Die Welt ist kleiner geworden
Der Traum vom schnellen Reichtum an der Börse, den im März angesichts eines DAX von über 8.000 Punkten viele Bundesbürger träumen, weicht im Herbst bei rasch purzelnden Kursen zunehmend einer Katerstimmung. Vor allem auf dem Neuen Markt, dem Aktienindex, der das Marktsegment der Neuen Technologien widerspiegeln soll, fallen die Werte ins Bodenlose. Nicht ganz so steil zeigt der Kurs des Euro bergab, und die europäische Gemeinschaftswährung gewinnt auch Ende des Jahres mit dem einsetzenden Konjunkturrückgang in den USA wieder Boden unter den Füßen.
Zwölf Staaten der Europäischen Union geben sich am 1. Januar 2002 eine gemeinsame Währung - mittlerweile sind es 16 Mitgliedstaaten. Mit so genannten Euro-Starterkits sollen sich die Menschen langsam an das neue Bargeld herantasten. Kassensysteme, Bankautomaten, Börsenhandel - das befürchtete Chaos nach der Umstellung bleibt aus. Nach einer Zeit macht allerdings der Begriff "Teuro" die Runde. Die Hoffnungen, die sich an den Euro knüpfen, sind groß, doch erst einmal überwiegt bei vielen die Enttäuschung - über angebliche oder tatsächliche Preiserhöhungen, aber auch darüber, dass es mit der Konjunktur weiter abwärts geht, die Arbeitslosenzahlen steigen und die öffentlichen Kassen leer sind. Gegenüber den anderen Währungen erweist sich der Euro dennoch als relativ stabil.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) muss zunächst die eigene Partei auf seine Agenda 2010 einschwören, denn die vorgesehenen schmerzhaften Einschnitte ins soziale Netz empfinden viele Genossen als Zumutung. Weil etliche der geplanten Reformgesetze der Zustimmung des unionsdominierten Bundesrates bedürfen, sucht die Regierung die Zusammenarbeit mit der Opposition. Beim Gesundheitswesen einigen sich beide Seiten auf ein Reformkonzept, das im Bundestag breite Zustimmung findet. Die Auswirkungen für die Patienten, vor allem durch die neue Praxisgebühr und die erhöhte Zuzahlung bei Medikamenten, werden Anfang 2004 spürbar. Die versprochene Absenkung der Versicherungsbeiträge halten viele Krankenkassen dagegen vorerst nicht für finanzierbar.
Nach vielen Pannen und mit 16 Monaten Verspätung gilt ab 1. Januar 2005 die bundesweite Lkw-Maut auf Autobahnen. Zum ersten Mal in Deutschland müssen damit Straßennutzer für einen Teil der Wegekosten aufkommen. Allerdings offenbart sich rasch eine Tücke des Systems: Um die mautpflichtigen Autobahnen zu umgehen, weicht der Schwerlastverkehr teilweise auf Bundes- und Landstraßen aus. Dadurch werden einige Strecken stark belastet, die Anwohner leiden unter Lärm und zusätzlichen Abgasen und tragen ein höheres Sicherheitsrisiko. Deswegen schlägt das Bundesverkehrsministerium vor, stärker zu kontrollieren, ob sich die Fahrer an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten und gegebenenfalls Nachtfahrverbote für Lkw zu verhängen. Nach dem Mautgesetz können die Behörden seit 2006 außerdem die Mautpflicht per Verordnung auf besonders belastete Bundesstraßen ausweiten.Weitere Fotostrecke: Wohin gehst Du, BRD? Die Trends des aktuellen Jahrzehnts
Anfang April 2005 protestieren mehrere tausend Bauern und Landfrauen bundesweit vor Filialen der Supermarktkette "Real" gegen Aktionspreise für Vollmilch von 33 Cent. Die Begründung des Bauernverbands: Die Erzeuger erhalten nur 26 bis 30 Cent pro Liter, während ihnen Kosten bis zu 36 Cent entstehen. Es heißt weiter, dass, wenn die Milchpreise unterhalb der Entstehungskosten liegen, nicht nur Arbeitsplätze vernichtet, sondern auch die erreichten Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Lebensmitteln gefährdet würden. Der Boykott der Milchbauern führt zu Protesten und Blockaden vor Großmolkereien. Die Debatte hält bis heute an und macht deutlich, dass der deutsche Milchmarkt mittlerweile ein europäischer ist, der als Überschussmarkt durch Quotenregelungen und Milchprämien reguliert wird.
Der Todeskampf von Johannes Paul II., der am 2. April nach langer Krankheit für immer die Augen schließt, bewegt die Welt. Über 26 Jahre lang stand der in Glaubensfragen zutiefst konservative erste polnische Papst an der Spitze der katholischen Kirche und zog die Menschen mit seiner gelebten Überzeugungskraft in den Bann. "Habemus Papam" (Wir haben einen Papst) heißt es dann am Abend des 19. April. Schon am zweiten Tag des Konklaves fällt die Entscheidung: Kardinal Joseph Ratzinger ist das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche; er nimmt den Namen Benedikt XVI. an. Ein Deutscher auf dem Stuhle Petri - das gab es zuletzt im Jahr 1523.
Am 10. Mai wird das lang geplante und noch heute heftig umstrittene Holocaust-Mahnmal in Berlin eröffnet. Zwei Tage später hat auch die Öffentlichkeit Zutritt. Das Stelenfeld liegt nur wenige Schritte entfernt südöstlich des Brandenburger Tores. Auf einer Fläche von 19.000 Quadratmetern sind 2711 Stelen in einem Raster angeordnet. Die grauen, wellenförmig aufgestellten Betonstelen sind jeweils 2,38 Meter lang und 95 Zentimeter breit. Sie ragen bis zu 4,70 Meter in die Höhe. Anzahl und Größe der Stelen haben keine symbolische Bedeutung. Offiziell trägt das Holocaust-Mahnmal den Titel "Denkmal für die ermordeten Juden Europas". Es soll zentrale deutsche Gedenkstätte für die Ermordung von Millionen Juden durch die Nationalsozialisten sein. Nach Protesten der Sinti und Roma sowie von Homosexuellen werden auch für diese Opfergruppen Mahnmale errichtet.
Vier Wochen Sonne, vier Wochen gute Laune, vier Wochen Party, vier Wochen Fußball - zwar nicht immer vom Allerfeinsten, aber auf alle Fälle spannend und mitreißend: So präsentiert sich vom 9. Juni bis 9. Juli die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. "Die Welt zu Gast bei Freunden" lautet das Motto der WM - den Gastgebern fällt es offenbar leicht, diesem Leitspruch gerecht zu werden. Nicht nur die Fans aus anderen Ländern zeigen sich positiv überrascht von den weltoffenen Deutschen mit ihrem sympathisch-fröhlichen Patriotismus. Besonders "Fußballzwerge" wie Ghana, Togo oder Trinidad und Tobago freuen sich über die herzliche Aufnahme in den Quartiergemeinden. Die deutsche Elf, trainiert von Jürgen Klinsmann, landet am Ende auf Platz drei. Der "gefühlte Erfolg" liegt jedoch viel höher. Das Team begeistert die Fans mit engagiertem Spiel und wird zum "Weltmeister der Herzen". Den sportlichen Titel holt sich Italien im Endspiel gegen Frankreich im Elfmeterschießen.Weitere Fotostrecke: Wohin gehst Du, BRD? Die Trends des aktuellen Jahrzehnts
Nachdem die bundesweite Einführung eines islamischen Religionsunterrichts nicht wirklich vorangeht, wagt Baden-Württemberg einen neuen Vorstoß. Mit Schuljahresbeginn im September 2006 werden 235 Schülerinnen und Schüler der ersten beiden Grundschulklassen in einem Modellversuch nach den "Bildungsstandards Islamische Religionslehre" unterrichtet. An den zwei Schulen, in denen der Islamunterricht nach alevitischer Prägung erfolgt - zu dieser Konfession zählen insbesondere viele Kurden -, haben die Aleviten als eigenständige Religionsgemeinschaft selbst über die Lehrpläne entschieden. An den zehn Schulen sunnitischer Prägung haben sich Vertreter verschiedener muslimischer Organisationen und des Kultusministeriums in einem langwierigen, durchaus strittigen Prozess auf die Vorgaben geeinigt. Der Modellversuch ist auf vier Jahre angelegt. Die Debatte um die Ausgestaltung des Islamunterrichts und letztlich auch um die Integration von Migrantenkindern dauert an.
Die Berliner Große Koalition hat in ihrem ersten Amtsjahr viel zu tun. Reformen stehen an, die Deutschland im internationalen Wettbewerb fit machen sollen. Verabschiedet wird die - von vielen Seiten mit Kritik bedachte - Föderalismusreform. Mit der Einführung des Elterngeldes werden in der Familienpolitik die Weichen neu gestellt. Und die Steuermittel aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer - die auch mit 19 Prozent EU-weit noch im Mittelfeld liegt - werden eingesetzt, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Seit dem 1. Januar 2007 zahlen die Deutschen statt bislang 16 Prozent 19 Prozent Mehrwertsteuer. Bei der Gesundheitsreform knirscht es dagegegen im Koalitionsgetriebe, nur mühsam gelangt man zu einem Kompromiss.
In der ersten Hälfte des Jahres 2008 ist klar: Deutsche Banken und Kreditinstitute haben sich in Milliardenhöhe in problematischen Geschäftsfeldern engagiert, die Krise auf dem deutschen Finanzmarkt ist unabwendbar und wird sich auf die gesamte Konjunktur auswirken. Am 13. Januar 2009 schnürt die Große Koalition ihr zweites Konjunkturpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft. Es soll ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro haben und sieht schwerpunktmäßig Investitionen in Infrastruktur und Bildung vor. Ferner ist ein Entlastungspaket mit Steuervergünstigungen und niedrigeren Beiträgen zur Krankenversicherung geplant. Wer sein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten lässt und ein neues kauft, erhält 2500 Euro Abwrackprämie. Weitere Fotostrecke: Wohin gehst Du, BRD? Die Trends des aktuellen Jahrzehnts