Von kleineren und größeren Malheurs

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Es war zu der Zeit, als der VfL Wolfsburg noch in der Regionalliga kickte – mit anderen Worten: in den 1980er Jahren. Damals gab es in der VW-Stadt eine Buchhandlung, die ihren Namen noch verdiente. Denn neben Bestsellern gab es hier einen bunt gemischten Vorrat weiterer Autoren zu entdecken. Und da das VW-Werk zu dieser Zeit keine Werkschüler beschäftigte, nutzte ich die Chance für meinen ersten Ferienjob. Wie sich herausstellte, hatte ich mir allerdings falsche Vorstellungen gemacht. Statt drinnen meine damals noch nicht sehr ausgeprägten literarischen Vorlieben an den Mann und an die Frau zu bringen, kam ich den "Draußenverkauf", und das hieß: Ich war der Herr der Remittenden. Remittenden sind Bücher, die der Handel an den Verlag zurückgeschickt hat und die deswegen nicht mehr an den festen Buchpreis gebunden waren. Mit anderen Worten: Ramschware. Doch ganz so war es nicht. Unter meinen "Schätzen", die auf mehren Tischen vor der Buchhandlung präsentiert wurden, fanden sich Taschenbücher von Böll und Grass, Thomas Bernhard und Thomas Mann. Und das Erstaunliche war: Sie gingen weg wie warme Semmeln. Sicher lag es nicht (oder nicht in der Hauptsache) an meinen Verkaufskünsten. (Ich ging eher zurückhaltend vor.) Wahrscheinlicher war, dass es zu der Zeit in Wolfsburg einfach viele Leseratten gab. Für mich ein Glück – und der Beginn einer weiterhin andauernden Liebe zur Literatur.- Michael Fischer

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Der weiße Kittel und die weinrote Schürze knisterten leise in der Plastiktüte, in der ich sie voll Stolz nach Hause trug. Ich war 16 - und stand ab sofort auf eigenen Füßen. So viel war klar. Denn außer den Kittel hatte ich auch den ersten Ferienjob meines Schülerinnendaseins eingetütet. Bei einer großen Bäckerei-Kette in meiner Heimatstadt: Pfannkuchen machen würde meine Aufgabe für die nächsten Wochen sein.Den Teig in eine aus acht Ringen bestehende Eisenform auf eine heiße, mit Öl beschmierte Platte gießen, die Fruchtfliegen von den Obststückchen wedeln, die Teigkreise wahlweise mit Äpfelchen, Pflaumen, Mandarinen und Kirschen belegen, den festgewordenen Teig ausstechen und wenden. Eine durchaus zu bewältigende Aufgabe! Auch wenn es in jenem Hochsommer, der diesen Namen noch verdiente, sicher angenehmere Orte als den hinter einer heißen Herdplatte gegeben hätte. Die größte Herausforderung bestand im Grunde darin, die bleierne, achtstündige Langeweile zu bekämpfen. Einige Kunden zeigten sich da sehr hilfsbereit - wie zum Beispiel der radebrechende Grieche, der sich in den Kopf gesetzt hatte, meine Doppelgängerin zu kennen, und der mir das mit den Worten "gleich Gesicht, gleich Gesicht" wiederholt erklärte.Mein Favorit unter den skurrilen Kunden sollte aber mit Abstand der alte Mann werden, der einen Apfelpfannkuchen bestellte, umständlich sein Taschentuch aus der Hose zog, völlig ungeniert sein Gebiss aus dem Mund nahm, in das Tuch wickelte und sich daran machte, den weichen Pfannkuchen mit seinen nunmehr zahnlosen Kiefern zu vertilgen. Na denn, bon appétit!- Susanne Böllert

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Ich muss 15 oder 16 gewesen sein, als ich zum ersten Mal die langen Ferien nutzen wollte, um mir ein bisschen Geld zu verdienen. Ich entschied mich für einen Gemüseanbaubetrieb oder "market garden", wie man auf Englisch sagt. Wir haben zehn Shilling am Tag bekommen. Heute wären das 50 Pence, beziehungsweise 57 Euro-Cent! Die reine Ausbeutung! Es war Sommer, wie gesagt, englischer Sommer, um genau zu sein. Es regnete in einer Tour, ich war ständig nass.Mein Chef hieß Jack. Jack war ein großer, wortkarger Mann aus Südirland mit Fingern wie Bananen. Er arbeitete bei jedem Wetter und trug dabei einen sehr alten Filzhut und einen ebenso alten Regenmantel, den er mit einer Schnur zusammengebunden hatte statt mit einem Gürtel. Das wichtigste Utensil waren aber seine Gummistiefel. Man darf vermuten, dass Südiren bereits mit Gummistiefeln auf die Welt kommen. Jack sprach nicht viel. Nur wenn ich mich dumm angestellt hatte oder zu langsam war, erging ein Wortschwall über mich. Dabei verfluchte er mich, meine Herkunft, meine Eltern, ja sogar das Königshaus – alles gesalzen mit eine wunderschönen Mischung von Schimpfwörtern.Der ganze Betrieb war irgendwie provisorisch, es gab keine richtigen Werkzeuge, die Gummireifen an den Schubkarren waren platt. Zum Kohl schneiden benutzten wir alte, stumpfe Besteckmesser. Ich erinnere mich immer noch an die Blasen, die meine Hände übersäten. Dennoch hatte Jack auch eine weiche Seite. Wenn wir mittags zusammen in seiner alten Holzhütte hockten und Tee tranken, konnte er über meine geschundenen Hände nur den Kopf schütteln.Ehrlich gesagt, habe ich damals echt wenig Geld verdient. Aber fluchen - das konnte ich danach hervorragend!- Charles Kenwright

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Ferien und früh Aufstehen sind zunächst einmal ein Widerspruch. Aber Ferien bedeuten für viele Schüler und Studenten natürlich auch Geldverdienen. Und das hieß auch bei mir in einem Sommer sehr, sehr früh Aufstehen. Ich hatte mich nämlich klassisch für einen Job bei der Deutschen Bundespost entschieden. Dazu wurde ich sogar vereidigt. Den Lohn musste ich mir erlaufen. Will heißen, je schneller ich die Post verteilt hatte, desto früher hatte ich Feierabend, desto schneller mein Geld verdient. So weit, so gut.Nach einem feuchtfröhlichen Fest am Badesee wollte ich mich noch zwei Stunden aufs Ohr legen, bis ich wieder raus musste. Es kam, wie es kommen musste. Ich verschlief und kam über zwei Stunden zu spät zur Arbeit. Als ich die Verteilerstelle betrat, kamen mir schon die Kollegen – die späten - entgegen. Zum Teil zeigten sie entsetzte Gesichter, zum Teil hämische. Total übermüdet holte ich mir meinen riesigen Poststapel und begann mit dem Verteilen.Die Postsendungen mussten nach Straße und Hausnummer sortiert werden, die Zahlen verschwammen vor meinen Augen. Nachdem ich etwa die Hälfte sortiert hatte, packte ich meine Tasche mit den sortierten Briefen, verstaute die unsortierten in eine andere und machte mich auf den Weg. Ich brauchte die doppelte Zeit für die Hälfte des Pensums. Den unsortierten Packen versteckte ich im Auto – mit tierisch schlechtem Gewissen – und schmuggelte ihn am nächsten Tag in die Verteilerstelle. Auch dieser Tag wurde ein langer ...Dass die Kollegen nichts gemerkt haben, kann ich mir nicht vorstellen - darauf angesprochen wurde ich aber nie.- Andrea Rickert

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Wenn es die Menschen, die sich bereits um 10 Uhr von einer süßen Leckerei verführen lassen, nicht gäbe, hätten wir vielleicht weniger Menschen mit Figurproblemen. Aber ich hätte definitiv in den Ferien kein Geld verdienen können – als Crêpes-Bäckerin. Mein Reich: eine Bude von rund zwei Quadratmetern mitten in der Fußgängerzone. Gleich morgens bekam ich eine schwappende Lieferung von fünf bis zehn Litern Teig angeliefert, die ich meist bis zum frühen Nachmittag unters Volk gebracht hatte. Denn Crêpes sind herrlich! Wer sie mit einem gewöhnlichen Pfannkuchen verwechselt, irrt gewaltig. Crêpes sind hauchzart. Der Crêpes-Teig wird auf ein großes, flaches Backeisen gekippt und mit einem hölzernen Teigverteiler großflächig verstrichen. Eine Prozedur, die auf einige Menschen eine starke Faszination ausüben muss – so dachte ich damals jedenfalls. Es ist nämlich mehrfach vorgekommen, dass Leute selbst zur Kelle gegriffen haben, um den Teig auf das Eisen zu gießen. Heute frage ich mich allerdings: War ich vielleicht nicht schnell genug?- Michaela Wetter

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Direkt nach dem Abi hatte ich mir die freie Zeit bis zum Studienbeginn mit Burger braten bei der ersten Kieler Fastfood-Filiale (die mit dem großen M im Namen) vertrieben. Allerdings rasch eher lustlos, da neben 6,45 DM Stundenlohn das spritzende Pommes-Fett und die permanent stinkenden Haare kein Anreiz für eine längere Beschäftigung waren. Da versprach ich mir beim Lesen der Stellenausschreibung "Wachmann gesucht" schon mehr. Action vielleicht? Spannung zumindest! Die Wach- und Schließgesellschaft nahm mich nach kurzem Vorstellungsgespräch ("Ham Sie gedient? Schon mal geschossen?") und steckte mich in eine furchtbare Uniform. Grau. Steingrau. Ein Funkgerät vervollständigte meine Ausrüstung. Und ich erhielt den Rufnamen "Falke 25". Mein ersten Einsätze entsprachen dann allerdings so gar nicht meinen Vorstellungen. Zusammen mit einem Kollegen war ich für den Objektschutz am Kieler Hafen eingeteilt. Hieß, wir bewachten Autos vor der Verschiffung nach Skandinavien. Stündlich drehten wir unsere Runde und prüften, ob nicht vielleicht Kratzer an den neuwertigen Vehikeln zu finden waren. Wirklich seeehr spannend. Die Nächte waren kalt und lang. Aber immerhin mit mehr als 12 DM ordentlich bezahlt. Und wenn es nicht regnete ... Dann bot mir die Zentrale einen neuen Auftrag an. Nächtlicher Objektschutz in einer Bankfiliale, die am Tag darauf eröffnet werden sollte. Der Filialleiter zeigte mir die Büros und den im Keller gelegenen Tresorraum. Diesen erreichte man über eine große Glastür, die erst kurz vor meiner Ankunft in den Beton versenkt worden war. Die Nacht kam, ich richtete mich häuslich ein. Las ein Buch am Schreibtisch des Filialleiters. Wurde schlagartig müde. Und nickte ein. Von einem lauten Knall schreckte ich hoch. Ein rascher Blick auf die Uhr. 4 Uhr. Ich knipste meine Taschenlampe an, nahm die Funke und ging langsam die dunklen Räumlichkeiten ab. Das Erdgeschoss war ruhig. Absolut nichts zu hören. Dann kam der Keller dran. Unter meinen Schuhen knirschte Glas. Im Schein der Taschenlampe sah ich das Unglück: Die Glastür lag in Scherben auf dem frisch verlegten Teppichboden. Merkwürdig, Fenster und Eingangstür waren unbeschädigt. "Falke 25 an Zentrale!" Ich informierte flüsternd den Rufdienst, der sofort eine Einheit vorbeischickte. Kurz danach trafen auch die Polizei und der Filialleiter ein. Der Schreck war mir gehörig in die Glieder gefahren und meine Müdigkeit wie weggeblasen. Die Untersuchung ergab, dass die Glastür fehlerhaft verankert worden, somit unter Spannung geraten und schließlich zersprungen war. Keine Einbrecher! Zum Glück für mich. Die Filialeröffnung fiel aus und ich zuhause in einen unruhigen Schlaf. Von Spannung hatte ich genug. Es war mein letzter Einsatz als Wachmann.- Jörg Peter Urbach

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Eigentlich liebte ich meinen Ferienjob: Bei einem familiengeführten Münchner Partyservice jobbte ich als Servicekraft. Die Chefs waren freundliche Menschen, unsere Arbeitsplätze in schönem Ambiente und entspannter Atmosphäre: in Vorstandscasinos, auf Richtfesten edler Häuser, zu runden Geburtstagsfeiern in gehobenem privaten Umfeld und so weiter und so weiter.Und doch gab es ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte: Zusammen mit einem Kellner sollte ich ein privates Sommerfest mit circa 40 Gästen betreuen. Der Koch war wie üblich nur zur Essensausgabe eingeteilt. Und der Kellner? Er fiel krank aus. Da stand ich nun vor der größten Aufgabe meines bisherigen (Party-)Lebens: dem Anzapfen eines Bierfasses! Denn im Gegensatz zum Münchner OB auf dem Oktoberfest hatte ich weder weitere Fässer in petto noch die Chance, die Gäste zu einem antialkoholischen Abend zu überreden. Und ich bin sicher, nur zwei Zufälle retteten damals das Fest - und mir das Leben: zum einen, dass es ein 30-Liter-Fass war. Zum anderen, dass mir mein Chef per Telefon DEN Trick schlechthin verriet: Ein 30-Liter-Fass lässt sich umlegen und dadurch gefahrenfreier anzapfen. Ein klarer Vorteil gegenüber dem 200-Liter-Fass auf dem Oktoberfest. Und der entscheidende Punkt für mich bei meinen Gästen!- Barbara Steiger

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Ich kann mich noch heute ganz genau an den Duft nach Weihnachten erinnern: Der Geruch von Zimt und Nelken hingen den ganzen Tag in der Luft, nebenan das vertraute Klopfen des Schmieds und natürlich die ewig kalten Füße, die man nach einer 8-stündigen Schicht auf dem Mittelaltermarkt nicht mehr so schnell warm bekommen hat. Die gesamte Studienzeit über habe ich in der Adventszeit auf einem großen Weihnachtsmarkt gearbeitet und den frierenden Massen warmen Glühwein ausgeschenkt. Ein schöner Ferienjob, immer an der frischen Luft,  umgeben von Menschen, die sich ein paar Stunden Auszeit von der Hektik der Vorweihnachtszeit gönnen wollen. Dass diese Hektik einen aber sehr schnell wieder einholen kann, habe ich am eigenen Leib erfahren. Als ein Kollege ausgefallen ist, hieß es für mich nämlich nicht mehr in den Glühweintöpfen rühren, sondern in voller Montur mit Rauschebart und Nikolauskostüm in  überfüllten Banken für die Kinder von gestressten Eltern den Weihnachtsmann mimen - ein Erlebnis, das ich für immer aus meiner Erinnerung streichen will: Der Kunstbart juckte fürchterlich, das Kissen, mit dem ich mein Kostüm in Bauchgegend ausgestopft hatte, rutschte ständig auf Beinhöhe und meine Stimme – nun ja, die war so verräterisch hoch, dass sich sogar die Jüngsten über den kleinen Nikolaus mit der Piepsstimme köstlich amüsieren konnten… - Irma Biebl

Kessler Medien, Saarbrücken/Andreas Kessler

9/11

Ich war in der Mittelstufe, als mir ein Job als Gesellschafterin angeboten wurde. Ich kannte dieses Wort vorher nur aus alten Filmen, aber die Aufgabe schien einfach: einmal pro Woche sollte ich eine alte Dame im Altenheim besuchen, mich mit ihr unterhalten und sie bei gutem Wetter mit dem Rollstuhl spazieren fahren. Ihr Vormund – die Frau litt an einer fortgeschrittenen Demenz – engagierte mich, da sie kinderlos war und sonst kaum Besuch bekommen hätte.

Es kam mir anfangs seltsam vor „Ersatz-Gast“ zu sein. Auch deshalb, weil meiner Arbeitgeberin wohl nicht klar war, dass ich für die Zeit mit ihr bezahlt wurde. Aber mein Unbehagen schwand, als ich feststellte, dass sie es mit mir gar nicht so schlecht getroffen hatte, trotz meiner wenig selbstlosen Motive. Denn andere Bewohner des Hauses hatten zwar Verwandtschaft, was ihnen aber nichts nützte, weil sich die Sippschaft kaum blicken ließ. Ich war jeden Freitag da.

Dass die Dame mich aufgrund ihrer Demenz oft mit einer ihr bekannten Apothekerin verwechselte, störte mich gar nicht. Nur manchmal brachte mich ihre Krankheit in unangenehme Situationen. Einmal, es war schlechtes Wetter und wir saßen im Gemeinschaftsraum, fragte sie mich, wo ihr Mann sei. Die richtige Antwort wäre gewesen: auf dem Friedhof. Aber sein Tod war ihr entfallen und die Nachricht hätte sie getroffen wie am ersten Tag. Die Schwester bemerkte mein Zögern und sprang ein: „Der ist zum Bäcker gegangen, Brötchen holen. Er kommt in fünf Minuten wieder“, sagte sie und warf mir einen warnenden Blick zu. Die Dame akzeptierte diese Notlüge und nachdem die fünf Minuten um waren, hatte sie den Vorfall vergessen. So fiel ihr gar nicht auf, dass ihr Gatte vom „Brötchenholen“ nicht zurückkam. - Dagmar Oberndorfer

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10/11

Während meines ersten Ferienjobs wird mich niemand erkannt haben. Glücklicherweise. Und das liegt nicht in erster Linie daran, dass ich meinen Star-Auftritt fern der norddeutschen Heimat, in einer neu eröffneten C&A-Filiale in Cottbus absolvierte, sondern vielmehr an der Tatsache, dass ich in einem Hundekostüm durch das Kaufhaus getorkelt bin. Gelbes Fell mit roten Punkten. Der Kopf wog viereinhalb Kilo (ich könnte schwören, dass es mit jeder verstreichenden Stunde 500 Gramm mehr wurden) und die Nasenlöcher waren das einzige Sichtfenster. 15 DM pro Stunden waren für damalige Verhältnisse – und vor allem für Fünfzehnjährige – ein stolzes Taschengeld. Das half auch über so nichtige Kümmernisse hinweg wie zum Beispiel, dass man sich nicht an der Nase kratzen konnte, wenn ein Schweißtropfen herunterkullerte oder dass man noch kleinen Kindern oder wieder kleinen Senioren im Vorbeigehen versehentlich mit der Hundenase eine Kopfnuss verpasste, wenn sie unterhalb der Nasenloch-Sichtfenster hindurch zu gehen versuchten. Der Spaß hat ohnehin jede Anstrengung wett gemacht, schließlich war ich mit einer ganzen Horde Freunde zum Ferienjob angetreten. In den folgenden Monaten, ehrlich gesagt sogar Jahren, mogelten sich neben dem Hund noch einige weitere Charaktere in meinen Lebenslauf, zum Beispiel Drache, Lebkuchenmann, Clown und Antje aus Holland. Das ist lange her. Und einen viereinhalb Kilo-Hut habe ich seither auch nicht mehr getragen. -  Tina Denecken

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11/11

Ich habe mich bei meinem Ferienjob auch verkleidet gefühlt - dabei wurde ich weder in ein Hunde- noch in ein Nikolauskostüm gesteckt - sondern in ein Dirndl mit pinker Schürze und in eine Bluse mit Puffärmeln! Das war am Anfang meines Studiums in München und, ganz ehrlich, mit der "mia san mia"-Mentalität meiner neuen Wahlheimat war ich bis dahin überhaupt nicht warm geworden! Ob mein Job als Dirndl-Verkäuferin das ändern würde? Ich hatte zwei Monate Zeit, um das herauszufinden. Zuerst kam ich mir  - inmitten der bonbonfarbenen Dirndl und Schürzen  - wie eine glatte Fehlbesetzung vor.  Das begeisterte "Mei, so liab! Wie für sie gemacht", mit dem meine Mitstreiterinnen ihre Kundinnnen überzeugen wollten, kam mir einfach nicht über die Lippen. Je näher das Oktoberfest rückte, umso hektischer ging's bei uns zu. Ganz München war im "Wiesn-Fieber" und wollte neu eingekleidet werden. Eindeutig am Liebsten mochte ich die Tage, an denen ich für den kleinen Stand direkt am Viktualienmarkt zuständig war. Das Sortiment beschränkte sich hier auf ein bisschen Schmuck und ein paar Lederhosen und Dirndl. Wollte die jemand anprobieren, habe ich den kleinen Laden mit Hilfe der anderen Standbesitzer schnell zur provisorischen Umkleidekabine umfunktioniert. Irgendwie bin ich in diesem Sommer wirklich in München angekommen. Lag das an meinem täglichen Gang über den Viktualienmarkt? An den lustigen Begegnungen mit den Münchnern? An den Amis, Australiern und Japanern in Lederhosen? War es der Moment, als wir am Eröffnungstag der Wiesn auf einem Festwagen mitfahren und Blumen in die Menge werfen durften? Oder doch die erste Maß im Anschluss? Sicher kann ich das nicht mehr sagen... - Lena Schilder

 

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