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Wozu denn streiken?

Seit Wochen streiten sich die Deutsche Bahn AG und die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) um einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer. Warum eigentlich? Ein vom Bundensarbeitsgericht entwickelter Grundsatz verhindert ohnehin dessen Anwendbarkeit.

von Torsten Schimmel, Oranienburg

Die Fronten zwischen den Verhandlungsführern sind verhärtet. Nach Wochen der Streitigkeiten, die zum Teil schon in Beleidigungen ausarteten, soll nun ein externer Streitschlichter zwischen den Kontrahenten vermitteln.

Dabei sind die Positionen seit Wochen nicht mehr angepasst worden. Die Bahn bietet 4,5% mehr Lohn nebst einer Einmalzahlung. Die GdL fordert einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer und das andere bahnbegleitende Personal und bis zu 31% mehr Lohn.

Diese scheinbare Krise ist jedoch nichts weiter als Schall und Rauch. Das Bundesarbeitsgericht vertritt seit langem den Grundsatz der Tarifeinheit. Dieser besagt, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten soll. Dies soll verhindern, dass der Arbeitgeber einer unüberschaubaren Vielzahl von Tarifverträgen ausgesetzt ist und dass der Arbeitnehmer seine genaue Gewerkschaftszugehörigkeit offenbaren muss (dies wäre ja notwendig, wenn der Arbeitgeber für jeden einzelnen Arbeitnehmer prüfen müsste welcher Tarifvertrag nun einschlägig ist). Dies führt dazu, dass auch Kantinenköche in einem Chemieunternehmen nach Chemie-Tarifvertrag bezahlt werden - und nicht etwa nach einem Gaststättentarifvertrag. Ob dieser Grundsatz zweckmäßig ist, ist zwar stark umstritten, dennoch gilt er nach wie vor.

Wenn auf einen Betrieb nun mehrere Tarifverträge passen (wie es im Falle eines eigenen Vertrages für die Lokführer der Fall wäre), muss dieser Konflikt zwingend nach dem Grundsatz der Spezialität aufgelöst werden (es gibt dabei kein Wahlrecht - weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer oder eine Gewerkschaft). Das heißt, dass nur der speziellere Tarifvertrag zum Zuge kommt. Welcher Vertrag spezieller ist, ergebt sich danach, welcher den Eigenarten des gesamten Betriebes am ehesten Rechnung trägt. Da auf den Gesamtbetrieb Bezug genommen wird, ist der Tarifvertrag für das gesamte Bahnpersonal und nicht der, der lediglich für Lokführer und sonstiges bahnbegleitendes Personal gilt, der passendere und damit der speziellere.
Das heißt, dass, solange der Tarivertrag mit der GDBA oder Transnet gilt, der GdL-Tarifvertrag nie anwendbar ist.

Die Verhandlungen darüber sind also nichts als Schall und Rauch. Es ist für mich daher unverständlich warum beide Seiten weitermachen.

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