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Wie gesund sind unsere Kinder?

Am 20. September ist Weltkindertag. Ein geeigneter Zeitpunkt, das höchste Gut unseres Nachwuchses in Augenschein zu nehmen. Wie ist es um den allgemeinen Gesundheitszustand in der Bundesrepublik lebender Kinder und Jugendlicher bestellt? Wo lauern die größten Risiken, und: Inwieweit spielt auch der soziale Status dabei eine Rolle? Eine Bestandsaufnahme.
von wissen.de-Autor Jens Ossa

Die meisten Kinder sind gesund

Kinderarzt untersucht Baby
shutterstock.com/Lisa Eastman

85 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen geht es laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts gut bis sehr gut, in den Altersgruppen darunter steigt der Anteil sogar. Das ist schon mal erfreulich. Die Studie mit dem Kunstnamen KiGGS untersuchte Kinder und Jugendliche in Deutschland im Hinblick auf körperliche und psychische Erkrankungen, die nicht selten ineinander übergehen. Schwerpunkte waren Übergewicht, Allergien und diverse Verhaltensauffälligkeiten, darunter ADHS, Kontaktschwierigkeiten und emotionale Probleme.

 

Übergewicht und Fettleibigkeit

Mädchen mit Chips und Cola vor dem Fernseher
shutterstock.com/Ivonne Wierink

Wer dauerhaft seinem Körper mehr Energie zuführt, als er verbraucht, setzt Fett an. Die Weltgesundheitsorganisation WHO übertreibt nicht, wenn sie über eine Epidemie in Europa spricht. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der Übergewichtigen verdreifacht. Das ist insofern besorgniserregend, als Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen große Risiken für Folgeerkrankungen bergen. Dazu gehören Diabetes, Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels und Erkrankungen an Muskeln und Gelenken. Im Erwachsenenalter erhöht sich das Risiko auf Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs – häufig betroffen ist hier die Bauchspeicheldrüse. Worunter Dicke aber schon vorher leiden, sind Hänseleien und Isolation. Die Folge: Sie ziehen sich zurück und versuchen ihren Kummer zu kompensieren, indem sie noch mehr essen – ein Teufelskreis.

Die KiGGS-Studie ergab, dass in Deutschland 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 Jahren übergewichtig sind und davon wiederum sechs Prozent adipös, also fettleibig. In Zahlen ausgedrückt, heißt das 1,9 Millionen übergewichtige und 800 000 fettleibige Kinder.

Wo aber hört Übergewichtigkeit auf und fängt Fettleibigkeit an? Während für Erwachsene der so genannte Body Mass Index (BMI; Körpergröße zum Quadrat dividiert durch Gewicht) eine grobe Einschätzung erlaubt, ist eine solche Allgemeinformel bei Heranwachsenden schlecht möglich, da in verschiedenen Entwicklungsstufen unterschiedliche Werte gelten. Zur Info: Ein Erwachsener gilt bei einem BMI von über 25 als übergewichtig und über 30 als fettleibig. Hier bezog sich die Studie auf Durchschnittswerte aus Befragungen von 1985 bis 1999 in unterschiedlichen Altersgruppen. Daraus ergab sich, dass heute 50 Prozent mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig sind als damals und gar doppelt so viele fettleibig. Am deutlichsten nimmt die Zahl bei den Sieben- bis Zehnjährigen zu. Besonders betroffen sind Kinder mit niedrigem Sozialstatus. Schuld sind im Wesentlichen die Eltern, die ihren Kindern falsche Verhaltensweisen vorleben. Aber auch die Überflutung von Werbung für Knabbereien, Fastfood und süßen Getränken.

Eltern sollten sich daher ihrer Rolle als Vorbild bewusst sein und ihre Kinder zum Sport animieren. Ein erster Schritt ist immer, die Essgewohnheiten in der Familie zu überprüfen.

 

Allergische Krankheiten

Allergien sind überempflindliche Reaktionen des Körpers auf Fremdstoffe aus der Umwelt. Sie zeigen sich in Form von Hautausschlag, juckenden Augen und Rachen, Schnupfen, Atemnot oder Müdigkeit. Die häufigsten Allergene – Stoffe, die eine Allergie auslösen – sind Pollen, Hausstaub, Insektengift, Tierhaare und Lebensmittel, die häufigsten Erkrankungen Heuschnupfen, Neurodermitis und Asthma.

Mediziner vermuten, dass diese Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Zunehmen begriffen sind. Verschlimmernd können sich seelische Probleme durch Mobbing, Leistungsdruck und schwierige familiäre Verhältnisse auswirken – kurzum Stress.

Betroffen sind laut KiGGS 17 Prozent, davon Jungen etwas häufiger als Mädchen. Während Heuschnupfen und Asthma mit dem Alter zunehmen, geht die Zahl der an Neurodermitis Erkrankten zurück. Interessant ist, dass Kinder und Jugendliche aus schwachen sozialen Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund seltener an Allergien leiden als andere. Hier könnten übertriebene Hygiene- und Reinlichkeitsmaßnahmen in Familien von mittlerem oder hohem Sozialstatus mit hineinspielen. Ebenfalls die Tatsache, dass deren Kinder isolierter aufwachsen. Denn diejenigen, die früh engen Kontakt zu anderen Kindern hatten, weisen weitaus weniger Allergien auf.

Sobald Verdacht auf eine allergische Erkrankung besteht, ist bei Eltern Beobachtungsgabe gefragt. Auf jeden Fall sollten sie einen Arzt hinzuziehen. Liegt eine Diagnose vor, ist der Kontakt zu den in Frage kommenden Substanzen zu vermeiden.

 

Verhaltensauffälligkeiten

Jakob kann sich im Kindergarten schwer in die Gruppe einfügen. Er stört seine Spielkameraden und versucht durch aggressives Verhalten die Aufmerksamkeit seiner Erzieherinnen auf sich zu ziehen. Als Folge schließen die anderen Kinder den Jungen aus, niemand will mit ihm spielen, und alle machen ihn zum Sündenbock. Jakob hat ein Verhaltensproblem. Für Auffälligkeiten, wie er sie zeigt, kommen verschiedene Möglichkeiten infrage.

Emotionale Probleme: Hierzu zählen Ängste, Sorgen und Niedergeschlagenheit.

ADHS: Die so genannte Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung äußert sich in motorischer Unruhe und starkem Bewegungsdrang. Betroffene lassen sich leicht ablenken und handeln oft unüberlegt.

Kontaktschwierigkeiten: Die Kinder haben das Gefühl, unbeliebt zu sein und von anderen gehänselt zu werden. In der Regel kommen solche Kinder besser mit Erwachsenen aus als mit Gleichaltrigen.

Bei den Elf- bis 17-Jährigen sind es 17 Prozent, auf die eines der Probleme zutrifft, bei den Drei- bis Zehnjährigen sogar 29 Prozent. Insgesamt neigen mehr Jungen als Mädchen zu Verhaltensauffälligkeiten (30:25 Prozent), wobei die Mädchen eher mit emotionalen Problemen zu kämpfen haben. Bei den Jungen ist es ADHS oder eine Kontaktschwierigkeit - oder beides. Auch hier laufen sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie solche mit Migrationshintergrund ein höheres Leidensrisiko.

Bei den Betroffenen können ernst zu nehmende Gesundheitsstörungen vorliegen, die einer professionellen Beratung und gegebenenfalls einer Behandlung bedürfen. Verhaltensprobleme können das soziale Umfeld belasten. Setzen sie sich im Erwachsenenalter fort, besteht die Gefahr, dass sie die beruflichen Chancen einschränken und die Lebensqualität beeinträchtigen.

Für eine frühzeitige Vorbeugung ist es wichtig, dass Eltern die Entwicklung ihrer Kinder aufmerksam beobachten, sich für ihren Alltag interessieren und den gedanklichen Austausch mit ihnen suchen. Schon die Vergewisserung, dass das elterliche Interesse und eine helfende Hand vorhanden ist, verleiht ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Je jünger die Kinder, desto wichtiger ist es auch, auf veränderte Verhaltensweisen einzugehen, da sie sich sprachlich nicht bemerkbar machen können.


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