Der Alte und die Sünderin

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Wer in den 50er Jahren aufwächst, der kann sich wohl kaum eine andere Person als Regierungschef vorstellen. Mit seiner 14-jährigen Amtszeit als Bundeskanzler (1949 bis 1963) ist Konrad Adenauer die prägende Figur der deutschen Nachkriegspolitik. Aussöhnung mit dem Westen und ein harter, antikommunistischer Kurs Richtung Osten sind Adenauers Markenzeichen. Die Westintegration der jungen Bundesrepublik gelingt u.a. mit dem Beitritt zur NATO 1955 und der EWG-Gründung 1957. Mit der UdSSR vereinbart Adenauer nur deshalb diplomatische Beziehungen, damit er die letzten deutschen Kriegsgefangenen nach Hause holen kann. Ansonsten zeigt "der Alte" dem Osten von Anfang an die kalte Schulter: Stalins Wiedervereinigungsangebote im Rahmen eines neutralen Deutschland lehnt er ab und nimmt dafür die Abtrennung der Sowjetzone in Kauf. Unsere Aufnahme zeigt Adenauer im Januar 1959.

Corbis-Bettmann, New York

2/10

Die Uraufführung des Spielfilms "Die Sünderin" von Willi Forst mit Hildegard Knef und Gustav Fröhlich in den Hauptrollen führt 1951 in der Bundesrepublik Deutschland zu einer gesamtgesellschaftlichen Moraldiskussion, die weit über das eigentliche kulturelle Ereignis hinausreicht. Der Film handelt von einer ehemaligen Prostituierten (Hildegard Knef), die zu ihrem alten Gewerbe zurückkehrt, um dem geliebten, unheilbar kranken Maler (Gustav Fröhlich) eine letzte Operation zu bezahlen. Als alles nichts hilft, vergiftet sie ihn und folgt ihm in den Tod. Kirchenvertreter sehen in diesem Zusammenspiel von käuflicher Liebe, Tötung auf Verlangen und Selbstmord nichts als Unmoral und Nihilismus. Übrigens spielt die kurze Nacktszene von Hildegard Knef in diesem Zusammenhang gar keine so große Rolle. Beide Kirchen ziehen ihre Vertreter aus der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) zurück, die den Film nach langem Zögern ungekürzt freigegeben hat. Pfarrer ermuntern von der Kanzel herab ihre Gemeinde, vor den Kinos gegen den Film zu demonstrieren. Einige wollen sich jedoch das Recht, sich ein eigenes Urteil über den größten Kinoskandal der Nachkriegszeit zu bilden, nicht nehmen lassen. Vor manchen Kinos kommt es zu Tätlichkeiten zwischen Demonstranten und Kinokartenbesitzern, die gelegentlich, wie in Regensburg, mit einem generellen Aufführungsverbot geahndet werden. Hildegard Knef, mit 25 Jahren bereits einer der ganz großen deutschen Nachkriegsstars, "flieht" auf Grund dieses Skandals nach Hollywood und kehrt erst 1957 nach Deutschland zurück.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

3/10

Das war eindeutig Mord. Darauf weisen die Würgemale am Hals und eine Platzwunde am Kopf von Rosemarie Nitribitt hin. Sie wird im November 1957 in ihrem Appartement in Frankfurt tot aufgefunden. Über Täter und Motiv gibt es nur Spekulationen. Nach zweieinhalbjähriger Ermittlung im umfangreichen Bekanntenkreis der Prostituierten bleibt nur noch ein Tatverdächtiger übrig: der Handelsvertreter Heinz Pohlmann, ein Freund Nitribitts. Der wird aber 1960 freigesprochen. Der Mordfall Nitribitt bleibt ungeklärt. Zu den Sensationen und Spekulationen, die der gewaltsame Tod eines Callgirls in der deutschen Wirtschaftswunder-Republik auslöst, gehört neben dem sagenhaften Reichtum, den Rosemarie Nitribitt mit ihrem Beruf als "Model" in kürzester Zeit anhäuft, auch ein Notizbuch, das eine detaillierte Kundendatei enthalten soll. Zwar taucht dieses Buch niemals auf, doch gilt als sicher, dass die Freier der Edelprostituierten zu den Spitzen aus Wirtschaft und Politik zählen. Schon ein halbes Jahr nach dem Tod des Callgirls kommt die Verfilmung des Falles unter dem Titel "Das Mädchen Rosemarie" in die Kinos. Manche Firmen und Personen behindern die Dreharbeiten, weil sie fürchten, mit dem Fall in Zusammenhang gebracht zu werden.

Corbis-Bettmann, New York

4/10

Der erste deutsche Bundespräsident (1949-1959) gehört 1946 zu den Gründungsmitgliedern der FDP und ist maßgeblich an der Formulierung des Grundgesetzes beteiligt. In seiner Amtsführung als Bundespräsident bemüht sich Heuss um Überparteilichkeit und Versöhnung. Als Repräsentant der demokratisch-liberalen Traditionen Deutschlands gelingt es Heuss in den 50er Jahren, auf diversen Staatsbesuchen das Vertrauen des Auslands für die junge Bundesrepublik zu gewinnen. 1959 wird Heuss mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Eine bekannte Institution geht übrigens auf seine Frau zurück: 1950 gründet Elly Heuss-Knapp das Müttergenesungswerk. Auf unserem Foto posiert Theodor Heuss für ein Porträt, das ihn wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag am 31. Januar 1954 zeigt.

Corbis-Bettmann, New York

5/10

Am 7. Juli 1959 gelingt einem deutschen Sprinter ein legendärer Doppel-Rekord: Der 22-jährige Kölner Martin Lauer stellt bei den internationalen Leichtathletikmeisterschaften in Zürich innerhalb von einer Stunde zwei Weltrekorde auf, einen über 110 m Hürden und den zweiten über 200 m Hürden auf. Bei einer Temperatur von 30 °C und leichtem Rückenwind von 1,9 m/sec finden die Läufer optimale Wettkampfbedingungen vor. Lauer gewinnt mit vier Zehntelsekunden Vorsprung vor dem US-Amerikaner Billy May und dem Münchener Walter Pensberger (14,0 sec). Mit der Weltrekordzeit von 13,2 sec verbessert Martin Lauer die bisherige Höchstleistung über 110 m Hürden um satte zwei Zehntelsekunden. Gleichzeitig unterbietet er seinen eigenen Europarekord (13,5 sec) vom 17. Mai, den er ebenfalls in Zürich aufgestellt hatte. Nur 53 Minuten nach dem Rekordlauf vollbringt Lauer eine zweite Glanzleistung: Mit 22,5 sec über 200 m Hürden stellt er einen Europarekord auf, der gleichzeitig als Weltrekord für 400-m-Bahnen gilt. Dass Martin Lauer danach nicht zu einem Superstar aufsteigt, verdankt er einer nicht sterilisierten Spritze, die er wegen einer Knochenhautentzündung nach den Olympischen Spielen 1960 (hier gewinnt er noch einmal Gold mit der 4x100-Meter-Staffel in Weltrekordzeit) verabreicht bekommt. Nur knapp kann eine Beinamputation verhindert werden. Martin Lauer muss seine Sportkarriere beenden - und beginnt 1962 eine recht erfolgreiche Karriere als Country-Sänger.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

6/10

Freddy Quinn, eine der deutschen Schlager-Ikonen der 50er, hat von früher Jugend an ein äußerst bewegtes Leben geführt. Er ist als Seilartist im Zirkus aufgetreten, zur See gefahren, hat an den unterschiedlichsten Orten der Welt gelebt. Vielleicht gerade deshalb spielt "Heimweh" eine so große Rolle in seinem musikalischen Repertoire. Mit diesem Titel gewinnt er 1956 seine erste Goldene Schallplatte. Wer ab 1954 hört, wie Quinn seine Seemannslieder schmachtet, wird kaum glauben, dass der Mann aus Wien stammt und keineswegs in St. Pauli aufgewachsen ist. Zwischen 1956 und 1966 landet Freddy Quinn zehn Nummer-Eins-Hits in den deutschen Charts, darunter "La Paloma" und "Junge, komm bald wieder". Heimweh eben. Oder Fernweh, je nachdem. Die Deutschen beginnen ja gerade wieder, die Welt – diesmal friedlich und im Urlaub – zu erobern. Da passen die melancholischen Balladen vom Meer und fremden Ländern zur Gemütslage. Auch als Schauspieler ist Freddy Quinn eine große Nummer. Der Streifen "Die Gitarre und das Meer", in dem er die Hauptrolle spielt, wird 1959 als erfolgreichster Film des Jahres mit einem Bambi ausgezeichnet.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

7/10

Was hat Elvis Presley in einer Galerie deutscher Köpfe zu suchen? Nun, er verkörpert quasi eine typische 50er-Jahre-Schnittstelle: Die Stationierung amerikanischer Soldaten in Deutschland ist ein Überbleibsel der noch nicht lange vergangenen Besatzungszeit. Nach vorne gewandt brechen sich gerade American Way of Life und Jugendkultur in den 50ern energisch Bahn. Unser Foto zeigt Elvis an seinem ersten Tag in Deutschland, es ist der 1.Oktober 1958. Gerade ist der Rockstar an der Columbuskaje in Bremerhaven zusammen mit über 1170 weiteren GIs von seinem Truppentransportschiff geklettert, das ihn über den Atlantik gebracht hat. Jetzt winkt er vom Zug aus seinen rund 500 deutschen Fans zu. Der Medienrummel ist gigantisch, von den in der Presse heraufbeschworenen Krawallen ist allerdings nichts zu spüren. Die deutschen Fans sind halt noch ein bisschen braver als die in den USA ... Elvis wird in Friedberg (Hessen) stationiert. Er bleibt bis zum 2. März 1960 in Deutschland und beschäftigt in dieser Zeit unablässig die Fantasie der Öffentlichkeit, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgt - soweit das möglich ist. Und ein kleines Vermächtnis hinterlässt er den Deutschen auch: "Muss i denn zum Städele hinaus" trällert der "King" zum Abschied.

Corbis-Bettmann, New York

8/10

Ein Berliner Jugendlicher (Horst Buchholz) aus unglücklichem Elternhaus avanciert unter dem Einfluss seiner Freundin (Karin Baal) zum Bandenführer. Bald aber öffnet sich vor ihm der Abgrund der Kriminalität: Seine Freundin erschießt bei einem Überfall einen Mann. Der Junge ist entsetzt und erkennt, dass er den Weg der Gewalt nicht gehen will. Reumütig stellt er sich der Polizei.Der Film "Die Halbstarken" erreicht 1956 sein Publikum und lässt die Kinokassen klingeln. Für Horst Buchholz und seine Partnerin Karin Baal, die erstmals vor der Kamera steht, bedeutet der Streifen auch international Bekanntheit. Georg Tresslers Film knüpft an die US-amerikanischen Filme um die Probleme und die Situation der Jugendlichen, wie z.B. "Die Saat der Gewalt" (1955) oder "…denn sie wissen nicht, was sie tun" (1955) an, kann aber deren Schärfe und Tiefgründigkeit nicht erreichen. Trotzdem: Horst Buchholz macht der Film zum Star, dem seitdem auch das Image des "jungen Wilden" anhaftet. Gleich im Jahr darauf folgt mit den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" nach dem Roman von Thomas Mann ein weiterer Leinwanderfolg.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

9/10

Bundespräsident wird Gustav Heinemann erst 1969. Geht man also nach dem Höhepunkt der Lebensleistung, dann wäre er eher ein Kandidat, den man in den 60ern oder noch eher den 70er Jahren zu würdigen hätte. Warum also hier in den 50ern? Weil Gustav Heinemann als Bundesinnenminister – das ist er seit 1949 - einen außerordentlichen Schritt macht: Er tritt 1950 wegen der von Bundeskanzler Konrad Adenauer betriebenen Wiederbewaffnung zurück. Damit ist Heinemann der erste Minister der jungen Republik, der von seinem Amt zurücktritt. Der Hintergrund: Adenauer hat auf eigene Faust den USA die deutsche Bereitschaft zur Wiederbewaffnung signalisiert und sein eigenes Kabinett erst hinterher davon in Kenntnis gesetzt. Heinemann lehnt abgesehen von der Vorgehensweise Adenauers die Wiederbewaffnung ab, weil er Deutschland im Fall eines Krieges als Schlachtfeld des Ost-West-Konflikts sieht, auf dem es keine Sieger geben kann. 1952 tritt Heinemann aus der CDU aus, kämpft später in den 50ern weiter vehement gegen Adenauer und gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr. Erstaunlich angesichts seiner durchaus undiplomatisch anmutenden Einstellungen zu diesem zentralen Politikthema: Als SPD-Politiker wird der bekennende Christ Heinemann 1966 Bundesjustizminister und von 1969 bis 1974 Bundespräsident. Unser Bild zeigt eine Zusammenstellung von Briefmarken mit dem Porträt des Bundespräsidenten.

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Herbert von Karajan ist 40 Jahre alt, als er nach dem Krieg 1948 erstmals an der Mailänder Scala dirigiert. Er arbeitet mit dem Philharmonia Orchestra London sowie den Wiener Symfonikern zusammen und dirigiert bei den Salzburger Festspielen. Karajan ist ein Dirigent, der es nach ganz oben geschafft hat. Vielleicht ist er der größte Dirigent des 20. Jahrhunderts - auf jeden Fall aber der populärste. Dennoch sollte all sein Wirken dieser Zeit nur ein Vorspiel bleiben zu der außerordentlichen Karriere, die 1954 beginnt, als Herbert von Karajan die Leitung des Berliner Philharmonischen Orchesters übernimmt. In einer in der Musikwelt einmaligen, 35 Jahre währenden "Ehe" entwickelt er das Orchester zu einem Klangkörper ganz besonderer und unverwechselbarer Art. Herbert von Karajan wird zum internationalen Superstar unter den Orchesterleitern, aber er ist umstritten - gerade in der Nachkriegszeit. Bei der USA-Reise der Berliner Philharmoniker schlagen ihm Demonstrationen und Proteste entgegen. Der Grund: Bereits 1933 trat der Salzburger in die NSDAP ein, wohl aus Karrieregründen. Wie kein zweiter Dirigent verewigt Karajan "seine" Musik auf Tonträgern. Damit beginnt er in großem Stil in den 50ern. Legendär und bei den Musikern gefürchtet ist seine Akribie, mit der er auch die kleinste Unreinheit beim Ton vermeiden will - koste es, was es wolle. Karajan ist nicht nur gestrenger Musiker, sondern durchaus ein Lebemann, was ihn für den Boulevard interessant macht. Drei Ehen und sein Faible für schnelle Autos, Privatfleugzeuge und Segeljachten bieten denn auch reichlich Stoff für bunte Stories jenseits der klassischen Musik.

Corbis-Bettmann, New York