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Wie Leder unser Leben bereichert

Bereits Gletschermumie Ötzi war Trendsetter: beim Fund des Steinzeitmenschen im September 1991 trug dieser schon Schuhe aus Leder und mit Profil. An der Unterseite der Sohle war ein quer laufender, sich überkreuzender Lederstreifen angebracht. Der Schaft bestand aus Rinderhaut, die Sohle aus nach innen liegendem Bärenfell. Offenbar wussten schon unsere Vorfahren vor über 5.000 Jahren die Qualitäten von Leder zu schätzen. Zunächst nur zum Schutz gegen Feuchtigkeit und Verletzungen verwendet, hat die „zweite Haut“ im Laufe der Jahrtausende beeindruckend Geschichte geschrieben.    
 
Leder
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Schicht für Schicht natürlich schön
Heute steht Leder für Lebensqualität und Luxus. Doch was ist Leder genau? Nimmt man ein Stück Leder in die Hand, wirkt es wie eine einzige Schicht. Die rohe Tierhaut jedoch besteht aus insgesamt drei Lagen: der Oberhaut, der Lederhaut und der Unterhaut. Gewonnen wird Leder aus der sogenannten Corium, der Lederhaut. Diese verfügt selbst über zwei Schichten: die äußere glatte bis leicht narbige Papillarschicht und die untere grobfasrige und zugfeste Retikularschicht. Je nach Tierart und Verwendungszweck wird nur eine Schicht verwendet bzw. werden die Lederschichten aufgespalten. Dieses sogenannte Spaltleder wird für verschiedenste Produkte verwendet. 
 
Das obere Leder, das die glatte Haut enthält, ist von höchster Qualität. Durch spezielle Färbemethoden und Schliffe entsteht das geschmeidige und sehr begehrte Nappaleder: hauchdünne Schichten verschließen diesen Handschmeichler gegen Schmutz und Nässe. Schuhe, Taschen, Lederjacken, Automobilinterieur und Sitzmöbel mit Nappalederbezug stehen deshalb für höchste Qualität. 
 
Weniger luxuriös, aber trotzdem sehr beliebt sind Fensterleder. Die Putzhelfer mit Streifenfrei-Garantie bestehen meist aus der untersten Spaltlederschicht. Diese ist weniger fest, jedoch sehr weich, flexibel und angenehm rau. 
Und es gibt weitere Eigenschaften, die Leder im Allgemeinen so beliebt macht. Je nach Dicke ist es geschmeidig, zäh, relativ fest, haltbar und vielseitig einsetzbar und verfügt über eine gefällige Optik und Haptik. Zudem erwärmt sich Leder bei Körperkontakt. Wer länger auf einem Bezug aus Leder sitzt, kennt das angenehme Gefühl. Leder trotzt zudem Wasser in hohem Maße, ist zugleich aber auch atmungsaktiv: Luft und Wasserdampf können entweichen, was besonders bei Schuhen geschätzt wird - das erkannte auch Ötzi schon.
 
Tierisch große Leder-Vielfalt
Wer sich zu Hause umschaut, wird erstaunt sein von der Vielfalt, mit der Leder uns umgibt. Schuhe, Geldbörsen, Fotoalben, Fahrradsättel, Uhrenarmbänder, Laptoptaschen, Sofabezüge, Autolenkräder und vieles mehr: wir nutzen gerne und vielseitig die haltbare und schöne zweite Haut. 
 
Viele Produkte bestehen aus Rinds- und Schweineleder. Sie fallen als Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie an. Schweineleder ist weniger hochwertig, dafür formstabil und strapazierfähig. Es wird für kostengünstiges und sehr festes Schuhwerk verwendet. Bekannt als Luxusleder sind Ziegenleder, Straußenleder und Chamoisleder von der Gämse, woraus besonders hochwertige Modeaccessoires wie Schuhe, Taschen und Handschuhe bestehen. 
 
Etwas besonderes sind Accessoires aus dem Leder vom Aal: der schlangenförmige Schleimaal hat im Gegensatz zu seinen Wasser-Mitbewohnern keine Schuppen. Bereits die am Nordpol lebenden Inuit fingen Tiefseeaale, deren Haut den kostbaren Rohstoff für ihre Fußbekleidung lieferten. Heute wird es nur noch selten verwendet. 
 
Leder von Reptilien, Elefanten und anderen Exoten sind aufgrund des Tierschutzes zu recht umstritten. Krokodil, Schlange & Co. dürfen nur nach strengen Richtlinien in Europa eingeführt werden, sofern sie nicht aus spezieller Zucht stammen. Elefantenleder ist jedoch grundsätzlich verboten. Auch Wild, Bison, Büffel, Rochen oder Känguru stellen auf anderen Kontinenten traditionell einen Lederlieferanten dar. Indianer zum Beispiel waren sehr kreativ im Bereich der Lederweiterverarbeitung: sie fertigten aus Bisonleder Schmuck, Bekleidung, Taschen, Tipis und kreierten ein Schuhmodell, das noch heute hochmodern ist: die Mokassins. 
 
Von der Tierhaut zum Designersofa
Bis aus roher Tierhaut ein Designerstück wird, sind viele Schritte notwendig. Denn das Naturprodukt muss erstmal getrocknet und vor allem haltbar gemacht werden. Die Ledergerbung geht bis in die Steinzeit zurück: dort wurden Werkzeuge eingesetzt und mit der Beherrschung des Feuers auch Rauch verwendet. Die alten und sehr fortschrittlichen Ägypter nutzten zur Tierhautkonservierung bereits Auszüge gerbstoffhaltiger Pflanzen und die aluminiumhaltige Salzverbindung Alaun. Die Griechen verwendeten außerdem Fett. Sie und die Römer waren es, die die Lederherstellung als Wirtschaftszweig erkannten und Leder im großen Stil in Gerbereien fertigten. 
 
Über die Jahrhunderte wurden immer neue Gerbverfahren und -mittel eingesetzt, um den Prozess zu beschleunigen und die Haltbarkeit des Leders zu erhöhen. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts kamen synthetische Stoffe zum Einsatz. Die jahrhundertelange Problematik, Gerbung umweltfreundlich zu machen, stellt bis heute eine Herausforderung dar. Deshalb sind die Weiterentwicklung von Gerbung und Färbung meist auf ökologische Prozesse und Produkte ausgerichtet. Lederverarbeiter wie Schuhhersteller, Bekleidungshersteller, die Möbelindustrie und die Kfz-Industrie sind gefordert, auf die Verwendung von für Mensch und Umwelt undenklich gefertigte Leder zu achten. Sie verarbeiten die als ganze Häute gelieferte Ware zum Endprodukt und stehen mit ihrem Namen auch für die Materialqualität ein. Seriöse Anbieter weisen die Herkunft ihrer Leder nach und verarbeiten sie handwerklich hochwertig. Auch in Deutschland gibt es einige Unternehmen, die Schuhe, Bekleidung oder Möbel aus Leder in hoher Qualität anbieten, zum Teil sogar individuell angefertigte Ledermöbel nach Maß.
 
Herkunft und Verarbeitung definieren Leder-Qualität
Nicht alles, das nach Leder aussieht, ist auch wirklich Leder. Denn wenn von hochwertigem Lederimitat gesprochen wird, besteht das Material aus Synthetik. Es mag fast wie Leder aussehen, kann jedoch mit den Eigenschaften des „Originals“ nicht mithalten. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, achtet auf ein Ledersiegel, z.B. mit der Aufschrift „Echtes Leder“ oder der Abbildung einer Lederhaut am Waschzettel. Gut erkennbar ist echtes Leder dort, wo Nähte oder Kanten freiliegen, denn das Naturmaterial verfügt immer über eine raue Schnittkante. Und auch ein genauer Blick auf die Vorderseite lohnt sich: sind unterschiedlich große Poren erkennbar, handelt es sich um Leder.
 
ECHT LEDER
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Für die Qualität des Leders sind noch weitere Faktoren entscheidend: neben Alter, Geschlecht und Rasse des Tieres zählen die Lebensbedingungen, unter denen die Tiere aufwachsen. Tiere aus industrieller Haltung liefern brauchbares, aber weniger hochwertiges Leder. Das ist nachvollziehbar: im Stall übernimmt die Haut weniger Schutzfunktion, als bei Wind, Wetter und Sonne im Freien. Genau diese Umwelteinflüsse tragen jedoch zu einer kräftigen Haut bei. Hautkrankheiten, die bei Stallhaltung vermehrt auftreten sowie Mast mit erhöhter Fett- und Mineralstoffzufuhr mindern die Hautqualität. 
 
Und letztlich gibt der Standort der Lederherstellung Aufschluss über die Verarbeitungsqualität: Arbeitsschutzmaßnahmen, Knowhow und eigesetzte Hilfs- und Betriebsstoffe können sich im Umfang je nach Herstellungsland stark unterscheiden. Neben den Gefahren für die Menschen in der Produktion, kann unsachgemäß produziertes Leder bei Hautkontakt Allergien auslösen. In Europa sind die gestellten Anforderungen an Qualität und die gesundheitliche Unbedenklichkeit sehr hoch. Erstklassige Leder kommen daher unter anderem auch aus Deutschland. Hier gilt über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus das Gütesiegel „Made in Germany“, das international für Qualität und Langlebigkeit steht. Und wer weiß, vielleicht finden unsere Nachfahren in einigen 1000 Jahren eine gut erhaltene, hochwertig gefertigte Lederhülle fürs Handy – als Zeugnis unseres Lebens mit Leder im 21. Jahrhundert.

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