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Erst das Vergnügen, dann die Arbeit. Mit der Umkehrung des alten Sprichwortes haben Rosemarie Richter, Buchbinder Frieder Mayer und die wissen.de-Vertreterinnen ihren Aufenthalt in Esslingen am Neckar eingeläutet. Denn in der östlich von Stuttgart gelegenen, vom Krieg weitgehend verschonten Weinstadt befindet sich die älteste Sektkellerei Deutschlands. Einen spritzigeren Einstieg hätten wir nicht finden können. Immerhin habe der Kessler-Sekt, wie unsere Führerin Daniela Hoss betont, Champagner-Qualität. Nur so nennen dürfe er sich nicht. Schließlich stammten die verwendeten Trauben aus heimischen Weinbergen und nicht aus der Champagne. Seit dem Versailler Vertrag von 1919 dürfen nur die Schaumweine aus dieser Region "Champagner" genannt werden. Was aber direkt aus dem berühmten französischen Weinanbaugebiet komme, das sei das Wissen um die perfekte Herstellung von Schaumwein. Dieses hat Georg Christian Keller bei keiner Geringeren als der Witwe Veuve Clicquot in Reims erworben, bevor er 1826 nach Esslingen kam, um hier eine eigene Kellerei zu eröffnen. Andächtig laufen wir durch zwölf, insgesamt 2000 Quadratmeter große Kellergewölbe, die sich unter dem ehemaligen Speyrer Pfleghof befinden. Manche der massiven Mauern stammen aus dem späten 12. Jahrhundert. Die Luft hier unten ist kühl, es riecht nach Hefe und Alkohol. Überall stehen, liegen oder stecken Sektflaschen in Rüttelpulten wo sie bis zu zwei Jahre gären und reifen. Für die gleichbleibenden 14° Grad sommers wie winters sorgt - ein Pilz. Der schwarz Kellerpilz hängt schwer von den gewölbten Decken und ernährt sich allein von Alkohol. Der Pilz fungiert seit Jahrhunderten zuverlässig als natürliche Klimaanlage. "Heute, wo bei der Sektherstellung nicht mehr jede zweite Flasche platzt, müssen wir den Pilz füttern", erklärt Hoss ihren staunenden Zuhörern, zu dem Zwecke verschütte man dann und wann ein wenig Sekt. Hier leben also sogar die Pilze wie Gott in Frankreich...