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Work-Life-Balance: Spagat zwischen Job, Familie und Freizeit

Möglichst viel Geld auf möglichst angenehme Weise verdienen, möglichst stressfrei arbeiten, möglichst viel Zeit mit Partner und Kindern verbringen, möglichst viel Sport treiben, möglichst auch noch Freunde und Freizeitinteressen dabei nicht vernachlässigen – gehören Sie auch zu den Menschen, die versuchen, all diese Ziele unter einen Hut zu bringen? Eine fast unlösbare Aufgabe! Denn wenn von Work-Life-Balance die Rede ist, treffen meistens sehr gegensätzliche Interessen aufeinander und die Balance zwischen Freizeit, Familie und Berufsleben entpuppt sich schnell als eine Wanderung auf einem sehr schmalen Grat.
aus der wissen.de-Redaktion

Nicht jeder gute Tipp hilft

„Legen Sie regelmäßig beim Arbeiten eine Pause ein“, lautet einer der gängigsten Work-Life-Balance-Tipps von Coaches, Medien und wohlmeinenden Bekannten – so ließe sich der Arbeitsalltag angeblich viel stressfreier gestalten. Was aber bringt es dem Arbeitnehmer, zehn Minuten lang um den Block zu laufen oder sich mit einer Tasse Tee in eine Ecke zurückzuziehen, wenn er genau weiß, dass er danach mit doppeltem Stress und unter noch größerem Zeitdruck seine Präsentation oder Kalkulation fertigstellen muss? Gar nichts, denn angesichts des drohenden Arbeitsdrucks ist der Entspannungsfaktor gleich Null.

Auch zu Hause lassen sich viele scheinbar einfache Ratschläge für mehr Entspannung und innere Ausgewogenheit mitunter nur schwer umsetzen. So etwa das häufig gehörte „Stehen Sie doch eine Stunde früher auf, dann können Sie in Ruhe in den Tag starten.“ Das klingt bestechend logisch, ergibt aber nur Sinn, wenn man abends auch eine Stunde früher ins Bett geht. Und gerade das beschneidet dann wieder den Raum, um vor dem Zubettgehen noch gemütlich ein Buch zu lesen, den Feierabend zu genießen, wenn die Kinder im Bett sind, oder sich mit Freunden zu treffen.

Fest steht: Ein Tag ist eine ziemlich kurze Zeitspanne, um alle Aufgaben, die in Beruf und Familie anfallen, gelassen und entspannt zu erfüllen und dabei noch den persönlichen Interessen nachzugehen. Gerade in Familien mit Kindern fühlen sich die Partner häufig wie in einer Tretmühle. Was aber kann man tun, um für ein wenig mehr Wohlbefinden und Entspannung zu sorgen?

 

Die Spielräume im eigenen Alltag finden

Balanceakt
photocase.com/flobox
Lässt sich der Alltag dauerhaft nur unter hoher Anspannung bewältigen, dann liegt meistens ein Strukturproblem vor: Das Pensum oder die Ansprüche sind einfach zu hoch. Trotzdem bleibt häufig an vielen Stellen ein Spielraum – und den gilt es zu nutzen. Vielleicht kann das Kind doch noch eine halbe Stunde länger im Kindergarten bleiben, auch wenn die ebenso berufstätige wie fürsorgliche Mutter das nicht optimal findet? Vielleicht gewährt der Chef zähneknirschend doch einmal einen dreiwöchigen Urlaub, obwohl das im Unternehmen nicht gern gesehen wird? Vielleicht bricht die Welt gar nicht zusammen, wenn das Abendessen einmal die Woche nicht liebevoll selbst gekocht, sondern von einem guten Lieferservice gebracht wird? Vielleicht reicht das Geld auch noch, wenn der Hauptverdiener seine Arbeitszeit um zehn oder 20 Prozent reduziert? Eine optimale Work-Life-Balance zu erreichen, ist ein hohes Ziel – lassen Sie sich nicht von diesem Anspruch noch zusätzlich stressen. Aber an fast jeder Lebenssituation lässt sich etwas verbessern. Wo sind in Ihrem Leben die Spielräume, auf die Sie Einfluss nehmen können?

 

Die Work-Life-Balance der wissen.de-Redakteure

Auch unsere Redakteure suchen nach einer guten Mischung zwischen Arbeitsleben und Freizeit. Hier verraten sie, wie ihnen das gelingt.

 

Barbara Steiger, Redakteurin Wissenstests bei wissen.de:

"'Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.' Diese chinesische Weisheit trifft den Nagel auf den Kopf in meinen Versuch, ausgewogen durch den Tag zu gehen. 'Versuch' deshalb, weil das Leben mit Kindern ständigem Wandel unterworfen ist. Mehr und fremdgesteuerter als jemals zuvor.

Am meisten nervt mich der ständige Tanz auf mehreren Hochzeiten. Abstriche machen, über halbfertige Dinge hinwegschauen, KEINE ToDo-Listen mehr schreiben, musste ich erst lernen. Heute mache ich mir in Gedanken einen groben Wochenplan. Das klappt ganz gut und lässt mir gewisse Freiheiten – solange nichts dazwischen kommt …

Auch die zeitliche Taktung des Tages empfinde ich als stressig. Zeitpuffer gibt es für mich zu wenige. Ein paar Dinge helfen, dagegen anzusteuern: Nach der Arbeit erstmal nach Hause und dann die Kinder zu Fuß abholen. Den Nachmittag recht spontan entscheiden. Kein fester Abendtermin mehr (gibt es eh schon genug), zu Sport oder Freunden nur mit Angabe des Zeitraums, zum Beispiel zwischen 20 und 21 Uhr. Spontanes Absagen erlaubt!"

 

Tina Denecken, Redakteurin Umwelt bei wissen.de:

"Ab und zu gerät meine Work-Life-Balance in Schräglage. Denn ich neige dazu, Stress und Sorgen dienstlicher Natur mit nach Hause zu nehmen und gedanklich zu zermalmen, obwohl man abends im Bett doch sowieso nichts ausrichten kann. Meistens hilft es, noch einmal kurz verbalen Dampf abzulassen. Mein Mann ist also immer auf dem Laufenden, und er kann (und soll) gerne seinen täglichen Senf dazugeben. Am Ende lachen wir meistens drüber.

Meine Mittagspause verbringe ich jeden Tag laufend, hüpfend, rollend o. ä. im Fitness-Studio. Für die zweite Hälfte des Bürotages hole ich mir auf diese Weise den nötigen Anschub. Stattdessen mittags lesen oder auf dem Sofa zusammenrollen? Dann würde ich vermutlich gegen 16.30 Uhr mit der Stirn auf die Tastatur fallen. Und ich weiß nicht, ob dieses Textergebnis zufriedenstellend wäre ..."

 

Jörg Peter Urbach, Chefredakteur wissen.de

"Momentan bin ich für das Thema Work-Life-Balance wohl eher ein schlechter Ratgeber. Denn sie ist gerade ein wenig aus dem Tritt geraten durch dauerhafte Mehrbelastung in den vergangenen Monaten. Meist merkt man diese Disbalance nicht auf den ersten Blick. Es schleichen sich vielmehr sukzessiv Faktoren ein, die erst nach und nach ein Bild ergeben. Man verlässt das Büro noch später als sonst, das sonst unproblematische nächtliche Einschlafen wird zur Geduldsprobe, jedes Mal kommt man zu spät zum Sportkurs, die Zahl der Mails im „Gesendete Objekte“-Postfach übersteigt das Normalmaß. Mit einem Wort: Der Beruf wird wichtiger als das Leben.

Hier hilft nur eines: die Notbremse reinhauen. Und zwar eher früher als später. Ich versuche dann, mir in der Arbeit ganz bewusst Freiräume zu schaffen. Etwa die Mittagspausen nicht in der Kantine, sondern mit einem Spaziergang auszufüllen. Einmal in der Woche vom Büro nach Hause zu joggen. Das Telefon einfach mal klingeln zu lassen. Mails, die man nur in Kopie erhält, per Regel in einen separaten Postfachordner verschieben.

Außerdem hilft mir in diesen Phasen die Fotografie. Dann mache ich mich mit meiner Kamera auf dem Weg in die Berge. Ohne dieses Gefühl des 'Ich muss jetzt unbedingt fünfzig super Bilder machen', dieses unbedingt 'Haben wollen'. Vielmehr geht es dann darum, sich auf das einzulassen, was die Welt bietet. Ein Kollege hat das mal 'Zen-Fotografie' genannt. Damit kann ich meine Balance wiederfinden."

 

Alexandra Mankarios, (freie) Redakteurin für Gesundheit bei wissen.de:

„Das ist gerade nur eine stressige Phase“, habe ich früher gedacht, wenn ich wieder zu lange im Büro zu tun hatte, hinterher nicht abschalten konnte und Verabredungen mit Freunden absagen musste, um mich nicht noch mehr abzuhetzen. Schon Montagmorgen habe ich sehnsüchtig auf Freitagabend gewartet – nicht gerade ein Zeichen für Zufriedenheit.

Erst mit der Distanz der Elternzeit fiel mir auf, dass das keine Phasen waren, sondern ein Dauerzustand. Dann fiel die Entscheidung: Ich mache mich selbstständig.

Mit Existenzgründerzuschuss und einem guten Konzept hat mein Start in die Freiberuflichkeit reibungslos geklappt. Das Gefühl, selbstbestimmt zu arbeiten, trägt so viel zu meiner Zufriedenheit bei, dass es mich auch nicht stört, jetzt etwas weniger zu verdienen. Dafür habe ich eben auch wieder mehr Freizeit – wertvolle Zeit für Kind, Partner und Freunde. Und wenn ich dann doch einmal eine Nachtschicht einlegen muss, dann ist das gar nicht mehr so schlimm.

 

Michael Fischer, Redakteur "Digital" bei wissen.de

"Für Körper und Geist gleichermaßen etwas zu tun und regelmäßig für Entspannung zu sorgen, ist keine leichte Aufgabe. Eine redaktionelle Tätigkeit hat viel mit Sitzen zu tun  und wenig mit Bewegung. Zwei- bis dreimal die Woche versuche ich daher, eine Dreiviertelstunde zu laufen. Darüber hinaus bemühe ich mich um eine ausgewogene Ernährung. Das gelingt natürlich nicht immer. Es vergeht zum Beispiel kaum ein Tag ganz ohne Schokolade ...

Jeden Mittwochnachmittag aber ist MEIN Nachmittag, bei dem ich mich aus dem Alltagsgeschäft ausklinke, Texte schreibe oder Konzepte bzw. Planungen mache. Ein halber Tag ohne Telefonate. Das ist toll  und trägt zur Entspannung bei, denn wenn ich mich auf eine einzige Arbeit konzentrieren kann, bedeutet das kaum Stress. Ich mag meine Arbeit schließlich! Und am Wochenende versuche ich, nichts für den Job zu tun – mindestens ein Tag lang.

Die größte Herausforderung ist für mich häufig, alle Aufgaben - insbesondere die vielen kleinen – zu erfüllen, ohne mich dabei zu verzetteln. Denn obgleich ich meine täglich ToDo-Liste in der Regel weitestgehend abarbeite, kommen täglich neue, kleine Aufgaben hinzu, die möglichst noch am selben Tag zu erledigen sind.

Wenn ich mich dann manchmal dabei ertappe, hektisch zu werden, mache ich mir einen Espresso und atme fünf Minuten durch. Wichtig bei der Work-Life-Balance ist, denke ich, die Arbeit nicht als Last zu empfinden. Denn: Was ist, ist. Es kommt oft nur darauf an, dazu die richtige Haltung zu finden."

 

Irma Biebl, Redakteurin bei wissen.de

"Die richtige Balance zwischen der Arbeitswelt und dem Privatleben zu halten, gelingt mir bisher ganz gut. Das liegt daran, dass bei mir schon ein gutes Buch der Schlüssel dazu ist, zur Ruhe zu kommen und meine Gedanken treiben zu lassen. Beim Lesen kann ich komplett abschalten, die Außenwelt ausblenden und mich sozusagen in eine Gegenwelt „beamen“. Das ist für mich Balsam für die Seele.

Natürlich gelingt das nicht immer. Wenn ich merke, dass ich zunehmend unausgeglichen werde, muss ich für einen kompletten Tapetenwechsel sorgen: Dann fahre ich am Wochenende aus der Stadt und versuche in einer Umgebung, in der mich nichts an meinen Alltag erinnert, abzuschalten. Das klappt meistens. Mit Kindern ist man freilich nicht ganz so flexibel. Wahrscheinlich muss man dann zu ganz anderen Methoden greifen, um Privatleben und Arbeit in Einklang zu bringen."

 

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