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Welche Folgen hat die Pandemie für die Wirtschaft?

Die Coronavirus-Pandemie ist nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine wirtschaftliche Krise. Wie schlimm die ökonomischen Folgen sein werden, lässt sich bislang nur erahnen. Finanzexperten rechnen jedoch mit erheblichen Wachstumsverlusten – in Deutschland und weltweit. Vielen Branchen werden die Folgen der Pandemie demnach schwer zu schaffen machen. Aber es gibt auch Gewinner der Krise.
Institut für Weltwirtschaft (IfW)/ Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) / DAL, 23.03.2020

Ökonomen erwarten durch die Coronavirus-Krise einen der stärksten Wirtschaftseinbrüche der Nachkriegszeit.

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Das neuartige Coronavirus legt seit Wochen weite Teile der Welt lahm: Um die Ausbreitung von SARS-Cov-2 stoppen, sind inzwischen in den meisten Ländern strenge Maßnahmen in Kraft. Dazu gehören die 14-tägige Quarantäne von Covid-19-Erkrankten und Verdachtsfällen, aber auch das Verbot von Veranstaltungen, die Schließung von Schulen, Geschäften und Gaststätten. Mancherorts kommt es zu Versammlungsverboten oder der Abriegelung ganzer Stadtgebiete.

Schon jetzt ist klar, dass all diese Strategien zur Eindämmung des Erregers die Weltwirtschaft hart treffen werden. Dass etliche Unternehmen wegen sinkender Nachfragen ihre Produktion heruntergefahren haben oder ihre Dienstleistungen nicht mehr anbieten können, bringt die Ökonomie spürbar aus dem Gleichgewicht. Besonders eindrücklich zeigt sich dies derzeit an den Börsen. So hat beispielsweise der Dax in nur 28 Tagen fast 40 Prozent eingebüßt – Experten zufolge ist es der schnellste Absturz, den es in Deutschland je gab.

Deutliche Einbußen für das deutsche BIP

Die Panik, die sich derzeit an den Märkten breitmacht, kommt nicht von ungefähr: Laut einer aktuellen Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gehen die meisten Finanzexperten davon aus, dass die Pandemie das globale reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) erheblich belasten wird. Insbesondere auch für die deutsche Wirtschaft rechnen die Fachleute demnach mit deutlichen Einbußen.

Konkret prognostizieren 38,9 Prozent der Befragten der Bundesrepublik einen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsverlust zwischen 0,5 und einem Prozentpunkt. 36,8 Prozent rechnen sogar mit Verlusten über einem Prozentpunkt – und nur 24,2 Prozent der Befragten gehen von geringeren Einbußen unter 0,5 Prozentpunkten aus.

ZEW-Präsident Achim Wambach rechnet damit, dass diese Prognosen noch negativer werden, wenn sich die Konsequenzen der Corona-Krise in den kommenden Wochen weiter verschärfen: "Die Ergebnisse dürften nur eine Momentaufnahme darstellen. Mit weiteren Verschlechterungen des wirtschaftlichen Ausblicks ist zu rechnen", sagt er.

Am 19. Februar verpasste der deutsche Leitindex DAX nur knapp ein neues Allzeithoch und stand bei Handelsschluss bei 13.789 Punkten. In den ersten vier Wochen der Corona-Krise büßte er 39 Prozent seines Wertes ein.

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Wie entwickelt sich die Lage?

Auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel schätzt die Lage eher düster ein: Ging es in seiner Frühjahrsprognose noch von einem Rückgang des BIP 2020 um lediglich 0,1 Prozent aus, hat das Institut seine Konjunkturberechnungen nun aktualisiert und kommt zu deutlich schlechteren Befunden. Wie schlimm aber wird es wirklich kommen? Dies hängt nach Ansicht der Experten auch davon ab, wie sich die Corona-Krise in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt.

Für ihre Berechnungen haben die Wissenschaftler daher zwei unterschiedliche Szenarien betrachtet: Im sogenannten V-Szenario dauert der "Lockdown" der Wirtschaft bis Ende April und die Corona-bedingten Produktionsausfälle klingen binnen sechs Monaten ab. Das U-Szenario sieht dagegen vor, dass die Erholung erst ab August einsetzt. Die Produktion in den unterschiedlichen Branchen würde dann erst zu Beginn des kommenden Jahres auf das Vor-Corona-Niveau zurückkehren.

Das Gastgewerbe zählt zu den offensichtlichsten Verlierern der Coronavirus-Einschränkungen. Für die Beschäftigten ist die Situation belastend, weil völlig unklar ist, wie sich die Lage weiter entwickelt.

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Gastgewerbe und Luftfahrt als Verlierer

Entsprechend unterschiedlich fallen die Verluste aus: Dauert die derzeitige Stresssituation nur bis Ende April an, fällt das deutsche BIP den Prognosen zufolge um 4,5 Prozent. Dies wäre ein Rückgang der Wertschöpfung von 150 Milliarden Euro. Setzt die Erholung dagegen erst später ein, könnte das BIP um 8,7 Prozent sinken. "Das U-Szenario unterstellt einen fast halbjährigen Lockdown weiter Teile des Wirtschaftslebens und geht damit an die Grenze dessen, was man sich derzeit vorstellen kann. Daher dürfte die tatsächliche Entwicklung näher am V- als am U-Szenario liegen", hofft IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths.

Unabhängig vom gesamtwirtschaftlichen Schaden ist allerdings auch klar: Nicht jede Branche wird es wirtschaftlich gleich schwer treffen. Zu den Verlierern der Corona-Pandemie gehören vor allem das Gastgewerbe, die Luftfahrt sowie die Freizeitbranchen. Bei ihnen zeichnet sich ein anfänglicher Rückgang der Kapazitätsauslastung um ganze 90 Prozent ab. Auch im Fahrzeug- und Maschinenbau sowie im Stahlgeschäft rechnen Experten mit deutlich negativen Wirkungen.

"Keine Vergleichsmuster"

Fast die Hälfte der deutschen Wirtschaft dürfte laut IfW dagegen geringe oder gar keine Einbußen verzeichnen. Kaum Auswirkungen hat die Pandemie demnach zum Beispiel für das Grundstücks- und Wohnungswesen oder die Informations- und Telekommunikationsbranche. Ebenfalls kaum betroffen dürften viele Bereiche des öffentlichen Dienstes sein, wie die Experten erklären. Einige Branchen profitieren indes sogar von der Krise: Über steigende Nachfragen können sich unter anderem der Lebensmitteleinzelhandel, Zustelldienste und allen voran die Pharmaindustrie freuen.

Wie Kooths betont, befinden wir uns derzeit in einer beispiellosen Ausnahmesituation. "Die Produktionseinbußen sind der Reflex auf einen massiven exogenen Schock, für den es in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte keine Vergleichsmuster gibt. Der Einbruch der Börsenkurse und das Zurückfahren von Produktionsprozessen erfolgt viel rasanter als während der globalen Finanzkrise 2008/ 2009. Allerdings sind auch die Chancen gut, rascher wieder aus dem Produktionstal herauszukommen", so sein zumindest etwas Mut machendes Fazit.

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