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Wie kann Homeschooling funktionieren – und wie nicht?

Normaler Schulalltag war gestern: Wegen der Corona-Pandemie werden viele Kinder noch über Wochen zumindest zum Teil zuhause betreut und unterrichtet werden müssen. Denn der Schulunterricht ist wegen der Infektionsschutzmaßnahmen nur eingeschränkt möglich. Was aber bedeutet dies gerade für Grundschulkinder und ihre Eltern? Wo liegen die Probleme? Und wie kann das Homeschooling funktionieren?
Universität Leipzig / NPO, 14.05.2020

Weil bislang nur einige Klassenstufen wieder in die Schule gehen dürfen und dies auch nur zeitlich begrenzt, bleibt vielen Eltern nichts anders übrig als das Homeschooling: Sie helfen ihren Kindern dabei, den von den Lehrern vorgegeben Stoff zu lernen und übernehmen damit in Teilen selbst die Rolle von Lehrern – keine leichte Aufgabe. Bei höheren Klassenstufen fehlt es oft am Wissen, bei jüngeren ist die Didaktik eine Herausforderung.  Schnell kommen dabei Eltern und Kindern an ihre Grenzen.

"Mit dem Homeschooling, wie es in der Corona-Krise gerade gang und gäbe ist, befinden wir uns in einer extremen Ausnahmesituation, sagt Erziehungswissenschaftlerin Katrin Liebers von der Universität Leipzig. Sie erklärt, wo die Probleme liegen und auch, was Eltern in dieser Situation beachten sollten.

Den Kindern bei der Heimarbeit helfen? Schön, wenn die Eltern die notwendige Zeit und Bildung mitbringen.

iStock.com, CasarsaGuru

Was sind die größten Probleme beim Homeschooling von Grundschulkindern?

"Homeschooling erfolgt zurzeit in einer Notsituation, auf die keiner der Beteiligten ausreichend vorbereitet war und ist", erklärt Katrin Liebers. "In den sozialen Medien kursieren gerade zahlreiche Aktionen, in denen Eltern auf ihre Probleme mit dem Homeschooling aufmerksam machen, sie erleben vielfach eine Überforderung infolge der gleichzeitigen Belastung durch Homeoffice und Homeschooling, garniert mit täglichem Küchendienst und Selbstoptimierung."

Eine Flut von Arbeitsblättern bindet die Eltern oft bis zu fünf Stunden täglich und mehr an den Schreibtisch ihrer jüngeren Kinder oder erfordert Fachkenntnisse, die sie selbst gar nicht haben. Der dadurch entstehende Druck überträgt sich auch auf Kinder. Hinzu kommen zuweilen nicht ausreichende technische Voraussetzungen, wenn mehrere Kinder gleichzeitig am PC unterrichtet werden müssen oder schwache Netze die Zeit rauben.

Zusätzlich übertragen sich die Sorgen der Eltern auf die Kinder und beeinträchtigen Stimmung und konzentriertes Arbeiten. Dazu gehören die Sorge um die eigene berufliche Existenz oder die Gesundheit von Familienangehörigen. Aber auch fehlende Großelternkontakte, Sehnsucht nach Freunden und wichtigen Bezugspersonen sowie eingeschränkte Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten machen sich bei den Kindern negativ bemerkbar. Zugleich warnen einige Experten vor den Folgen ungesehener häuslicher Gewalt und psychischen Erkrankungen.

Was bedeutet dies für die nächsten Wochen?

"Bezogen auf den Bereich des schulischen Lernens wird es zunehmend schwieriger werden, weitere Lernfortschritte zu sichern, denn viele Lehrkräfte haben bisher vor allem auf Übung, Festigung und Wiederholung gesetzt", erklärt Liebert. "Allerdings trägt diese Strategie beim jetzigen Zeithorizont der schrittweisen Öffnung der Grundschulen nicht mehr weiter: Allmählich müssen die Kinder auch neuen Stoff lernen."

Doch gerade dabei kommt es auf eine gute, didaktisch fundierte Vermittlung an – das aber können die meisten Eltern nicht leisten. Selbst wenn sie die Inhalte kennen und natürlich das Rechnen und Lesen beherrschen, macht sie dies nicht automatisch zu Fachfrauen und Fachmännern für deren Vermittlung, die ein spezifisches fachdidaktisches Know-how erfordert.

Unterschiede verschärfen sich

Ein weiteres Problem: "Bildungsdisparitäten, das heißt unterschiedliche Bildungserfolge in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft, werden mit Andauern des Homeschoolings weiter zunehmen", sagt Liebert. Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten, ärmerem Umfeld oder mit Migrationshintergrund haben es in einer solchen Situation besonders schwer.

Denn oft können ihre Eltern ihnen beim Schulstoff kaum helfen. Einige Kinder werden von der Schule und ihren Angeboten sogar gar nicht erreicht. Das heißt, eine Form schulischen Lernens findet für sie seit Wochen nicht mehr statt, und mühsam erworbene Fähigkeiten gehen wieder verloren. Ähnliche Effekte der sozialen Herkunft auf den Lernstand haben Studien auch schon  für längere Schulferien nachgewiesen.

"Der Trend, dass von ihren Eltern gut geförderte Kinder deutlich schneller voranschreiten werden als Kinder von Eltern, denen es an Zeit, technischen Möglichkeiten oder schlicht auch dem notwendigen Wissen fehlt, wird sich unter diesen Bedingungen verschärfen", sagt Liebert.

Seit Wochen müssen viele Eltern neben dem "Homeoffice" auch das "Homeschooling" stemmen. Da können Eltern und Kinder schnell an ihre Grenzen kommen.

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Was muss man bei jüngeren Schulkindern beachten?

Jüngere Schulkinder sind aus der Schule feste Gewohnheiten, Rituale und Abläufe gewohnt, und dies sollte auch zu Hause praktiziert werden. So ist es beispielsweise ratsam, das Homeschooling

zur jeweils gleichen Zeit an einem festen Ort in der Wohnung zu beginnen. Ein kleines Anfangsritual kann helfen, die Kinder auf die Arbeite einzustimmen, ein Schlussritual markiert den Beginn der Freizeit. Wichtig gerade für jüngere Kinder ist es auch, dass man ihnen erklärt, was das Ziel der jeweiligen Kerneinheit ist ("Heute lesen wir dieses Kapitel im Buch") – und auch, warum das wichtig ist. Das sorgt für Motivation.

Eltern sollten zudem beachten, dass die Kinder noch häufige Pausen benötigen. Etwa alle 20 Minuten sollte man das Lernen unterbrechen und beispielsweise kleine Entspannungsübungen für Finger, Körper und Geist einbauen. "Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass in vier Unterrichtstunden in der Schule immer wieder kleinere Zeitabschnitte enthalten sind, in denen in der Klasse auf andere Kinder gewartet wird, Dinge vorbereitet oder aufgeräumt werden oder andere Kinder ihre Ergebnisse vortragen", erklärt Liebers. "Nicht jedes Kind ist daher in der Schule selbst ununterbrochen aktiv."

Übertragen auf das Homeschooling bedeutet dies: Vier Unterrichtsstunden lassen sich zeitlich nicht eins zu eins auf die Lernzeit zuhause übertragen. Schließlich richtet die Lehrkraft ihre Fragen und Aufträge an durchschnittlich 22 Kinder und muss deren unterschiedliche Lernbedürfnisse und deren unterschiedliche Tempi ausgleichen.

Wie fördert man das Lernen am besten?

Wichtig ist es, auf die Arbeitsweise und den Lerntyp der Kinder Rücksicht zu nehmen: Einige Kinder sind von der ersten Klasse an daran gewöhnt, sehr eigenständig mit Tages- oder Wochenplänen zu arbeiten. Sie schaffen es dann meist auch gut zuhause, die gestellten Aufgaben zu lösen und selbstständig lernen. Andere dagegen benötigen es, stärker an die Hand genommen zu werden. Sie sind aus der Schule dann eher ein tägliches gemeinsames Vorgehen Schritt für Schritt gewöhnt und brauchen eine solche Vorgehensweise auch zu Hause.

Ein Faktor, der im Homeschooling meist nur schwer zu ersetzen ist, sind die Mitschüler: Viele Kinder helfen sich im Unterricht gegenseitig in Partnerarbeit oder Kleingruppen und kontrollieren auch Lösungen selbst oder gegenseitig. Hier kann es helfen, wenn Eltern einen solchen Austausch per Telefon, Skype oder WhatsApp mit Klassenkameraden organisieren. Das kann auch der Beziehung zwischen Kindern und Eltern guttun, weil dann nicht immer nur die Eltern die Kontrolleure und Kritiker sind.

Um Frust und Konflikte zu vermeiden, ist es auch wichtig, wie Eltern auf Fehler des Nachwuchses reagieren. So sollten sie bei falscher Aufgabenlösung nicht nur ein negatives Feedback geben, sondern dem Kind erklären, auf welchem Weg es diese Aufgabe besser lösen kann und welche Strategien ihm dabei helfen.

Bietet die aktuelle Situation auch Chancen?

"Gerade für ältere Kinder kann die Situation durchaus gute Möglichkeiten einer vertieften und eigenständigen Weiterentwicklung von Fähigkeiten bieten", sagt Liebers. Denn sie haben nun die Chance, gezielter das selbstständige Lernen zu üben und dabei vielleicht auch neuen Interessen nachzugehen. Das setzt allerdings voraus, dass Lernangebote und Aufgabenformen vorliegen, die ein solches Lernen unterstützen.

"Für jüngere Schulkinder, die aus einem noch nicht abgeschlossenen Schriftspracherwerb gerissen wurden, oder Kinder, die auf eine direkte Instruktion durch ihre Lehrkräfte beim Lernen angewiesen sind, stellt sich das unter Umständen schwieriger dar", so die Expertin.

Und was ist mit der Digitalisierung? "Nicht alle digitalen Programme und Apps, so bunt und vermeintlich kindgerecht sie auch daherkommen mögen, tragen tatsächlich dazu bei, dass Kinder substanziell besser lesen, schreiben und rechnen lernen", erklärt die Expertin. "Auch hier braucht es viel mehr Forschung und darauf basierende Entwicklungen, um entsprechende digitale Lernprogramme zu entwickeln."

"Insgesamt kann es keine Patentrezepte für alle Kinder und alle Eltern geben", betont Liebers. "Eltern sollten ihren Kindern aktiv zuhören, wie Lernen für sie am besten funktioniert und nach Möglichkeit den Kontakt zu den Klassenlehrern suchen. Nicht zuletzt sollten sie dabei die wichtigsten Bezugspersonen des Kindes bleiben."

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