Von störrischen Himmelsflüssen und ertränkten Brüdern
Agnes von Bernau gehört zwar nicht ins Reich der Sagen und Legenden. Das Leben und vor allem der gewaltsame Tod dieser unglücklichen Tochter eines Augsburgers Baders ist historisch verbürgt. Doch wurde diese unbescholtene Frau als Hexe denunziert. Dieser schwarze Mythos bedeutete für viele Frauen im Mittelalter den sicheren Tod. So auch für Agnes Bernauer. Zum Hintergrund: Um 1432 vermählte sich Albrecht III., der einzige Sohn des oberbayerischen Herzogs Ernst Albrecht, heimlich mit Agnes, die ihm nicht standesgemäß war. Die beiden lebten ungestört zusammen, bis im September 1435 der Bruder des regierenden Wittelsbacher-Herzogs starb und Albrecht dadurch in der Erbfolge auf den ersten Platz vorrückte. Dies veranlasste seinen Vater, den Herzog Ernst Albrecht, dafür zu sorgen, dass sein Sprössling nun endlich standesgemäß heiraten und einen Erben zeugen würde. Agnes Bernauer stand den Plänen ihres Schwiegervaters dabei natürlich im Weg. Kurzerhand verleumdete dieser sie als Hexe und ließ sie in der Donau in der Nähe von Straubing ertränken. Ab ihrem Todestag, dem 12. Oktober 1435, befand sich Albrecht III. auf Hirschjagd. Ein Jahr später heiratete der Witwer pflichtgemäß die Tochter des Herzogs von Braunschweig. Schon im Juli 1438 wurde er Herzog von Oberbayern.Viel weniger grausam, eher wie ein Wunder mutet dagegen die Legende an, die man sich über die Marienkapelle in Sossau an der Donau erzählt. Diese soll nämlich von Engeln auf ein Schiff verladen und über die Donau gesetzt worden sein, nachdem die Gottesmutter aus der ursprünglich in Antenring erbauten Kapelle geflüchtet war. Gewalt und Verwüstung unter römischer Besatzung hatten Maria vertrieben. Nach der Intervention der Engel stand die Marienkapelle in Sossau, wo das Frauenglöckerl vom Wunder der Engel kündete. Ein Fundament konnte man bei Nachuntersuchungen im 18. Jahrhundert übrigens nicht finden ...
Der Nil ist mit seinen 6671 Kilometern und einem Einzugsgebiet von über 2,8 Millionen Quadratkilometern der längste Fluss der Erde. Und natürlich ranken sich um diesen gewaltigen Strom Äpytens viele Legenden. Eine der bekanntesten dreht sich um den ägyptischen Gott Osiris, den Gott des Ackerbaus und Wahrer der Ordnung. Der Mythos erzählt, dass Osiris von seinem Bruder Seth in den Nil gestoßen wurde. Darüber, wie genau Seth den Tod seines Bruders verursacht hat, gibt es viele Versionen. Einmal soll er, um den unschuldigen Bruder anzugreifen, die Gestalt eines Krokodils oder Flusspferds angenommen haben. Nach einer weiteren Version verwandelte sich Seth in einen Stier und trampelte Osisris zu Tode. Das Vorderbein des Stiers, unter dem Osiris starb, wurde später von dessen Sohn Horus abgeschnitten und in den Himmel geworfen, wo es ein Teil der Sternenkonstellation des Großen Bären wurde. Einer anderen, späteren Überlieferung zufolge wurde Seth ein kleines Insekt - vielleicht eine Mücke - und tötete Osiris durch einen Stich in den Fuß. Sicher ist: Osiris stirbt und seine Schwester und Gattin Isis sowie deren Schwester Nephthys können nur noch seine Leiche aus dem Nil bergen. Während Osiris die Herrschaft im Totenreich antritt, besteigt Osiris' und Isis' Sohn Horus den Thron der Lebenden. Nach einer jüngeren Version der Legende hat Seth seinen Bruder Osiris sogar zerstückelt; doch Isis sammelte die Leichenteile und belebte ihren Gatten wieder, sodass sie von Osiris ihren Sohn Horus empfangen konnte, den sie in den Deltasümpfen aufzog. Später besiegte Horus den Mörder seines Vaters und trat als sein Erbe das Königtum an, während Osiris fortan im Totenreich regierte.
Tatsächlich hat es Jahrmillionen gedauert, bis der Colorado River den Grand Canyon ins farbenprächtige Felsplateau Nordarizonas gegraben hatte. Die Navajo-Indianer glauben jedoch an eine ganz andere Entstehungsgeschichte des 450 Kilometer langen und bis zu 1800 Meter tiefen Grand Canyons. Die Ursprungslegende der Navajos erzählt von gigantischen Regenfällen, die das Land ihrer Vorfahren überfluteten. Das Wasser stieg über einen langen Zeitraum immer höher und höher - die Menschen drohten zu ertrinken. Erst in allerletzter Minute und wie durch ein Wunder entstand im Boden eine riesige Ablaufrinne: der Grand Canyon. Die Indianer überlebten die Sintflut, indem sie sich kurzzeitig in Fische verwandelten. Bis heute essen viele Navajos keinen Fisch. Diesen Verzicht üben sie aus Dankbarkeit für die Rettung ihres Volkes. Außerdem glauben sie, dass in den Fischen die Seelen ihrer Vorfahren weiterleben.
Schon der Name des Amazonas, des wasserreichsten Flusses der Welt, der sich über 6437 Kilometer vor allem durch brasilianischen Busch windet, ist mit einer Legende verknüpft: Der spanische Conquistador Francisco de Orellana, der im Februar 1541 in Quito aufbrach, um das sagenhafte Reich "El Dorado" zu suchen, und der 1542 als erster Europäer den Urwaldfluss befuhr, berichtete später von einem Plünderungsversuch seines nur noch aus knapp 60 Männern bestehenden Erkundungstrupps, bei dem sie von Einheimischen zurückgeschlagen worden seien. Weißhäutige, große Frauen seien unter den einheimischen Kämpfern gewesen, schilderte der Chronist Gaspar de Carvajal, die bis auf die bedeckte Scham völlig nackt, mit Pfeil und Bogen ausgestattet gewesen seien und besser als zehn männliche Indianer gekämpft hätten. Die Reminiszenz an die Amazonen aus Homers Ilias ist unübersehbar. Da die Schilderung von dem kämpferischen Frauenvolk immer wieder wiederholt wurde, war es nicht weiter verwunderlich, dass der Fluss, den Orellana eher zufällig entdeckt hatte, bald el "Río de las Amazonas" genannt wurde, also der "Fluss der Amazonen".Dass sich die spanischen Eroberer überhaupt auf den gefährlichen Weg in das Amazonasgebiet machten, war wiederum mit einer anderen Legende verknüpft. Mit der des "El Dorado", des Landes, in dem es Gold und Edelsteine in rauen Mengen geben und das irgendwo in dem östlich der Anden gelegenen Dschungel zu finden sein sollte. Genährt wurde dieser Mythos durch die Erzählung eines Indianers, die die Gier der Conquistadoren weckte. Danach soll ein Indianervolk an einem heiligen See gelebt haben, das immer, wenn es einen neuen König krönte, diesen über und über mit Goldstaub übergoss, so dass er leuchtete wie die Sonne. "El dorado" heißt übersetzt nichts anderes als "der Vergoldete". Zum Klang von Flöten und Muschelhörnern glitt der neue Herrscher dann auf einer prunkvollen Barke auf den See hinaus, wo seine Begleiter eine Schale mit Saphiren und Diamanten, mit Schmuck aus Gold und Silber in die Höhe wuchteten – und als Opfer für die Götter ins tiefe Wasser hinabstürzten. Dass die Spanier sich diese Göttergabe unter den Nagel reißen wollten, bezahlten sie, aber auch die Indios mit vielen, vielen Todesopfern. Keine der verlustreichen Expeditionen war erfolgreich: "El Dorado" existiert nach wie vor nur im Reich der Legenden.