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Weltklimakonferenz in Glasgow – letzte Chance fürs Klima?

Seit dem 31. Oktober 2021 wird im schottischen Glasgow wieder über Klimaschutz, Emissions-Minderungen und finanzielle Hilfen verhandelt. Auf der Weltklimakonferenz (COP26) gilt es, entscheidende Weichen für die Einhaltung des 2015 in Paris beschlossenen 1,5-Grad-Klimaschutzziels zu stellen. Ob der Klimagipfel allerdings die erhofften Durchbrüche bringt, bleibt abzuwarten: Die Corona-Pandemie und politische Spannungen zwischen einigen Staaten werden dies nicht gerade erleichtern.
NPO, 02.11.2021

Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow gilt es, entscheidende Weichen für die Einhaltung des 2015 in Paris beschlossenen 1,5-Grad-Klimaschutzziels zu stellen.

Hintergrund: GettyImages, angkhan; COP26-Logo: UK Government, OGL 3

Die eigentlich für 2020 geplante Klimakonferenz COP26 markiert einen Punkt in den internationalen Klimaschutzbemühungen. Zwei Wochen lang, vom 31. Oktober bis 12. November, werden rund 25.000 Menschen in Glasgow darüber diskutieren, ob und wie das Abkommen von Paris und sein ehrgeiziges Ziel noch erreicht werden kann. Mit dabei sind Regierungsvertreter der 197 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention, aber auch Klimaschutzorganisationen und Interessenvertreter aus aller Welt.

Was soll COP26 erreichen?

Ziel ist es, am Ende der Konferenz ein Abschlusspaper zu haben, in dem – im Idealfall – die noch bestehenden Diskrepanzen zu den in Paris beschlossenen Maßnahmen und Zielen behoben sind. Denn bisher ist es nicht gelungen, die 2015 beim Klimaabkommen von Paris verabschiedeten Beschlüsse umzusetzen oder zumindest sich auf ein konkretes vorgehen zu einigen.

Was das Abkommen beinhaltet, formuliert der UN-Generalsekretär António Guterres so: "Es bedeutet, die Emissionen soweit zu reduzieren, dass die Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber den präindustriellen Werte begrenzt bleibt. Es bedeutet, den Klimaschutz in ärmeren Ländern mit 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu unterstützen. Und es bedeutet, finanzielle Hilfe für Anpassungsmaßnahmen und die Eindämmung der Klimafolgen bereitzustellen."

Doch heute, sechs Jahre später, ist keiner dieser drei Hauptpunkte erfüllt. Die Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow gilt nun als eine der letzten Chancen, das Ruder doch noch herumzureißen und die in Paris beschlossenen Ziele zu erfüllen. "COP26 ist enorm wichtig", erklärt der US-Physiker und Klimaforscher Bill Hare. "Bei dieser Weltklimakonferenz müssen wir sehen, dass die Welt genügend Ehrgeiz zeigt, um die Langzeitziele des Pariser Abkommens eizuhalten."

Tagungsort ist der Scottish Event Campus in Glasgow

GettyImages, theasis

An welchen Punkten hakt es?

Das wichtigste Manko der bisherigen Klimaschutzbemühungen: Sie reichen noch lange nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber präindustriellen Werten zu begrenzen, wie in Paris beschlossen. Laut dem Abkommen muss jedes Land eine nationale Selbstverpflichtung (NDC) einreichen, in denen es die Emissions-Minderungsziele bis zum nächsten Bezugspunkt darlegt – aktuell ist dies das Jahr 2030. Reichen die eingereichten Maßnahmenpakete und Emissionsziele nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu halten, muss in der nächsten Runde nachgebessert werden.

Genau diese ist nun fällig. Doch nur 120 der 197 Vertragsstaaten habe bisher wie vorgegeben neue CO2-Minderungsziele eingereicht – und auch diese reichen noch lange nicht aus. Einem aktuellen Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP zufolge liegen die aktuellen NDCs auf einem Kurs Richtung 2,7 Grad Erwärmung – sofern die eingereichten Selbstverpflichtungen überhaupt umgesetzt werden. Einige der größten Emittenten von Treibhausgasen, darunter China, haben zudem entweder gar keine neuen Ziele aufgesetzt oder aber keine, die eine Minderung des CO2-Ausstoßesd mit sich bringen.

„Es hat zwar Fortschritte gegeben, aber nicht genug“, betont Inger Andersen, Exekutivdirektor der UNEP. „Um noch eine Chance zu haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bleiben uns nur acht Jahre, um die Treibhausgas-Emissionen zu halbieren – acht Jahre um zu planen, die Maßnahmen einzuleiten und umzusetzen und die Emissionen zu senken – die Uhr tickt.“

Das leidige Geld

Ein weiteres Thema der Weltklimakonferenz in Glasgow werden die Finanzen sein. Weil ärmere Länder weniger zu den CO2-Emissionen beitragen, aber gleichzeitig zu den Hauptleidtragenden des Klimawandels gehören, sollen sie sowohl bei Klimaschutzmaßnahmen als auch bei Anpassungen an die Klimafolgen unterstützt werden. Die Industriestaaten sollen dafür aus privaten und staatlichen Geldern jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitstellen.

Bisher allerdings sind diese 100 Milliarden noch immer nicht erreicht – und tatsächlich nötig wäre ohnehin viel mehr:  "Die 100 Milliarden US-Dollar sind kaum mehr als eine Anzahlung auf das, was für Klimaschutz und Anpassungen in den Entwicklungsländern benötigt wird", sagt UN-Generalsekretär António Guterres. "Schon jetzt benötigen ärmere Länder allein 70 Milliarden US-Dollar für die Anpassung an Klimafolgen und diese Summe könnte sich bis zu, Ende dieses Jahrzehnt auf 300 US-Dollar pro Jahr vervierfachen."

Pandemie und politische Querelen

Obwohl noch viel zu tun wäre und angesichts des rasant fortschreitenden Klimawandels die Zeit drängt, finden die Klimaverhandlungen in Glasgow unter alles andere als idealen Voraussetzungen statt. Zum einen schränkt die noch immer grassierende Corona-Pandemie vor allem für die ärmeren Länder die Möglichkeiten ein, es überhaupt nach Glasgow zu schaffen. Trotz der Möglichkeiten digitaler Teilnahme könnte dies ihre Chancen schmälern, ihre Standpunkte publik zu machen und durchzusetzen.

Hinzu kommen politische Spannungen zwischen einigen der großen Akteure. In Europa belastet der Brexit die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien, innerhalb der Europäischen Union gibt es Streit mit osteuropäischen Ländern wie Polen und Ungarn, die ihre nationale Agenda ohne Rücksicht auf den Rest der EU und deren Wertebasis durchsetzen wollen.

China und die USA liefern sich einen eskalierenden Handels- und Machtstreit, in dem es um wirtschaftliche Vormacht, aber auch militärische und territoriale Interessen im südchinesischen Meer geht. Zudem hat China im Rahmen seiner neuen Seidenstraße vor allem in Afrika und anderen ärmeren Regionen seinen Einfluss stetig ausgebaut. Es stet zu befürchten, dass das Land diesen nutzen könnte, um Unterstützer für die eigenen Positionen zu bekommen.

Zu verhandeln gibt es demnach vieles und die Erwartungen sind hoch. Ob allerdings die COP26 angesichts der teils verhärteten Fronten und der erschwerten Bedingungen der Pandemie die erhofften Ergebnisse bringen kann, ist offen.

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