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Öffentlichkeitsarbeit: Risiko vernetzter Kunde

Schnell organisierte Mehrheiten im Internet machen es zunehmend unmöglich, auf Krisensituationen mit den klassischen Abwehrstrategien zu reagieren. Für die Unternehmen sind die vielfältig vernetzten Weblogs eine Herausforderung - aber auch eine Chance. Als Jonny Häusler Ende 2004 auf seinem Weblog "Spreeblick" die Geschäftspraktiken des Klingeltonanbieters Jamba anprangerte, ahnte er wohl kaum, was für eine Lawine er lostreten würde. Auf den Vorwurf der Kinderabzocke reagierten übereifrige Jamba-Mitarbeiter mit unzureichend anonymisierten Gegenkommentaren - und sorgten so dafür, dass auch die klassischen Medien wie der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" auf das Thema aufmerksam wurden. Für Jamba endete der Versuch, sich in die Blogosphäre einzuschalten, mit einem totalen Kommunikationsdesaster.

Ähnliches musste auch der amerikanische Fahrradschlosshersteller Kryptonite erfahren. Weblog-Autor Phillip Torrone bewies auf seiner Webseite, dass man eines der als "unknackbar" angepriesenen Schlösser mit einem einfachen Kugelschreiber öffnen konnte. Für Kryptonite, die vom Image der Unzerstörbarkeit ihrer Produkte leben, war das ein ernstes Problem.

"Völlig neue Art des Denkens"

Die zunehmende Gegenöffentlichkeit via Internet oder Handy stellt PR- und Marketingabteilungen von Unternehmen vor neue Herausforderungen. Moderne Kommunikationskanäle wie Weblogs, Email und SMS werden genutzt, um in hoher Geschwindigkeit Mehrheiten zu organisieren, Nachrichten zu verbreiten und zu diskutieren. Gut verfolgen ließ sich das bei der Organisation der Revolution in der Ukraine oder den Protesten gegen den G8-Gipfel: Über SMS-Verteiler wurden Demonstranten informiert und erschienen plötzlich wie aus dem Nichts am verabredeten Ort. Forscher bezeichnen dieses Verhalten als "Schwarmintelligenz" - und schwärmen selbst von "einer völlig neuen Art des Denkens", wie der deutsche Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz glaubt. Auch wenn weniger optimistisch gesinnte Zeitgenossen das Phänomen eher in der Rubrik "Herdentrieb" einordnen - die Auswirkungen sind real. "Die Massenmedien haben ihre "Agenda Setting Power" zum Teil an die digitale Community verloren", sagt Thomas Strätling, Geschäftsführer bei Ahrens & Bimboese, einer Agentur für Kommunikationsforschung und -beratung in Berlin. Mit weit reichenden Folgen für die Arbeit der Öffentlichkeitsarbeiter: "Das übliche Abschmettern mit Pressemitteilung und Gegendarstellung funktioniert in Krisensituationen nicht mehr", sagt Strätling. Wird ein Weblog abgemahnt, steht die Geschichte in kurzer Zeit auf einer anderen Seite, und oft sind die Urheber gar nicht erst ausfindig zu machen.

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