Paradiesische Zeiten für Pyromanen

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Kaum zu glauben, dass die filigran gearbeiteten Details wie die Fingerspitzen oder die Haarknoten der nackten Grazien der Falla in der Straße Convento Jerusalén wirklich aus Papier und Pappe sind. Sind sie aber. So verwundert es auch nicht, dass ein Falla-Bauer ein ganzes Jahr braucht, um sein Kunstwerk zu errichten. Gebastelt, geleimt und gemalt wird in großen Hallen, denn die Pappmachéfiguren sind schließlich haushoch. Allerdings lagern die Fallas in den Werkstätten in Einzelstücken. Zusammengesetzt wäre eine Falla einfach zu groß, um transportiert werden zu können. Deshalb werden die Monumente erst in der Nacht auf den 15. März unter viel Schweiß und Spaß zusammengebaut und errichtet. Auf Valencianisch heißt das „Plantà“.

Susanne Dreisbach

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Den letzten Schliff verpasst der Fallas-Bauer der Stammtischgruppe aus Pappe und Farbe. Auch wenn die Puppen nur fünf Tage im Licht der Öffentlichkeit stehen, sollen Sie so perfekt wie möglich aussehen. Die Pappkameraden auf dem Foto tragen die typische valencianische Tracht: das karierte blau-weiße Tuch und die Sandalen zum Binden, alpargatas genannt. Eine Falla mit all ihren ninots, so heißen die menschengroßen Puppen, zu erbauen, dauert ein ganzes Jahr. Das bedeutet: Nach den Fallas ist vor den Fallas.

Susanne Dreisbach

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Die ninots, wie die lebensgroßen Figuren am Fuße einer Falla genannt werden, sind am ehesten mit den Figuren auf den deutschen Karnevalswagen zu vergleichen. Auch sie nehmen Politiker, Sportler, Künstler auf den Arm, mal ironisch augenzwinkernd, mal gnadenlos sarkastisch. Auf Begleittäfelchen stehen erklärende Reime, allerdings nicht auf Spanisch, sondern auf Valencianisch, was den Besuchern aus dem Ausland das Entziffern nicht gerade leichter macht. Die Truppe rund um Donald, Dick & Doof und Charlie Chaplin gefällt aber auch ohne Worte. Ein einziger ninot pro Jahr wird vor dem Flammentod in der Nacht von San Juan verschont, dieser ninot indultat darf den Rest seines Lebens im Fallas-Museum verbringen. 2009 gehörte der ninot induldat zur Falla Straßenecke Quart-Palomar. Bei dem ninot „queridas mascotas“ handelt es sich um ein kleines Mädchen, das mit seinem Hund spielt. Das kann es jetzt bis in alle Ewigkeit im Museum tun.

Susanne Dreisbach

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defiliert zusammen mit anderen kleinen und großen Falleras und Falleros durch die Straßen der Stadt. Das Mädchen trägt die typische Haartracht der Fallera valencia: einen Knoten im Nacken, an den Seiten die kunstvoll geflochtenen Haarschnecken und einen goldenen Haarkamm am Hinterkopf. Die Trachten sind so teuer, dass sie sich viele Familien nicht leisten können. Deshalb werden sie häufig unter Freunden und Verwandten verliehen.

Susanne Dreisbach

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Nicht nur die Stadt Valencia schmückt sich im März mit herrlichen Lichterketten und den kunstvollen Fallas, auch die Frauen gleichen vom 15. Bis 19. März wahren Kunstwerken. Valencia verwandelt sich in ein Meer aus Schönheitsköniginnen. Begleitet werden die Frauen, Männer und Kinder in Tracht (viele werden im Kinderwagen durch die Stadt geschoben) von Musikkapellen. Überall erklingen fröhliche Weisen und machen den Besuchern das stundenlange durch die Stadt pilgern erträglicher. Denn natürlich müssen alle Fallas zu Fuß abgeklappert werden. Wer aber einmal die hohen Schuhe der Falleras gesehen hat, wagt sich nicht mehr zu beschweren.

Susanne Dreisbach

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… heißt das Motto der Rathausplatz-Falla 2009. Gemeint sind die Tiere, die in dem kürzlich eröffneten städtischen Zoo „Bioparc“ eingezogen sind. Die Rathaus-Falla, in der Affen, Giraffen, Strauße und Elefanten auftauchen, ist 22 Meter hoch, wurde von dem Fallakünstler Pedro Santaeulalia erbaut und kostet mit 230.000 Euro vergleichsweise wenig. Die Wirtschaftskrise hat in diesem Jahr also auch die professionellen Fallas-Bauer erreicht. Das Kunstwerk vor dem Rathaus, dem ayuntamiento, sah sich im Vorfeld noch mit weiteren Schwierigkeiten konfrontiert: Tierschützer hatten sich gegen die Falla gewehrt, die dafür werbe, „Tiere einzusperren“.

Susanne Dreisbach

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Zu jeder großen Falla, falla mayor, gehört auch eine kleine, die falla infantil. Die kleine Falla vor dem Rathausplatz lädt zu einer Zeitreise 100 Jahre in die Vergangenheit ein. Die Figuren stellen berühmte valencianische Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts dar, darunter der Maler Joaquín Sorolla, der Bildhauer Mariano Benlliure oder auch der Zarzuela-Komponist José Serrano.

Susanne Dreisbach

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Um Punkt zwei am Mittag versammeln sich Tausende Valencianer und Besucher gespannt und bester Laune auf dem Rathausplatz. Selbst die Straßen, die sternförmig auf den Platz zulaufen, sind jeden Mittag vom 1. bis 19. März hoffnungslos überfüllt. Alle wollen dabei sein, wenn die ohrenbetäubende mascletà losgeht. Das ist ein dröhnendes Feuerwerk, bei dem es weniger um die Optik als um die Akustik geht. Denn bis zu 120 Kilo Blitzsprengpulver werden hier innerhalb weniger Minuten in die Luft gejagt - sobald die Fallera Mayor vom Rathausbalkon aus ihr Placet auf Valencianisch gegeben hat: „Senyor pirotecnic … pot començar la mascletà!“ Die in der Mitte des Platzes an langen Schnüren montierten Knaller explodieren im Sekundentakt, der Qualm, der dabei entsteht, hüllt nach und nach die umstehenden Gebäude in dichten weißen Qualm, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Auf dem Foto ist das Rathaus mit der Uhr noch zu erkennen. Es ist eine Minute nach zwei.

Susanne Dreisbach

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Ein Tipp: Mund aufmachen. Sonst kann einem das Trommelfell platzen. Circa 120 Dezibel erreicht das Böllerkonzert, wenn sich die mascletà ihrem Höhepunkt nähert. Früher war sie sogar noch lauter, der Boden bebte und gar nicht selten zersprang eine Fensterscheibe. Darum ist die Menge an Schwarzpulver, das die Pyrotechniker verballern dürfen, inzwischen auf 120 Kilo beschränkt. Dennoch: Wenn Rhythmus und Dynamik des Knallkörperkonzertes ihren Höhepunkt erreicht haben, kann man die Explosionen, das Grollen und Zischen sogar fühlen, so unglaublich laut ist es. Gänsehaut ist garantiert. Die Menge johlt, wenn ihr die mascletà so richtig ins Mark gegangen ist. Dann wird der Pyrotechniker wie ein Popstar gefeiert. Wenn nicht, erntet er nur ein arrogantes spanisches Achselzucken. Beindruckend sind aber auch die nächtlichen Feuerwerke, die castillos, die um Mitternacht oder später vom früheren Flussbett des Río Turia aus abgeschossen werden. Sie dauern gut eine Dreiviertelstunde und sind von unvergleichlicher Schönheit und Farbenpracht.

Susanne Dreisbach

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Was in einem Jahr mühsamer Arbeit erdacht, erbaut und errichtet wird, fällt innerhalb weniger Augenblicke den Flammen zum Opfer. Doch die Tradition will es so: In der Nacht des 19. März, der Noche de San José, werden die haushohen Fallas aus Pappmaché gnadenlos angezündet. Die Cremà, das Verbrennen, erinnert an die Ursprünge der Fallas, als Handwerker und Anwohner zu Frühlingsbeginn überflüssiges Material und aussortierten Hausrat nach draußen schafften und ansteckten. Während der Cremà der mehreren hundert Fallas leistet die Feuerwehr Unglaubliches: Die Fassaden aller umliegenden Häuser werden abgespritzt, damit sie nicht Feuer fangen. Auch bei vielen Zuschauern heißt es "Wasser marsch!" - wenn ihnen die Tränen nur so über die Wangen laufen- ob vor Ergriffenheit oder vor Hitze sei einmal dahingestellt.

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