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"Liebe gehört dazu"

Er ist Primus inter pares unter den deutschen Barkeepern und viele seiner selbst kreierten Cocktails sind Legende: Charles Schumann. In drei Münchner Lokalen kann man seine Handschrift erkennen.

Das Interview führte Paul Sklorz, wissen.de

Herr Schumann, sie sind nun mittlerweile seit 30 Jahren im Geschäft. Wie hat ihre Karriere als Barkeeper begonnen?
Heutzutage ist Barkeepern zu einem Beruf geworden, mehr oder weniger. Als ich angefangen habe, war das natürlich nicht so einfach. Da gab es Barkeeper nur in den Hotelbars. Von denen hatten viele schon ewig im Beruf gearbeitet, ohne wirklich gefordert zu werden, denn damals ging man nicht in eine Bar, um unbedingt Cocktails zu trinken. Vielmehr gab es Champagner und dann noch vier, fünf Cocktails und das war’s dann schon. Ich habe Arbeit gesucht, mit der ich mich als Student über Wasser halten konnte. Die Gastronomie hatte mich immer sehr interessiert. Als Koch wollte ich nicht unbedingt arbeiten, hatte dafür ja auch keine Ausbildung. Nachdem ich immer viel gereist bin, habe ich mir gedacht: das wäre was, hinter dem Tresen zu stehen und Cocktails zu mixen. Ich habe angefangen, als es in München eigentlich nur eine einzige Bar außerhalb eines Hotels gab, und zwar die Harry’s Bar, die es mittlerweile zwar noch gibt, die aber Pusser’s heißt. Und da begann meine Karriere, wenn Sie so wollen.

Aus der studentischen Not von einst ist inzwischen eine gastronomische Tugend geworden. Ist der Beruf überhaupt noch aus ihrem Leben wegzudenken?
Ich könnte es mir auch gut vorstellen, nicht mehr zu arbeiten. Aber ich mache das jetzt schon so lange und habe ja auch Verantwortung für viele Menschen, die mit mir arbeiten, die ihre Familie durch uns ernähren. Wenn ich jetzt noch mal vor der Wahl stehen würde, würde ich es wieder so machen, vielleicht nicht wieder selber einen Betrieb gründen. Denn in meinem Beruf kann man ja, wenn man es will, auch ziemlich viel herumkommen, viel reisen. Das ist schon prima.

Viele denken bei einem Barkeeper an eine Person, die nicht nur gekonnt Cocktails mixt sondern auch ein offenes Ohr für seine Gäste hat. Ist Barkeepern also auch mit einer sozialen Aufgabe verbunden?
Ganz sicher. Wobei es natürlich auch darauf ankommt, wo man arbeitet. In einem großen Café mit Bar etwa hat man in der Regel sehr viel zu tun. Da ist dann kaum Zeit, sich um die Gäste zu kümmern. Und trotzdem muss man sich auch ein bisschen um seine Gäste kümmern – in jeder Hinsicht. Dass man Bescheid weiß, was der Gast trinkt, stoppt, wenn er zu viel trinkt, auch ein offenes Ohr hat, wenn er Probleme hat. Dass man auch sieht, wenn er in Ruhe gelassen werden will. Und all diese ganzen Dinge, die halt dazugehören.

 

Ist die Bar damit auch ein Ort, an dem man mit Menschen umzugehen lernt?
Das kann man nicht lernen. Jemand, der überhaupt nicht mit Menschen umgehen kann, sollte den Beruf auch nicht ergreifen, weil es einfach nicht geht. Wenn man also ein Menschenfeind ist, dann sollte man sich lieber etwas anderes suchen, obwohl man als Barkeeper auch zum Menschenfeind werden kann. Man muss Menschen nicht lieben, aber man muss Verständnis haben für alle menschlichen Schwächen.

 

Was muss man neben der interpersonalen Intelligenz und einem geschickten Umgang mit dem Cocktailshaker noch mitbringen, um bei Ihnen als Barmixer anzufangen?
Also bei uns ist es ganz schwierig einzusteigen. Wir haben ja Barkeeper, die seit 20 Jahren mit mir zusammenarbeiten. Aber manche Leute bringen das von Haus aus mit, dass sie geboren sind für diesen Beruf. Ich habe eine Tagesbar, da machen wir ja hauptsächlich Kaffee und nicht-alkoholische Getränke. Da arbeiten überwiegend Südländer und die können einfach besser mit Menschen umgehen, die lieben ihren Beruf. Wie bei jedem Beruf gehört auch hier Liebe dazu. Jeden Tag lernt man neue Menschen kennen, man ist immer in Kontakt mit denen, die zu einem kommen. Also was will man eigentlich mehr.

 

Mehr Zeit vielleicht? Oder kommen sie immer noch dazu, die Bratkartoffeln in ihrer Bar selber zu machen?
Die mache ich manchmal auch noch, aber das gehört eigentlich nicht zur Aufgabe eines Barkeepers. Wir machen es einfach, weil man auch eine Bar nicht unbedingt mehr ohne Essen führen kann. Ich kann den Leuten nicht Alkohol ausschenken und sagen, geht zum Essen woanders hin. Wir machen immer mehr Essen und dadurch hat sich natürlich auch der Charakter der Bar verändert.

 

Verändert hat sich bestimmt auch die "Cocktaillandschaft". Gibt es so etwas wie einen aktuellen Cocktailtrend?
Jein. Es wird sehr viel mit Obst und Früchten gearbeitet. Es gibt Fashion-Drinks, die können aber auch irgendwann zu Klassikern werden, wenn die Leute einfach sagen, okay, das ist es was ich trinken will. Einige Cocktails, von den man geglaubt hat, die überleben nur einen Sommer, sind jetzt klassische Drinks geworden. Bestes Beispiel: Caipirinha. Der Trend geht also in Richtung frische Früchte.

 

Gibt es auch einen Trend in Ihrer Lebensplanung? Geht es eines Tages vielleicht wieder ins Ausland, nach Frankreich z.B., wo sie ja bereits drei Jahre lebten und inzwischen die Sprache perfekt beherrschen?
Das weiß ich jetzt nicht. Ich lass das einfach auf mich zukommen.

 

Und wann ist Schluss mit Barkeepern?

Wenn ich umfalle. (lacht) 

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