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Winterspiele im Wandel der Zeit

Richard Steiger

Zeichen der Hoffnung

Der Erfolg der "Internationalen Wintersportwoche" von 1924 in Chamonix, die das I.O.C. zwei Jahre später rückwirkend als erste offizielle Winterolympiade anerkannte, forderte die Einführung eines eigenständigen Kalenders für Winterspiele. Kleine, idyllische Bergdörfchen versammelten die Athleten aus aller Welt nun ebenso wie London oder Paris.
Trotz des nicht kalkulierbaren Wetterrisikos wuchs die Popularität, das Medieninteresse und die Teilnehmerzahlen mit den kommenden Spielen stetig. Aber die Welt in den Bergen schien noch heil und unverdorben von Profitgier und Gewinnstreben. St. Moritz, Lake Placid oder Garmisch- Partenkirchen konnten sich als Ausrichter noch einen familiären Charakter bewahren.

Einen unwiderruflichen Wendepunkt stellen die Spiele von Innsbruck 1964 dar. Kein weißverschneiter Kurort, sondern eine Großstadt wird zum Ausrichter erkoren, was die zunehmende Instrumentalisierung der Spiele zur Folge hat. Die Sportler, ab sofort "zweitrangig" für erfolgreiche Spiele, stellen mit 913 Teilnehmern die kleinste Gruppe der "Invasoren". Hauptsache die Verpackung stimmt, die perfekte Organisation, der schöne Schein! 1150 Funktionäre und 1400 Journalisten werden aufgeboten. Kann ja nichts mehr schief gehen.
Kann doch! Schneemangel und ein milder Winter machen die Olympiade zu einem Vabanquespiel für Organisatoren und die Tourismusbranche. Die Residenz des Schahs von Persien, das Hotel Olympia, wird mit Tonnen herbeigekarrtem Schnee zugeschüttet, um seine Majestät meteorologisch nicht zu enttäuschen. Sind doch Schneemänner in der Wüste echte Mangelware.

Glaubwürdiger werden die Spiele danach kaum noch. Grenoble, Austräger der 68er Olympiade, liegt gerade mal 212 Meter über Null, und bleibt als "Olympia der langen Wege", genau wie Albertville 1992, negativ im Gedächtnis. Das hehre Ideal des olympischen Friedens wird wenige Jahre nach der Olympiade in Sarajevo 1984 ad absurdum geführt.

Doch ein Hoffnungsschimmer bleibt. Die wunderbaren Bilder von 1994 im norwegischen Lillehammer bleiben unwiederbringlich im Gedächtnis, weil die wintersportverrückten Skandinavier es trotz eines Budgets von 7,2 Milliarden Dollar schafften, den Menschen und die Begeisterung für den fairen Wettkampf, Begeisterung jenseits von Nationalismus und bloßem Medaillenzählen, wieder in den Mittelpunkt der Olympiade zu stellen und somit echten olympischen Geist zelebrierten.

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