9/10
Deutschland im Dezember: Die Weihnachtseinkäufe bereiten Stress, Glatteis und Schnupfen machen uns das Leben schwer, Gründe zum Ärgern gibt es genug. Während wir uns hier mit dem alltäglichen und saisonalen Kleinkram herumplagen, geschehen in Ägypten – dem Land, aus dem mein Vater kommt – Ereignisse eines ganz anderen Kalibers. Die Revolution von 2011 hat eine üble Wendung genommen, die Islamisten haben im Eilverfahren eine Verfassung geschrieben, die religiösen Eiferern den Weg in die Politik bereiten könnte, der Traum von Demokratie und Pluralismus ist in dem schönen Land am Nil in weite Ferne gerückt. Meine Familie tauscht über mehrere Kontinente hinweg per E-Mail Zeitungsartikel aus und diskutiert die düsteren Zukunftsoptionen für Ägypten.
Was hat das alles mit guten Vorsätzen zu tun? Das kommt jetzt: Meine wichtigste Informationsquelle seit der ägyptischen Revolution ist Twitter. Hier verfolge ich, was Journalisten, Aktivisten und auch die Gegenseite zu sagen haben, erhalte Links zu interessanten Zeitungsartikeln und Videos. Mein Problem dabei: Ich verstehe nur die englischen Tweets, aber fast alle schreiben auf Arabisch. Ich habe mich zwar durch mehrere Semester Arabisch an der Uni gequält und in Ägypten an einigen Sprachkursen teilgenommen, aber letztlich reichen meine Sprachkenntnisse gerade mal so weit, dass ich einem Taxifahrer sagen kann, wo ich hin will. Bei Witzen verstehe ich alles bis auf die Pointe. Ich weiß, worüber geredet wird, aber nicht, was darüber gesagt wird. Es hat mich mein Leben lang geärgert, dass ich nicht zweisprachig aufgewachsen bin. Und in diesen turbulenten Tagen kommt der ganze Ärger wieder hoch, weil ich mich zugehörig fühle, aber nicht mitreden kann. Damit ist jetzt Schluss: Ich werde mich also nächstes Jahr noch mal hinsetzen, Arabisch lernen, bis es irgendwann flüssiger geht, und jeden Tag ein paar neue Tweets entziffern. Und dann fahre ich vielleicht nach Ägypten und diskutiere mit den Taxifahrern die Lage im Land.
Alexandra Mankarios, freie Autorin