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Zweitmeinung zur OP oder Therapie – wie funktioniert das?

Muss diese Operation wirklich sein? Ist diese Behandlung die richtige Therapie für meine Beschwerden? Wenn es um unsere Gesundheit geht, müssen wir Patienten nicht jedem Vorschlag unserer Ärzte zustimmen – vor allem dann nicht, wenn es um potenziell folgenschwere Eingriffe geht. Um ganz sicher zu gehen, können wir eine zweite Meinung einholen. Aber wie funktioniert das? Und wann bezahlt dies die Kasse?
NPO, 15.09.2021

Das Einholen einer sogenannten Zweitmeinung soll den Patienten mehr Sicherheit vor wichtigen Operationen und Behandlungen geben.

Gettyimages, Wavebreakmedia

Ob Knie-Operation, Krebstherapie oder ein anderer potenziell folgenreicher Eingriff: In der Medizin gibt immer wieder Situationen, in denen Ärzte ihren Patienten bestimmte Therapieverfahren empfehlen. Als Patient fehlt uns dann oft das Fachwissen, um beurteilen zu können, ob diese spezielle Methode die richtige ist und ob es nicht vielleicht auch Alternativen gibt. Denn bei vielen Krankheiten gibt es mehr als eine Behandlungsmöglichkeit mit jeweils verschiedenen Vor- und Nachteilen. In solchen Situationen kann es hilfreich sein, die Meinung eines zweiten Experten zu hören.

Das Recht auf eine zweite Meinung

Tatsächlich gibt es diese Möglichkeit – sie ist sogar im Gesetz verankert. Für bestimmte Eingriffe hat demnach jeder Patient das Recht, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen, so steht es im Sozialgesetzbuch (SGB V). Darin ist vorgesehen, dass Patientinnen und Patienten vor einigen planbaren Eingriffen das Recht auf eine unabhängige, neutrale zweite Meinung haben. Sie soll ihm helfen, zu entscheiden, ob der Eingriff notwendig ist und aufklären, welche Alternativen es gibt.

Es ist sogar vorgeschrieben, dass der behandelnde Arzt über diese Möglichkeit einer Zweitmeinung explizit aufklärt: Er muss die Patienten spätestens zehn Tage vor dem geplanten Eingriff darauf hinweisen, dass sie sich bei speziell qualifizierten Ärzten noch einmal beraten lassen können.

Im Idealfall informiert der Mediziner seine Patienten auch gleich darüber, welche Zweitgutachter zur Verfügung stehen und in Frage kommen. Eine Liste der offiziellen Zweitgutachter findet man aber auch im Internet unter dem Patientenportal 116117.

Beim offiziellen Zweitmeinungsverfahren gibt es bestimmte Bedingungen, die die für die zweite Meinung herangezogenen Mediziner erfüllen müssen. So müssen sie fachlich entsprechend qualifiziert sein – für eine Schulter-Operation oder ein künstliches Kniegelenk kommen beispielsweise nur Orthopäden oder Unfallchirurgen in Frage. Außerdem muss sichergestellt sein, dass diese Ärzte unabhängig entscheiden. Sie dürfen daher nicht in derselben Praxis oder Klinik wie der erste Arzt arbeiten und auch nicht an dem Krankenhaus, in dem die Operation stattfinden soll.

Was übernimmt die Krankenkasse?

Allerdings: Von den Kassen übernommen wird eine solche ärztliche Zweitmeinung bisher nicht grundsätzlich, sondern nur bei bestimmten Therapien und Operationen. Dazu gehören die Operation an den Gaumen- oder Rachenmandeln, die Gebärmutterentfernung, ein arthroskopischer Eingriff am Schultergelenk, das Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks und die Amputation eines durch Diabetes abgestorbenen Fußes. Demnächst soll auch die Zweitmeinung bei der Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators übernommen werden und bei einer Herzkatheteruntersuchung oder dem Veröden von krankhaften Herzmuskelzellen.

Zusätzlich zu diesen explizit in den gesetzlichen Richtlinien festgelegten Operationen und Eingriffen übernehmen viele Krankkassen aber auch bei anderen Therapien die Kosten für eine Zweitmeinung. Besonders häufig betrifft dies Zweitgutachten bei Operationen an der Wirbelsäule, der Hüfte, dem Knie oder der Schulter – weil gerade diese orthopädischen Eingriffe bei uns tendenziell zu oft durchgeführt werden und längst nicht immer nötig sind. Auch bei der Krebstherapie bieten viele Krankenkassen an, dass sich Betroffene über Behandlungsoptionen beraten lassen können.

Unabhängig davon haben wir als Patienten ohnehin immer das Recht zur freien Arztwahl. Dieses bietet uns auch die Möglichkeit, einen weiteren Mediziner um seine Meinung zu bitten. Es lohnt sich daher in jedem Falle, bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen, ob sie die Kosten für einen solchen zweiten Artbesuch übernimmt. Einige Kassen bieten inzwischen sogar einen Zweitmeinungsservice an, in dem sie Patienten direkt Gutachter für diese Untersuchung empfehlen oder den direkten Kontakt herstellen.

Was passiert beim Zweitmeinungstermin?

Damit der zu Rate gezogenen Arzt die medizinische Lage möglichst gut und umfassend beurteilen kann, benötigt er die entsprechenden Informationen und Untersuchungsergebnisse. Bevor man zu diesem Termin geht, sollte man daher in der ersten Arztpraxis alle Befunde, Röntgenbilder und relevanten Teile der Krankenakte kopieren lassen und mitnehmen. Bei den gesetzlich verankerten Zweitmeinungs-Fällen muss die Praxis diese Unterlagen dem Patienten kostenlos überlassen.

Der Zweitgutachter wird sich zunächst diese Unterlagen anschauen und ergänzende Fragen dazu stellen. In manchen Fällen kann es auch sein, dass zusätzliche Untersuchungen durchgeführt oder zumindest vorgeschlagen werden. Nach Sichtung aller Fakten wird der Zweitgutachter dann ebenfalls eine Empfehlung aussprechen - vielleicht für eine alternative Behandlungsoption, vielleicht aber auch für die ursprünglich geplante Operation.

Auf Wunsch erhalte ich auch eine schriftliche Zusammenfassung der Zweitmeinung, die ich dann auch nochmals mit meinem ursprünglich behandelnden Arzt besprechen kann. Auf Basis aller Informationen und Empfehlungen kann ich dann als Patient frei entscheiden, welchem Rat ich folge.

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