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Wie Industrien ihre teuren Geräte schützen

In der Industrie gibt es keine „billigen“ Ausfälle. Und selbst teurer Schutz ist dagegen noch vergleichsweise günstig – vor allem auf lange Sicht.

Der Schutz gegen die allfälligen Gefahren in der Industrie ist oft nicht weniger Hightech als das, was er beschützen soll – manchmal jedoch reicht auch eine kleine Unterlegscheibe aus Gummi, die ein millionenteures Bauteil bewahrt.

unsplash.com, Ant Rozetsky

Industrie ist ein sehr breitgestecktes Feld. Sie umfasst die typische Schwerindustrie mit glühendem, flüssigem Metall, die vielleicht so mancher Leser jetzt vor dem geistigen Auge hat ebenso, wie sie Bergwerke und andere höchst schmutzige Umgebungen umfasst – aber eben auch Fabriken, in denen es wahrscheinlich sauberer zugeht als in einem durchschnittlichen Wohnzimmer, etwa das Werk eines Autoherstellers. Und bedenkt man, was das industrielle Inventar eines solchen Betriebes wert ist, dürfte es eigentlich nicht verwundern, dass die Unternehmen sehr weite Wege gehen, um diese zu schützen. Und das ist ein sehr spannendes Thema, wie der folgende Artikel beweist.

Warum der Schutz so wichtig ist

Stellen wir uns mal kurz einen beliebigen Industriebetrieb vor. Nimmt man die Maschinen in einer Produktionshalle zusammen, stellen sie allein schon einen beträchtlichen Wert dar, der in der Summe nicht selten Millionen- oder sogar Milliardenbeträge umfasst – stellt man sich etwa einen computergesteuerten Lichtbogenofen zur Stahlherstellung vor oder die Schweißroboter eines Autoherstellers, werden solche Beträge sehr real.

Doch der reine Gerätewert ist nur ein Grund, warum die Hersteller so auf Schutz bedacht sind. Der andere Faktor ist meist noch viel kostbarer: Umsätze. Wenn, überspitzt formuliert, an einem Gerät für eine dreiviertel Million Euro ein Sensor im Wert von 250 Euro ausfällt, kann mit etwas Pech nicht nur diese Maschine, sondern das ganze Werk stillstehen – mit Kostenausfällen, die weit über den Preis der Maschine hinausgehen.

Zudem lauern überall Gefahren, teilweise selbst in sauberen Industrien:

·    Stäube/Verschmutzungen, die verstopfen, blind machen, verkratzen – oft mit davon ausgehenden Folgeschäden.

·    Temperaturextreme, die generell ein Problem sind, aber besonders bei Halbleitertechnik gravierend wirken – die verträgt nämlich Temperaturen oberhalb von 120°C nicht.

·    Vibrationen bzw. die dabei auftretenden Beschleunigungskräfte, die ein Bauteil buchstäblich zerrütten können.

·    Witterungsschäden zwischen Wasser und UV-Bombardement, die auf gleich mehrere Arten wirken

Und zu all diesen Belastungen kommt noch eine ganz normale Gefahr durch Abnutzung hinzu. Doch was tun die Industrien gegen diese vier Gefahren?

Stäube und Verschmutzungen

Wir alle kennen es von zuhause: Man kann einen Raum wochenlang nicht betreten, dennoch lagern sich dort regelrecht sedimentäre Staubschichten ab. Doch was dort nur unschön aussieht, kann beispielsweise Sensoren falsche Werte ausspucken lassen – oder auch dafür sorgen, dass einem Arbeiter Metallspäne um die Ohren fliegen.

Der wichtigste Schutz dagegen ist ein ziemlich strenges Reinigungs-Regime. Oft in jeder Schicht, zumindest aber nach festen Plänen werden alle gefährdeten Teile gereinigt – und zwar nicht mit einem Kratzer-produzierenden Lappen, sondern Helfern zwischen gereinigter Druckluft, Ultraschallbad und hochprozentigem Alkohol. Für besonders schmutzgefährdete Bereiche gibt es sogar mittlerweile digitale Maschinen, die das selbsttätig erledigen.

Der wichtigste Schutz ist jedoch, dafür zu sorgen, dass Schmutz gar nicht erst dahin vordringen kann, wo er echten Schaden anrichtet. Vor Lufteinlässen arbeitet dann beispielsweise ein Zyklonabscheider. Über den „Augen“ von Sensoren sitzen transparente Kunststoffhauben (die sind im Bedarf viel günstiger zu tauschen als die Sensorlinse). Und teilweise verschwinden auch ganze Maschinen in speziell abgedichteten Schaltschränken – die sowohl für Schutz gegen Schmutz von außen sorgen wie sie verhindern, dass die Maschine solchen entlässt.

Temperaturextreme

Schon der Mensch reagiert nicht sonderlich gut auf Temperaturextreme. Bedenkt man aber, dass in manchen Industrien nur einige Zentimeter Material zwischen glühenden 1500°C und -5°C liegen, wird schnell klar, worin hier das Problem, eigentlich zwei Probleme, liegt:

1.    Das reine Extrem an sich, das ein Bauteil überbeansprucht.

2.    Der rasche Wechsel von Temperaturen und in der Folge durch das Ausdehnen/Zusammenziehen.

Dagegen wird mit enormem Aufwand isoliert. Das hat den Vorteil, dass es ein sogenanntes „thermisches Gedächtnis“ gibt: Die Isolierung verlangsamt den Prozess der Temperaturänderung von Sekundenbruchteilen auf Stunden oder gar Tage, sodass er viel schonender vonstattengeht.

Doch wo das nicht reicht, weil es etwa, dauerhaft hohe Temperaturen sind, wird gekühlt – im einfachsten Fall durch Lüfter, in schwierigeren Fällen jedoch mit Klimaanlagen und teils auch unter Zuhilfenahme von flüssigem Stickstoff oder ähnlichen Tieftemperatur-Helfern.

Vibrationen

Warum bekommt man, wenn man am Auto die Reifen wechselt, einen Aufkleber aufs Lenkrad, der einen daran erinnert, die Räder nach einigen dutzend Kilometern nachzuziehen? Weil der (unwahrscheinliche) Fall eintreten kann, dass sich durch die Vibrationen der Fahrt die Schrauben wieder lösen.

Tatsächlich haben Vibrationen, technisch korrekter Schwingungen, das Potenzial, zumindest auf Dauer alles zu zerrütten – inklusive Stahl und Beton. Denn letztendlich ist jede Vibration eine Abfolge hochfrequenter Beschleunigung und Abbremsung samt Richtungsumkehr.

Dagegen fährt die Industrie zwei Strategien:

·    Passive Schwingungsdämpfung bedeutet, dass ein Bauteil von den zerstörerischen Schwingungen über ein weiches Zwischenmaterial entkoppelt wird. Das kann ein simpler Gummidämpfer sein, umfasst aber auch sehr moderne Werkstoffe, wie etwa die sogenannten Aerogele (die auch hervorragende Temperaturdämmeigenschaften aufweisen).

·    Aktive Schwingungsdämpfung ist ebenfalls Hightech: Es wird die Frequenz der Schwingung gemessen und gleichzeitig eine phasenverschobene Gegenschwingung erzeugt, sodass sich beide gegenseitig aufheben.

Witterungsschäden

Gegen die die normale Witterungsbelastung in Form von Regenwasser und ähnlicher Nässe lässt sich noch vergleichsweise leicht etwas tun: Abdichtungen oder gleich gänzlich abgekapselte Bauteile. Schwieriger wird es jedoch bei UV-Einstrahlung. Dabei ist es vor allem ein Problem, dass diese auf Dauer dazu geeignet ist, vor allem Kunststoff-basierende Materialien zu schädigen.

Wo das bei einem ausbleichenden Lack nur ein optischer Makel ist, wird es bei Lüfterradflügeln aus Kunststoff und ähnlichen Anwendungen viel kritischer, weil diese dadurch spröde werden. Hier hilft nur konsequenter Schutz durch Abschattung oder das Auftragen von Schutzlacken – und wo das nicht hilft, der Austausch gegen Werkstoffe, denen das Licht nichts ausmacht.

Und sonst: Wartung, Wartung, Wartung

Neben dem Schutz vor den einzelnen Gefahren muss man bedenken, dass ein Großteil des industriellen Arbeitsaufwandes jenseits des reinen Produktionsprozesses darin besteht, immer wieder zu kontrollieren, zu prüfen und gegebenenfalls einzugreifen, bevor ein Bauteil durch Belastung ausfällt. Tatsächlich eine Sisyphusaufgabe, die vor allem in der Industrie 4.0 mehr Personal benötigt als die eigentliche Produktion – die steuert sich nämlich weitestgehend von selbst.

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