Von Querköpfen, Vordenkern und Einschmeichlern

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Am 26. Oktober 1962 besetzen Polizei und Staatsanwaltschaft die Redaktionsräume des SPIEGEL in Hamburg. Herausgeber Rudolf Augstein und der stellvertretende Chefredakteur Conrad Ahlers werden vorübergehend festgenommen.Die Regierung von Konrad Adenauer gibt an, es handele sich um eine notwendige Aktion gegen landesverräterische Aktivitäten des Nachrichtenmagazins. Vorangegangen ist ein Artikel des SPIEGEL über das Verteidigungskonzept der Bundeswehr unter Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, der dessen Erfolg bei einem Angriff infrage gestellt hat. Die Aktion wird bei Teilen der Bevölkerung als Angriff auf die Pressefreiheit gedeutet. Innerhalb der nächsten Wochen weitet sich die Affaire zu einer veritablen Regierungskrise zwischen CDU/CSU und FDP aus. Aus Protest gegen Verteidigungsminister Strauß erklären am 19. November 1962 alle fünf FDP-Minister ihren Rücktritt. Am 30. November erklärt dieser dann selbst den Verzicht auf sein Amt. Mitte Dezember kommt es zur neuen Regierungsbildung – der fünften Regierung unter Konrad Adenauer. 

Corbis-Bettmann, New York

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In den 1960er Jahren entwickelt sich der Schriftsteller Heinrich Böll zur moralischen Instanz der Bundesrepublik. Vor allem kämpft er gegen die Einschränkungen menschlicher Freiheit durch politische und öffentliche Systeme.In einem seiner berühmtesten Werke, dem Roman "Ansichten eines Clowns" (1963), zeigt Böll aus der Perspektive eines Außenseiters die problematische Verbindung zwischen Kirche und Politik auf. Kritik an Gesellschaft und Politik übt Böll aber nicht nur in seinen literarischen, "fiktionalen" Texten. In den berühmt gewordenen Frankfurter Vorlesungen, seinem theoretischen Hauptwerk, äußert er sich lautstark über die deutschen Zustände zu Beginn der 60er Jahre: "Die Politiker sollten sich nicht grämen, schon gar nicht beklagen, sie sollten sich fragen, warum es denn keinen einzigen Nachkriegsroman gibt, in dem sich die Bundesrepublik als ein blühendes, fröhliches Land dargestellt findet." In den Vorlesungen bezeichnet Böll die Bundesrepublik als "ein trauriges Land, aber ohne Trauer".Böll erhält 1967 den renommierten Georg-Büchner-Preis und 1972 den Nobelpreis für Literatur.  

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre sind sie das Traumpaar der Society: der Industriellenerbe und Playboy Sachs und die Schauspielerin Bardot. Sie sind im Zentrum des internationalen Jetsets und liefern der Boulevard-Presse immer wieder neue Schlagzeilen. Zum Beispiel solche: Von einem Hubschrauber aus lässt Sachs 1966 tausend rote Rosen der Marke "Brigitte Bardot" auf die Schauspielerin herabregnen und diese willigt kurz entschlossen in den unkonventionellen Heiratsantrag ein. Die Vermählung wird zur Hochzeit des Jahres – auch wenn sie in Las Vegas stattfindet und nur acht Minuten dauert. Die Hochzeitsnacht sollen sie dann auf der Couch des Richters verbracht haben, der sie getraut hat.Nach drei Jahren endet die Ehe des Deutschen mit dem französischen Sexsymbol.   

Corbis-Bettmann, New York

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1960 wird ein Deutscher der schnellste Mann der Welt – und das mit einem neuen Rekord! Beim Leichtathletik-Meeting im Zürcher Letzigrund am 21. Juni 1960 gelingt Armin Hary die Sensation: Im Wiederholungslauf nach einem angeblichen Fehlstart läuft er die 100 Meter in neuer Weltrekordzeit von 10,0 Sekunden – und das auf einer Aschenbahn! Er wird zum Idol jugendlicher Leichtathleten in den 1960er Jahren.Weitere Fotostrecke: Die Ereignisse eines wilden Jahrzehnts

Corbis-Bettmann, New York

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Er ist mitverantwortlich dafür, dass den Amerikanern in den 1960er Jahren der Aufstieg zur Weltraum-Supermacht und 1969 der erste bemannte Flug zum Mond gelingt: der deutsche Raketeningenieur Wernher von Braun. Während des Zweiten Weltkriegs leitet der Sohn des früheren Reichsernährungsministers (1932) Magnus Freiherr von Braun die Raketenversuchsanstalt Peenemünde. Ab 1945 arbeitet er dann in den USA und ist verantwortlich für den Bau und Start des ersten amerikanischen Erdsatelliten (Explorer I) sowie für die Entwicklung der Saturn-Raketen. Als Direktor des NASA Marshall Space Flight Center, Huntsville, und seit 1969 beim NASA-Stab Washington trägt er seinen Teil dazu bei, dass am 21. Juli 1969 ein Mensch erstmals den Mond betritt. Der erste Schritt auf dem Mond ist in der Bundesrepublik wie auf der ganzen Welt ein mediales Großereignis.

Corbis-Bettmann, New York

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Am 22. Januar 1963 unterzeichnen Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in Paris den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Dieser Freundschaftsvertrag, der ursprünglich nur die Form einer Vereinbarung haben sollte, hat zum Ziel, das Ende der "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich zu besiegeln. Kernstück ist die Verpflichtung, sich in außenpolitischen Fragen eng abzustimmen.Der Vertrag wird zur wichtigen Grundlage der deutsch-französischen Aussöhnung, die Bundeskanzler Adenauer immer wieder als ein Hauptziel seiner Außenpolitik bezeichnet.

Corbis-Bettmann, New York

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Am 1. Dezember 1966 kommt es zur ersten Großen Koalition in Deutschland. Bundeskanzler wird Kurt Georg Kiesinger.Auf der einen Seite stützt sich diese Koalition auf die bedeutende Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Bundestagssitze und stellt dadurch eine solide Basis besonders für Gesetzesanträge dar. Doch auf der anderen Seite kann das große Parteienbündnis wegen grundlegender Differenzen zwischen den Parteien von Anfang an nur ein temporäres Konstrukt sein - Kontroversen sind bereits bei Kiesingers Wahl zum Bundeskanzler am 1. Dezember 1966 absehbar.Erste Nagelprobe sind die umstrittenen Notstandsgesetze von CDU/CSU und SPD, die zum Erreichen der vollständigen inneren Souveränität Deutschlands im Notstandsfall greifen sollen, und im Juni 1968 verabschiedet werden.  Im Vorfeld bildet sich mit der so genannten außerparlamentarischen Opposition (APO) eine große Protestbewegung, bestehend aus FDP, Gewerkschaften sowie dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), die den potenziellen staatlichen Machtmissbrauch anprangert. 1968 kommt es zu groß angelegten Aktionen – wie dem Sternmarsch auf Bonn mit über 30.000 Teilnehmern –, doch nach Verabschiedung der Gesetze spaltet sich die Bewegung in Bürgerinitiativen, die Friedensbewegung und auch die Rote Armee Fraktion (RAF).Eine wichtige Aufgabe der Großen Koalition ist die Überwindung der schwerwiegenden wirtschaftlichen Rezession. Durch das "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom 8. Juni 1967 werden staatliche Maßnahmen in Form von Auftragsprogrammen angesichts negativer wirtschaftlicher Entwicklungen festgelegt. Die Ziele für Bund und Länder: Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und wirtschaftliches Wachstum. Die so genannte "konzertierte Aktion" ist ein wichtiger Bestandteil des Stabilitätsgesetzes: Alle am Wirtschaftsprozess beteiligten Institutionen und Gruppen wie etwa Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen treffen sich von 1967 bis 1977 regelmäßig, um ihr Verhalten aufeinander abzustimmen.Mit Willy Brandt als Außenminister weicht Bundeskanzler Kiesinger darüber hinaus die Bestimmungen der Hallsteindoktrin auf: Die Bundesrepublik nimmt diplomatische Beziehungen zu Rumänien und Jugoslawien sowie Handelskontakte mit der CSSR auf. Zudem wird durch einen Briefwechsel zwischen Kiesinger und dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph offiziell Kontakt zwischen den beiden deutschen Staaten hergestellt.

Corbis-Bettmann, New York

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Am 4. Dezember 1964 ist die Premiere von einer der beliebtesten Fernsehshows im ZDF: "Der Goldene Schuss". Im Zentrum steht die berühmte Apfelschuss-Szene aus Friedrich Schillers Drama "Wilhelm Tell": Mit einer Armbrust, die an einer Fernsehkamera befestigt ist, schießen vier Saalkandidaten und vier Fernsehzuschauer auf einen Apfel und später auf eine Zielscheibe. Bei einem Treffer ins Zentrum heißt es jeweils "Der Kandidat hat 100 Punkte". Dieser Ausspruch wird zum geflügelten Wort. Der beste Schütze erhält den Titel "Tele-Tell" und einen Geldbetrag.Die ersten drei Jahre moderiert der holländische Entertainer Lou van Burg die Show, von 1967 bis 1970 der Schweizer Schlagersänger Vico Torriani. Für die musikalische Begleitung der Sendung sorgt Max Greger mit seiner Big Band. Nach 50 erfolgreichen Sendungen stellt das ZDF die Show am 2. Juli 1970 ein.

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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Was sind die 1960er Jahre ohne Leinwandhelden und Sänger wie Peter Alexander? Für viele nicht vorstellbar. Und so wie die Jungen Beatles und Rolling Stones hören, ins Musical "Hair" gehen oder auf der Straße demonstrieren, so sind die anderen ganz verzückt von den Schlagern und den Filmen von Peter Alexander. Alexander, der 1948 das renommierte Max-Reinhardt-Seminar in Wien besucht und danach am Wiener Burgtheater engagiert ist, wird in den 1960er Jahren mit Operetten-Filmen wie "Im weißen Rössl" (1960) und "Die Fledermaus" (1962) sowie Spielfilmen wie "Die Abenteuer des Grafen Bobby" (1961) und "Hurra, die Schule brennt" (1969) zum Star. Zu seinen bekannten Liedern gehören "Der Badewannentango" (1962), "Der letzte Walzer" (1967) und "Delilah" (1968). 

wissenmedia GmbH, Gütersloh

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Nach seinem Erfolg mit dem Roman "Die Blechtrommel" und seinem Engagement in der Gruppe 47 gehört Günter Grass Anfang der 1960er Jahre zu den Stars des Literaturbetriebs. In den nächsten Jahren vollendet er seine Danziger Trilogie mit den Romanen "Katz und Maus" (1961) und "Hundejahre" (1963), engagiert sich politisch und unterstützt gemeinsam mit Heinrich Böll, Siegfried Lenz und Peter Härtling die SPD bei den Wahlkämpfen. Für sein künstlerisches Schaffens erhält Günter Grass am 10. Dezember 1999 in Stockholm den Literatur-Nobelpreis.

Corbis-Bettmann, New York

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Am 11. April 1968 wird Rudi Dutschke, Vorstandsmitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und einer der Führer der Außerparlamentarischen Opposition (APO) bei einem Attentat in Berlin lebensgefährlich verletzt. Eine Stunde nach dem Anschlag überwältigt die Polizei den 23-jährigen Josef Erwin Bachmann, der politische Motive für seine Tat angibt.Der SDS sieht die Politik und die Medien des Axel-Springer-Verlags als geistige Urheber für das Attentat: "Die hemmungslose Hetzkampagne von Berliner Senat und Springer-Presse ... hat alle Oppositionellen zu Freiwild gemacht."Nach dem Attentat demonstrieren über 10.000 Menschen in mehreren deutschen Städten und im Ausland gegen das Verlagshaus Axel Springer. In Berlin kommt es im Springer-Haus in der Kochstraße zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei. In den folgenden Tagen weiten sich die Demonstrationen und Unruhen aus. In München werden die Redaktionsräume der Bild-Zeitung verwüstet; in Hamburg und Frankfurt am Main kommt es zu Protestkundgebungen vor Druckereien und Gebäuden des Springer-Verlags.Weitere Fotostrecke: Die Ereignisse eines wilden Jahrzehnts 

Corbis-Bettmann, New York