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Weltcup-Finale 2008 der Springreiter in Göteborg

Das 30. Weltcup-Finale der Geschichte hatte wirklich einiges zu bieten. Tränen, Träume und Triumphe – so könnte die Geschichte dieser vier Tage auch zusammen gefasst werden.

von Alexandra Koch, Waldkraiburg

Rolf Lüdi, der Parcoursbauer beim Weltcup-Finale der Springreiter in Göteborg, hatte den 39 qualifizierten Reitern wirklich vor Aufgaben gestellt, die von einigen gar nicht oder kaum zu bewältigen waren. Alle, inklusive des ersten FEI-Vizepräsidenten Sven Holmberg, waren sich einig, dass dies die schwierigsten Parcours gewesen waren, die ein Weltcup-Finale jemals gesehen hatte. Am ersten Tag fand traditionell das Zeitspringen statt, bei dem sich manch ein Reiter über fehlende Alternativen um Zeit zu sparen beklagte.

Markus Ehning dagegen konnte sich nicht einmal mehr beklagen – sein Pferd Sandro Boy verweigerte einen Sprung zweimal. Ehning schied aus. Nach dem Debakel bei der WM 2006 und der EM 2007 der dritte Teil eines Dramas, bei dem niemand so recht weiß, welche Faktoren eine Rolle spielen. Mutmaßungen helfen nicht weiter – Ehning wird selbst einen Weg aus dem Dilemma finden müssen. Vorerst wurde er aus dem A-Kader gestrichen.

Die anderen Deutschen konnten sich dagegen freuen. Heinrich Herrmann Engemann gewann, für viele ein wenig überraschend, mit Aboyeur das Zeitspringen. Hinter ihm reihten sich die Mitfavoriten Steve Guerdat mit Tresor und Jessica Kürten mit Libertina ein. Danach folgte eine Überraschung aus den USA, der 48-jährige Rich Fellers mit dem Iren Flexible. Meredith Michaels-Beerbaum drehte mit Shutterfly eine lockere Runde und wurde Fünfte. Ludger Beerbaum komplettierte das gute deutsche Ergebnis auf Platz 9.

Allen war jedoch klar, dass es am zweiten Tag viel schwerer werden würde. Was für eine Herausforderung Rolf Lüdi den Reitern auf ihren Weg zum Sieg stellte, ahnte aber noch niemand.
Die Hindernisse am zweiten Tag waren so mächtig und Kombinationen so kompliziert gebaut, dass Peter Wylde, dem eine Nullrunde gelang, meinte, es sei einer der schwersten Parcours gewesen, die er jemals geritten war.
Seine Kollegen konnten nur zustimmen. Bis zum 24. Reiter, Michael Whitaker, gab es keine Nullrunde und teils desolate Leistungen. Viele Reiter schienen mit dem Kurs wahrlich überfordert zu sein. Nicht so allerdings Ludger Beerbaum mit dem erst 9-jährigen All Inklusive, der sich sehr überzeugend zeigte und Null ging, ebenso wie Rich Fellers und Jessica Kürten.
Meredith Michaels-Beerbaum verpasste das Stechen auf Grund eines Zeitfehlers. Sie hatte ihren Shutterfly eher vorsichtig durch den Parcours pilotiert, musste einige Male etwas abbremsen. Beim letzten Sprung verlor sie obendrein einen Steigbügel.
Das alles mochte sie in diesen Momenten an das Weltcup-Finale vor einem Jahr in Las Vegas erinnert haben, als sie in der dritten Runde, bis dahin fehlerlos den Sieg vor Augen, stürzte.
In Göteborg wollte sie diesen für sie wirklich schlimmen Moment vergessen machen.

Noch führte aber nach einem Sieg im Stechen die Irin Jassica Kürten mit 0 Punkten. Hinter ihr lagen die Amerikaner Rich Fellers und Peter Wylde mit 2 bzw. 3 Punkten. Danach folgten Meredith Michaels-Beerbaum, Ludger Beerbaum und Vorjahressieger Beat Mändli mit 4 Punkten. Heinrich Herrmann Engemann belegte nach einem Abwurf und Zeitfehler mit 5 Punkten Platz 7.
Doch die Entscheidung eines jeden Weltcup-Finals fällt eben erst am Schlusstag, an dem noch einmal zwei schwere Runden vor den Reitern standen.
Ein Tag Pause war den Pferden dazwischen gegönnt worden, als die Göteborg Trophy mit anderen Pferden bestritten wurde, und Jessica Kürten erneut – diesmal mit Quibell – siegte.

Sonntag forderte die erste Runde am frühen Nachmittag alles von Pferden und Reitern. Fehlerfreie Runden waren erneut Mangelware. Zwei Favoriten hatten schon Samstags die Segel gestrichen - Harrie Smolders und Gerco Schröder aus den Niederlanden gaben auf. Im ersten Umlauf am Sonntag folgte ihnen auch Albert Zoer mit Oki Doki nach, der über die ganzen Tage in keinen Rhythmus gefunden hatte genauso wenig wie Judy Ann Melchoir mit Levisto. Die Fehlerfreien waren Helden dieses Umlaufs. Makellos die Runde zu beenden gelang Patrick Mc Entee, Steve Guerdat, Helena Lundbäck, Rolf Göran Bengtsson, Heinrich Herrmann Engemann und Meredith Michaels-Beerbaum. Die beiden letzteren übernahmen nach dieser Runde die Führung, was Bundestrainer Kurt Gravemeier zuversichtlich stimmte.
Jessica Kürten hatte zwei Abwürfe hinnehmen müssen, sie hatte sich an der zweifachen Kombination vollkommen vermanaged, so dass Libertina am zweiten Hindernis nur noch hindurch sprang.
Rich Fellers hatte einen Abwurf ebenso wie Deutschlands weitere Hoffnung Ludger Beerbaum. Peter Wylde verabschiedete sich nach einer völlig verunglückten Linie und 12 Punkten.
Die vierte und letzte Runde wurde zum Nervenkitzel für alle Beteiligten, Patrick Mc Entee zeigte sich prächtig und stand mit einem Zeitfehler an der Spitze der Tageswertung. Peter Wylde rehabilitierte sich mit einer Nullrunde. Außerdem blieben Beat Mändli und Rich Fellers fehlerfrei, was den Druck auf die beiden vorne platzierten enorm erhöhte, da ein Abwurf sie hinter Fellers bringen würde. Jessica Kürten und Ludger Beerbaum beendeten den Umlauf übrigens mit jeweils 4 Punkten und konnten sich im vorderen Bereich des Feldes halten.
Die Spannung stieg jedoch zum Zerbersten an, als Heinrich Herrmann Engemann einen Abwurf verzeichnen musste und Meredith Michaels-Beerbaum einritt. Sie war sicherlich eine der Favoritinnen gewesen mit ihrem "Besten Pferd der Welt" Shutterfly.
Allerdings war für sie die Situation auch nicht einfacher als für andere. Und doch ließ sie den mit Höchstschwierigkeiten nur so gespickten Parcours einfach erscheinen.
Die volle Konzentration auf jeden Sprung brachte sie dem Sieg näher und näher. Auf der letzten Linie hatte es zuvor unheimlich viele Fehler gegeben. Meredith und Shutterfly fanden spielerisch leicht die passende Distanz und flogen in ihren nächsten wahr gewordenen Traum hinein.
Sie hatte es für Shutterfly gewollt, sagte Meredith später, das beste Pferd der Welt, der es so sehr verdient hatte zu gewinnen. Und für den sie sich immer bemühen musste, gut zu reiten.
Sie hatte ihm in Göteborg den Weltcup-Sieg geschenkt, den sie ihm, ihrer Ansicht nach, ein Jahr zuvor weggenommen hatte.
Alle sprachen in den Tagen von Göteborg über Marcus Ehnings Trauma. Meredith Michaels-Beerbaums Sieg war zumindest der Triumph über eine "riesengroße Enttäuschung".

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