Ruhepause der Amphibien dagegen auch ganz entfallen.

 

Natürliches Frostschutzmittel

Die Körpertemperatur wechselwarmer Tiere sinkt im Winter bis fast zum Gefrierpunkt - und teilweise darunter - ab. Dieser Zustand lässt sich nur überstehen, wenn die Körperflüssigkeit in den Zellen gefriert. Um zu verhindern, dass sich im Blut Eiskristalle bilden, verfügen die Überlebenskünstler über einen physiologischen Schutzmechanismus.

Das Wundermittel gegen die Kälte heißt Glycerin. Nahezu alle wechselwarmen Tiere reichern ihre Körperflüssigkeit im Winter mit diesem “biologischen Frostschutzmittel“ an. Wenn die “coolen“ Winterschläfer dann scheinbar leblos am Grund des eisbedeckten Sees, in Erdhöhlen oder Felsspalten liegen, sind sie zwar starr vor Kälte, ihre Körpersäfte bleiben aber dennoch eisfrei und flüssig.

 

Glycerin im Blut

Die Kälteempfindlichkeit ist von Art zu Art unterschiedlich: Die meisten Amphibien vertragen Temperaturen in der Nähe des Gefrierpunkts. Einige Arten wie der Grasfrosch oder der Feuersalamander tolerieren kurzzeitig auch Perioden von ca. -5°C. Rekordhalter ist wohl der kälteresistente Sibirische Winkelzahnmolch: Er überlebt sogar eine Unterkühlung bis auf -16°C!

 

Still und starr ruht der See?

Grasfrosch
Auch beim einheimischen Grasfrosch (Rana temporaria) löst der Winteranbruch eine Winterstarre aus. Deshalb wandert er Mitte Oktober zu seinen Laichplätzen, taucht auf den Grund des Gewässers und verkriecht sich dort zwischen Wurzeln oder im Schlamm. Ist der Teich so tief, dass er nicht durchfriert, kann der Frosch dort - auch unter einer geschlossenen Eisdecke - bei einer Wassertemperatur von etwa 4 Grad Celsius überwintern.

Wie bei allen Tieren, die eine Winterstarre halten, werden beim Grasfrosch die Stoffwechselvorgänge stark gedrosselt. Das Herz schlägt viel langsamer und der Luftbedarf wird soweit gedrosselt, dass der über die Haut aus dem Wasser aufgenommene Sauerstoff zur Lebenserhaltung genügt. Grasfrösche suchen eine Wasserstelle mit ausreichender Sauerstoffversorgung auf, also etwa Bäche oder den Ein- und Ausfluss von Weihern.

In kleinen, stehenden Gewässern wie z.B. Gartenteichen enden Überwinterungsversuche oft fatal: Unter der geschlossenen Eisdecke wird aller Sauerstoff durch das sich zersetzende organische Material aufgebraucht und die Frösche ersticken.

 

Paarung unter der Eisdecke

Der Begriff “Winterstarre“ ist für manche Arten, so z.B. den Grasfrosch, eigentlich übertrieben, denn selbst wenn die Tiere unter einer Eisdecke überwintern, sind sie gar nicht so träge, wie man vermuten könnte. Sie schwimmen recht aktiv herum und es kann bereits im Januar unter dem Eis zu ersten Paarungen kommen und die einmal getroffene Partnerwahl besteht meist bis zur eigentlichen Laichablage im März fort.

Noch bevor die Winterstarre vorbei ist, haben sich fast alle Paare des kommenden Frühjahres gefunden. So wurden beispielsweise Chöre rufender Grasfrosch-Männchen schon bei Schneefall und Wassertemperaturen von nur ein bis zwei Grad Celsius beobachtet.

Auch im Hochgebirge überwintert ein Großteil der Grasfrösche im Wasser. Sie beginnen hier mit dem Laichgeschäft, sobald ein winziger Teil des Bergsees eisfrei, die ganze Umgebung aber noch völlig schneebedeckt ist. Die winterliche Aktivität ermöglicht den Kaulquappen im anbrechenden Frühjahr beste Lebensbedingungen. Sie kann aber auch ihre Tücken haben: Frösche, die an sonnenexponierten Hängen überwintern, erwachen nicht selten zu früh, wandern zu ihrem noch vereisten Laichgewässer und erfrieren in eisigen Nächten auf dem Schnee.

 

Feuersalamander

Feuersalamander (Salamandra salamandra) sind im Winter häufig in größerer Zahl in Stollen zu finden. Am beliebtesten sind Überwinterungsquartiere von mindestens einigen Dutzend Metern Länge, die im hinteren Teil bei acht bis neun Grad Celsius das ganze Jahr hindurch gleich kühl bleiben. Außerdem bevorzugen die Tiere Behausungen, die von einem Rinnsal durchflossen werden, das sich in einer künstlichen Höhle zu einem Wasserbecken erweitert.

Derartige Idealbedingungen bieten z.B. die Bergwerksstollen im deutschen Mittelgebirge: Hier wurden schon wahre Nester mit mehreren Hundert überwinternden Feuersalamandern gefunden.

Die Fortpflanzung der schwarz-gelben Lurche weist in diesen Stollen eine Besonderheit auf: Nach der Paarung im Mai oder August erfolgt die Eiablage nicht erst im darauffolgenden Frühjahr, sondern bereits mitten im Winter. Der Laich wird im Überwinterungsstollen in die wassergefüllten Becken gelegt.

Die Salamander-Larven wachsen in den kühlen, nährstoffarmen Gewässern nur sehr langsam. Einzelne Tiere steigen erst nach über einem Jahr aus dem Wasser. Daher sind in den Becken nach dem Winter nicht selten gleich zwei verschiedene Larvengenerationen zu finden.

 

So helfen Sie Amphibien durch den Winter

Alle heimischen Amphibien gehören zu den stark gefährdeten Arten. Dabei nehmen sie als Beutetiere für viele andere Tierarten - zum Beispiel den ebenfalls bedrohten Weißstorch - einen wichtigen Platz im ökologischen Kreislauf ein. Auch für den Menschen sind sie von Nutzen: Wenn viele Kröten, Frösche und Molche große Mengen an Insekten vertilgen, kann der Einsatz giftiger Insektizide reduziert werden.

Es ist daher wichtig, die Tiere nicht nur auf ihren jährlichen Wanderungen, sondern auch im Winter vor dem Tod zu bewahren.

Zu den einfachsten Schutzmaßnahmen zählt bereits, die Umgebung in Haus und Garten auf potentielle Fallen für die Kriechtiere zu überprüfen. Denn Lichtschächte von Kellerfenstern oder Wasserbecken mit steilen Rändern werden für Amphibien oft zur unentrinnbaren Falle.

 

Todesfalle Lichtschacht

Amphibien suchen zur Winterruhe feuchte, aber frostfreie Schlupfwinkel auf. Wenn es draußen kalt wird, zieht es sie auch in die Nähe menschlicher Bauwerke. Einige Arten, hauptsächlich Salamander und Molche, tauchen dann gelegentlich in Komposthaufen oder Kellern auf. Zielsicher entdecken sie Spalten, Ritzen, Fugen oder lockere Ziegel, die ihnen Zugang zu unbeheizten Räumen ermöglichen.

Auf ihrer Suche verirren sich die Tiere nicht selten in Lichtschächte oder andere steilwandige Häusernischen. Für viele Tiere werden sie zur Falle, denn aus den tiefen Schächten gibt es spätestens im Frühling kein Entrinnen. Was ist also zu tun, wenn Sie im Spätherbst einen amphibischen Gast im Keller oder in der Garage finden?

Wichtigste Regel: Nehmen Sie die Tiere bitte nicht mit ins Haus! Die Entnahme einheimischer Amphibien aus der Natur (auch wenn sie im Keller sind) ist nicht nur verboten, sondern für die Tiere auch gefährlich: “Sommerliche“ Temperaturen in beheizten Räumen bringen ihren eingeschränkten Stoffwechsel mächtig durcheinander und zehren an den dringend benötigten Energiereserven.

Nach Möglichkeit sollten Sie die Tiere nicht stören und nur darauf achten, dass sie im Frühjahr wieder hinausfinden. Sollte das unmöglich sein, setzen Sie ihren Fund einfach direkt wieder aus. Molch und Co. werden sich draußen ein neues Plätzchen zum Überwintern suchen. Danach sollten Sie den Lichtschacht gegen weitere “Gäste“ absichern und potentielle Zugänge zu Garage und Kellerräumen verbauen.

 

Kälteschutz im künstlichen Felsen

Wer im Garten etwas Nützliches für die Amphibien der Umgebung tun möchte, kann auch neue Überwinterungsmöglichkeiten schaffen. Ein ausreichend tiefer Gartenteich, Laubhaufen, Trockenmauern oder vermodernde Baumstümpfe - all diese Plätze bieten Lurchen und Fröschen den nötigen Schutz zum Überwintern.

Den Land-Überwinterern kann man mit der Errichtung eines Überwinterungshügels ein zusätzliches Angebot machen: Blocksteine, Steinplatten, Lesesteine und etwas Erde werden auf einer Schicht aus feinkörnigem Schotter so aufgeschichtet, dass ein Hügel mit Lückensystem entsteht. Zur Abdeckung des Hügels wird Erde und Sand verwendet. So entsteht ein kleines Amphibien-Paradies, das Lurchen und Kriechtieren sehr gute Versteckmöglichkeiten bietet und als Winterquartier zur Verfügung steht.

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