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Hatte Darwin Vorgänger?

Ja. Vor Darwin wurde die Diskussion um die Entwicklung der Lebewesen vor allem von zwei Theorien beherrscht: der Katastrophentheorie von Georges Cuvier (1769 bis 1832) und der Abstammungslehre von Jean-Baptiste de Lamarck (1744 bis 1829).

Der französische Zoologe Georges Cuvier beschäftigte sich unter anderem mit Fossilien, die bei geologischen Untersuchungen im Pariser Becken gefunden worden waren. Er erkannte, dass Fossilien Reste von Lebewesen sind, und stellte fest, dass verschiedene geologische Schichten unterschiedliche Fossilien beherbergten. Diese Erkenntnisse legten den Schluss nahe, dass sich die Erde und das Leben mit der Zeit verändert hatten. Mit seiner Katastrophentheorie versuchte Cuvier, die geologischen Beobachtungen mit der auch von ihm angenommenen Konstanz der Arten in Einklang zu bringen. Nach seiner Auffassung vernichten Naturkatastrophen (zum Beispiel sintflutartige Überschwemmungen) in größeren Zeitabständen immer wieder alle Tiere und Pflanzen in einem bestimmten Gebiet. Die betroffene Region wird dann durch Zuwanderung und Neuschöpfung wieder besiedelt.

Lamarck hatte dagegen angenommen, dass Tiere erworbene Fähigkeiten an ihre Nachkommen weitergeben könnten. Reiher oder Storch hätten demnach lange Beine, weil sie sich beständig streckten, um keinen nassen Bauch zu bekommen. Der lange Giraffenhals entstand dementsprechend, weil Giraffen durch das Recken nach immer höheren Blättern ihren Hals allmählich verlängert und dies an ihre Nachkommen weitergegeben hätten. Der Haken an Lamarcks durchaus wegweisender Idee war, dass er keinen Mechanismus angeben konnte, wie individuelle Änderungen im Körperbau vererbt werden sollten. Darwin dagegen umging das Problem, weil in seinem Konzept das Individuum selbst unverändert bleibt. Und dass sich körperliche Merkmale durch Züchtung, also über mehrere Generationen hinweg, beeinflussen ließen, wussten Bauern und Haustierzüchter schon seit vielen Jahrhunderten.