Kleine Welten, große Politik

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Aus DER Gesellschaftsreisen wird am 1. November 1951 der Reiseveranstalter Touropa. Anfang der fünfziger Jahre entsteht in der Bundesrepublik eine neue Wachstumsbranche: das Reisegewerbe. Touristikpioniere wie Carl Degener und Wilhelm Scharnow bieten preiswerte Pauschalreisen für breite Bevölkerungsschichten an. Technische Neuerungen und verbesserter Komfort machen die Bahn zum wichtigsten Reiseverkehrsmittel. Reiseziele liegen in West-Deutschland, vor allem in Bayern. Das oberbayerische Ruhpolding, Tourismuszentrum von Degeners Touropa, ist erstes deutsches Massenziel. Naturlandschaft und traditionsverhaftetes Brauchtum sind Ziele kollektiver Sehnsüchte. Heimatfilm und Souvenirgewerbe fördern die Vorstellung von einer "heilen Welt" jenseits der Ballungszentren, die häufig noch die Spuren des Krieges tragen. Die Spuren des Krieges trägt auch die fürs Reisen unerlässliche Infrastruktur. So beschreibt ein Artikel der "Süddeutschen Zeitung" vom 2. August 1951 die chaotische Situation auf den Bahnhöfen zum Ferienbeginn: "Der Andrang der Ferienreisenden war so groß, dass die Züge regelrecht gestürmt und die Fenster zum Einsteigen benutzt wurden. Der Kampf um die Plätze nahm verschiedentlich rohe Formen an, so dass es zu Raufereien und zu Weinszenen kam…".Unser Bild zeigt einen Touropa-Prospekt aus dem Jahr 1952.

TUI Schöne Ferien Hannover

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Zu den erfolgreichsten Neuheiten auf dem bundesdeutschen Kfz-Markt zählen 1953 Kleinstwagen wie der "Messerschmitt-Kabinenroller" und die "BMW-Isetta". Populär wird besonders der von der Firma Messerschmitt produzierte so genannte Kabinenroller. Das dreirädrige Gefährt, ein Mittelding zwischen Motorroller und Auto, wird bei einem Preis von 2375 DM für viele zur erschwinglichen Alternative zum Pkw. Der Kabinenroller bietet zwei Personen hintereinander Platz. Er hat einen 9 PS starken Motor mit einem Zylinder und 175 ccm Hubraum und erreicht eine Geschwindigkeit von 75 km/h. Ein- und Ausstieg muss man eine Dachhaube aufklappen.Konkurrent des Kabinenrollers auf dem Kleinstwagenmarkt ist die "Isetta" (9,5 PS, 236 ccm, 85 km/h), deren Serien-Produktion BMW in diesem Jahr aufnimmt. Dieses in Italien entwickelte so genannte Motocoupé kostet mit 4000 DM fast so viel wie ein VW-Käfer. Originell ist besonders der Einstieg durch die aufklappbare Vorderfront.Unser Foto aus dem Jahr 1955 zeigt die Schauspielerin Janet Leigh, die von ihrem Ehemann Tony Curtis mit einem besonderen Geschenk überrascht wird, nämlich einem Messerschmitt Kabinenroller FMR TG 500.

Corbis-Bettmann, New York

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Enttäuschung über die "Großen Vier": Am 20. Februar 1954 zeigen Tausende von Westberlinern während ihrer in völligem Schweigen abgehaltenen Fackelparade ihre Enttäuschung über die negativen Ergebnisse der Konferenz der "Großen Vier" und fordern freie Wahlen für Gesamtdeutschland. Bei der Viermächtekonferenz in Berlin, an der die Außenminister der USA (John Foster Dulles), Frankreichs (Georges Bidault), Großbritanniens (Robert Anthony Eden) und der Sowjetunion (Wjatscheslaw M. Molotow) teilnahmen, stand die ungelöste Deutschlandfrage zur Debatte.Eine tiefergehende Diskussion über die Wiedervereinigung Deutschlands scheitert aber von vorneherein daran, dass zwischen den Großmächten kein Konsens über den Zeitpunkt und damit auch den Zweck gesamtdeutscher Wahlen erreicht werden kann: Molotow will den weiteren Weg Deutschlands durch einen Friedensvertrag festschreiben, der eine Integration der Bundesrepublik in das Bündnissystem der Westmächte verhindern soll; erst nach Abschluss eines Friedensvertrages sollen Wahlen unter der Kontrolle einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung diesen Kurs bestätigen. Für die Westmächte sind hingegen sofortige gesamtdeutsche Wahlen unter der Kontrolle aller vier Besatzungsmächte der Ausgangspunkt für die Wiedervereinigung Deutschlands; die von den Westmächten erwartete Mehrheit für die demokratischen Parteien würde die Grundlage für eine spätere Friedensregelung mit Deutschland schaffen.Am 18. Februar endet die Konferenz mit dem mageren Ergebnis, auf einer weiteren Viermächtekonferenz u.a. über mögliche Abrüstungsmaßnahmen zu verhandeln.

Corbis-Bettmann, New York

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Im mit 70 000 Zuschauern ausverkauften Berner Wankdorfstadion gewinnt die deutsche Nationalmannchaft sensationell mit 3:2 gegen den hohen Favoriten Ungarn - und wird Fußballweltmeister. Held des Tages ist der zweifache Torschütze Helmut Rahn.Deutschland gewinnt den Titel gegen eine Mannschaft, die seit 1950 für unschlagbar gehalten wurde. Während in der Bundesrepublik der Sieg enthusiastisch gefeiert wird, mischen sich in die ausländischen Pressereaktionen neben Anerkennung für die Leistung auch kritische Stimmen. Mitverantwortlich für diese Missstimmung ist eine vom Rundfunk übertragene Laudatio, die der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Peco Bauwens, auf die Mannschaft hält. Als Bauwens den Erfolg erklärt und dabei aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch bekannte Phrasen von der "Fahne des Herzens" und vom "Führerprinzip" bemüht, scheinen sich Befürchtungen von Kritikern zu bestätigen, dass mancher Deutsche den sportlichen Erfolg in den Dienst eines neuen Nationalismus stellen könnte.

Corbis-Bettmann, New York

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Nach rund zehnjähriger Unterbrechung nimmt die Deutsche Lufthansa AG am 3. März 1955 ihren Flugbetrieb wieder auf. 1945 haben die Siegermächten die Gesellschaft aufgelöst.Mit einem Flug von Hamburg nach München eröffnet die Lufthansa den nationalen Linienverkehr. Sie setzt auf den europäischen Strecken zunächst von anderen Fluglinien preiswert erworbene, gebrauchte zweimotorige Maschinen vom Typ "Convair-Liner CV 340" ein. Für den Flugverkehr nach Übersee, der am 1. Mai aufgenommen wird, stehen der Lufthansa vier neue Flugzeuge vom Typ "Super-Constellation" zur Verfügung.Der Personalbestand zeugt vom Optimismus der Geschäftsleitung. Mehr als 1000 Menschen sind bereits bei der Deutschen Lufthansa beschäftigt, davon allein 70 Piloten und 36 Flugingenieure. Für neue Uniformen des Flugpersonals reicht jedoch das Geld nicht; zunächst müssen die Angestellten von der britischen Gesellschaft BEA ausgeliehene marineblaue Uniformen tragen. Unser Foto zeigt Lufthansa-Stewardessen in der zwischen 1955 und 1965 getragenen Uniform.

Deutsche Lufthansa AG, Köln

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Otto John, der vor 17 Monaten in die DDR übergewechselte ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, stellt sich in Berlin (West) der Polizei. 1950 hatte John die Leitung des neu geschaffenen Bundesamtes für Verfassungsschutz übernommen. Er war dort für die Bekämpfung des Linksextremismus und die Abwehr östlicher Geheimdiensttätigkeiten verantwortlich. John hatte Zugang zu den geheimsten Informationen. Sein Überlaufen zum kommunistischen Gegner galt als heftige Schlappe im Kalten Krieg. 1956 wird John wegen landesverräterischer Konspiration zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.Unser Foto zeigt Otto John mit DDR-Prominenz nach seinem Übertritt auf der Ostberliner Stalinallee: (v.l.) Wilhelm Girnus (SED), der Architekt Hermann Henselmann, Otto John und Erich Correns (Präsident des Nationalrates der DDR)

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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Im Saarland entscheidet sich in einer Volksabstimmung eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gegen die Annahme des Saarstatuts und damit gegen eine Europäisierung des Saarlandes. Damit hat die Bevölkerung des Saarlandes den Plänen der Landesregierung Bundeskanzler Konrad Adenauers (CDU) und der französischen Regierung eine deutliche Absage erteilt. Adenauer hatte am 23. Oktober 1954 mit der Pariser Regierung das Saarstatut ausgehandelt, um die Aussöhnung mit Frankreich voranzutreiben. Das Statut sah vor, das Saarland unter Aufsicht des Rates der Westeuropäischen Union (WEU) zu stellen. Das Saarland war immer wieder Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Saarland zunächst zur französischen Besatzungszone. Ab 1946 wurde es schrittweise aus ihr herausgelöst und dem französischen Wirtschafts- und Währungsgebiet eingegliedert. 1948 verlor die Bevölkerung des Saarlandes die deutsche Staatsangehörigkeit. Durch die französisch-saarländischen Konventionen von 1950 erhielt das Saarland autonomen Status, überließ Frankreich aber die außenpolitische Vertretung. 1957 wird das Saarland schließlich zehntes Bundesland der Bundesrepublik.Unser Foto zeigt Bergarbeiter von der Saar im Jahr 1955. Die Kohle ist in den 50ern die Grundlage der saarländischen Wirtschaft.

Corbis-Bettmann, New York

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Die Bunderepublik Deutschland bekommt wieder eine Armee. Nach leidenschaftlich geführter Debatte verabschiedet der deutsche Bundestag in Bonn mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU, FVP, und Deutscher Partei (DP) das Wehrpflichtgesetz. Gegen den Entwurf stimmen SPD und FDP. Nach den Bestimmungen des Gesetzes sind alle männlichen Deutschen vom vollendeten 18. Lebensjahr an wehrpflichtig. Die Wehrpflicht endet mit Vollendung des 45. Lebensjahres, bei Offizieren und im Verteidigungsfall mit Vollendung des 60. Lebensjahres.Im September wird die Dienstzeit auf 12 Monate festgesetzt. Diejenigen Deutschen, die den Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen ablehnen, haben nach Artikel 4 des Grundgesetzes das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes. Für sie wird ein ziviler Ersatzdienst eingerichtet.Mit der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes ist eine seit Monaten heftig umstrittene Grundsatzentscheidung über den Charakter der Bundeswehr gefallen. Die Frage lautete, ob die westdeutschen Streitkräfte eine Berufs- oder eine Wehrpflichtigenarmee sein sollen. Die Entscheidung für eine allgemeine Wehrpflicht soll die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft und damit demokratische Kontrolle gewährleisten. Die Rekruten der ersten Stunde auf unserem Foto sind übrigens noch mit Stahlhelmen der US-Armee ausgerüstet.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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Das Segelschulschiff "Pamir" gerät im Atlantik westlich der Azoren in einen Hurrikan. Er kentert und versinkt innerhalb kurzer Zeit. 80 der 86 Mann Besatzung kommen dabei ums Leben. Am 23. September werden fünf Überlebende von dem New Yorker Dampfer "Saxon" aus einem Rettungsboot geborgen; am Tag darauf findet die "Absecon" der US-amerikanischen Küstenwacht einen weiteren Überlebenden.Nach Aussagen der Geretteten konnten sich zunächst noch mehr Seeleute in die ausreichend vorhandenen Rettungsboote flüchten; wegen unzureichender Ausstattung der Boote gelang es manchen nicht, sich bemerkbar zu machen. Andere verdursteten, weil die großen Wassertanks der Boote in der schweren See weggerissen wurden. Außerdem griffen Haie die überlebenden Schiffbrüchigen an.Ladung und Aufbauten des Schiffes werden im Nachhinein neben dem Hurrikan als mögliche Ursachen des Unglücks genannt. Die "Pamir" hatte im August in Buenos Aires 3780 t Gerste geladen, davon lediglich 255 t in Säcken verpackt. Die Getreideladung war in dem schweren Sturm verrutscht und hat so zu einer starke Schlagseite des Schiffes geführt. Möglicherweise haben die Decksaufbauten des Schiffes zur weiteren Instabilität beigetragen. Verstärkt wurde die Schlagseite, durch die das Segelschulschiff schließlich kenterte, durch einen starken Wassereinbruch. Der war weder zu stoppen noch durch Pumpen auszugleichen.Im Bild: Erschöpft, aber glücklich sind diese fünf Männer der "Pamir" von der Besatzung der "Saxon" gerettet worden.

Corbis-Bettmann, New York

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Über 1000 Jugendliche bereiten dem US-amerikanischen Rock-'n'-Roll-Star Elvis Presley bei seiner Ankunft in Bremerhaven einen stürmischen Empfang. Presley leistet seinen Wehrdienst als Gefreiter der US-Truppen in der Bundesrepublik ab.Presley, der am 24. März in die Armee eintrat, soll nach den Worten seiner Vorgesetzten als ganz normaler Soldat behandelt werden; er wird bei den US-amerikanischen Streitkräften im hessischen Friedberg stationiert. In Bremerhaven verlässt der Sänger zwar wie jeder andere Soldat mit geschultertem Seesack das Schiff, um in den Transportzug zu steigen, verteilt dann aber Kusshände sowie rote und weiße Nelken an seine Fans. Diese fordern hinter einer doppelten Polizeiabsperrung: "Wir wollen Elvis sehen!"Zwar ist der Rock 'n' Roll ebenso wie Presleys Hits in der Bundesrepublik noch wenig verbreitet, die kleine Fangemeinde begeistert sich aber umso mehr für den Sänger mit dem erregenden Hüftschwung, der 1956 mit "Heartbreak Hotel" seinen ersten Hit landete.Elvis Presley (im Bild rechts) bei Antritt seines Wehrdienstes.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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Die Filmserie "Sissi" (1955 bis 1957) um die populäre Kaiserin von Österreich rührt das Kinopublikum in der zweiten Hälfte der 50er Jahre zu Tränen. Der beispiellose Erfolg, der in unzähligen TV-Wiederholungen gipfelt, versetzt die Filmindustrie in einen Freudentaumel, den nur die gefeierte Hauptdarstellerin nicht teilen will. Romy Schneider, gerade über 20 Jahre alt, hat keine Lust mehr, auf die Rolle des unschuldigen Mädchens festgelegt zu werden. Widerwillig dreht sie den dritten Teil ab. 1959 tritt sie noch einmal in einem historischen Drama namens "Katja" auf (eine Szene daraus in unserem Foto). Hier geht es um eine Liaison mit dem russischen Zaren, der von Curd Jürgens gespielt wird. Dann entschließt sie sich zu einem radikalen Imagewandel. Am 22. März 1959 verlobt sich Romy Schneider mit Alain Delon und kehrt dem heimischen Unterhaltungsbetrieb mehr oder weniger endgültig den Rücken. In Frankreich will sie das lästige "Sissi"-Image loswerden und endlich ihre schauspielerischen Qualitäten unter Beweis stellen, was ihr auch nachhaltig gelingt.

Corbis-Bettmann, New York