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Gehirn-Jogging im Selbstversuch
Eine neue Software fürs Gehirnjogging? Mit eigener Konsole? Ich weiß ja nicht, ob ich die Geduld und das Durchhaltevermögen habe, aber ich versuche es mal. Denn 20 bin ich schon lange nicht mehr und gehirnmäßig geht es erwiesenermaßen bergab, ob man das gut findet oder nicht.
Also: Zunächst die Konsole ausgepackt, auf der die Dr. Kawashima-Software abgespielt wird. Der Nintendo DS ist eine schicke kleine Angelegenheit, erinnert an einen iPod oder einen MP3-Player, ist weiß und 13x7,5x2 cm groß. Kann man also in der Tasche mit sich herumtragen, womit die erste Entschuldigung wegen des ausgefallenen täglichen Trainings („Ich war den ganzen Tag nicht zu Hause“) schon mal nicht zieht.
Dann die Gehirn-Jogging-Software eingelegt, die kaum größer als eine Handy-SIM-Karte ist. Jetzt muss man ein bisschen konfigurieren (Muttersprache, Datum, Alter etc.), das kriegt man aber auch als über 40-Jähriger noch gut hin. Videorekorder programmieren ist jedenfalls wesentlich schwieriger.
Was hat man vor sich? Die Konsole aufgeklappt, sieht man zwei Bildschirme. Links gibt Dr. Kawashima seine Erklärungen und Anweisungen, rechts wird man auf einem Touchscreen aktiv – entweder mit einem kleinen Stift, dem Touchpen, oder per Spracheingabe. Als Linkshänder kann man es auch genau andersherum einstellen.
Wer auf Grund dieses ersten Eindrucks denkt, das Ganze sei eher witzig und leichtgewichtig, liegt falsch: Der Neurologe Ryuta Kawashima zählt international zu den Top-Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Erforschung der Funktionen verschiedener Regionen des Gehirns mit Hilfe von bildgebenden Verfahren. Mit anderen Worten: Er entwickelt detaillierte „Landkarten“ des Gehirns, aus denen nicht nur abzulesen ist, welche Gehirnregion wofür gebraucht wird, sondern auch, bei exakt welchen Aktivitäten die jeweiligen Regionen besonders beansprucht werden.
Und genau hier setzt Kawashimas Gehirn-Jogging-Software an: Überraschenderweise ist es nämlich nicht das intensive Nachdenken oder die Lösung schwieriger, komplexer Aufgaben, die unser Gehirn besonders stark aktivieren, sondern es sind einfache, schnelle Rechenaufgaben, Vorlesen oder Gedächtnisübungen. Der Wiederholungseffekt tut dann ein Übriges.
Wo wir schon dabei sind: Verbesserungswürdig ist die Schrifterkennung bei Aufgaben, die mit dem Touchpen zu erledigen sind. Hier muss man sich erstmal eingewöhnen, um so zu schreiben, dass es auch korrekt registriert wird.
Ab sofort braucht man nur noch einmal am Tag die Konsole einzuschalten und Dr. Kawashima übernimmt souverän die Führung: Er begrüßt mich, er freut sich, wenn ich täglich übe, was durch einen Stempel im Kalender dokumentiert wird, er wiegt bedenklich den Kopf, wenn ich nicht bei der Stange bleibe. Jeden Tag hält er zum Einstieg neue kleine Wissenshappen rund ums Thema Gehirn und Lernen bereit oder er überrascht mich durch kleine Quizfragen. Dann kommt die tägliche Übung: – kurze Erklärung, wie’s funktioniert, dann START und 3-2-1, durchgeatmet: Es geht los!
Oder wäre es gewesen, wenn mich nicht der Ehrgeiz gepackt hätte, gleich nochmal zu trainieren. Ich verbessere zwar meine Zeit, aber in die Statistik geht das nicht mehr ein, denn dort wird nur eine Übung pro Tag berücksichtigt.
Außer dieser Übung bietet Dr. Kawashima noch an:
„Rechnen 100“ , also das Gleiche nur mit 100 Aufgaben
Lesen (bisher bin ich übrigens mit schönen deutschen Klassikern wie Theodor Storm konfrontiert worden, man tut also auch was für die Bildung ...)
Merken (sowohl kurz aufblinkende Zahlen als auch deren Anordnung)
Silben in Sätzen zählen
Menschen zählen, die in ein Haus und wieder hinaus gehen
Zahlen in einem „magischen Dreieck“ subtrahieren oder addieren.
Zeitunterschiede auf analogen Uhr-Zifferblättern erfassen
Laut Rechnen.
Bei den Alterstests kommen noch weitere Übungen hinzu. Das Gemeinsame dieser Übungstypen: Es sieht alles recht einfach aus, ist aber manchmal ganz schön haarig, vor allem, wenn man solche Aufgaben auf Zeit löst.
Fazit: Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging ist absolut amüsant – selbst für einen alten Knacker wie mich, der nichts mit Konsolenspielen am Hut hat. Dazu kommt ein ganz erstaunlicher Suchteffekt. Ich freue mich täglich auf meine kleine Trainings-Session – nur schade eigentlich, dass sie so kurz ist.
Und der Effekt, um den es schließlich in erster Linie geht? Es sei nur so viel verraten: Mit meinem geistigen Alter geht es ganz eindeutig voran: und zwar nach unten...