Lexikon

Armut

Zustand, in dem Menschen wegen fehlender Mittel ihre Grundbedürfnisse nicht voll befriedigen können. Armut wird nicht erstrebt, sondern erlitten. Das unterscheidet sie von der Askese. Armut trifft Einzelne oder ganze Gruppen. In ihrer krassesten Form verbinden sich mit Armut Hunger, Verelendung und Tod. Spannung, aber auch Hoffnung erlangt Armut aus dem Entgegengesetzten, dem Reichtum als dem fernen entgegengesetzten Ziel. Da es in den unterschiedlich differenzierten Gesellschaften keine Übereinkunft darüber gibt, was zu den Grundbedürfnissen zählt, allein das zum physischen Überleben Notwendige oder auch noch das, was gesellschaftsüblichen Mindeststandards entspricht, ist Armut ein vieldeutiger Begriff.
Dennoch wird versucht, verschiedene Ausprägungen der Armut zu messen, indem man die absolute Armut von der relativen Armut unterscheidet. Als absolut arm gilt jemand, wenn er aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, ein angemessenes, d. h. am jeweils gültigen Existenzminimum orientiertes Leben zu führen. Von absoluter Armut Betroffene haben auf längere Sicht mit schweren physischen Schäden zu rechnen. Nach Angaben der Weltbank lebten Anfang des 21. Jh. weltweit etwa 1,2 Mrd. Menschen in absoluter Armut, d. h. sie mussten mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen; allein zwei Drittel davon sind in Schwarzafrika und Südasien betroffen gewesen. Relative Armut bezeichnet dagegen einen Mangel im Vergleich zur Lebenssituation anderer Gesellschaftsmitglieder. Verglichen wird dabei mit einem in einer Gesellschaft gültigen Versorgungsdurchschnitt, wobei der jeweilige prozentuale Abstand zu diesem Durchschnitt gemessen wird. Als Messgrundlage dient regelmäßig das Einkommen einer Person oder eines Haushalts. In der Europäischen Union werden solche Haushalte als arm definiert, deren Nettoeinkommen weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommens in einem Land beträgt.
Von Armut sind besonders folgende Bevölkerungsgruppen betroffen: ältere Menschen, allein erziehende Mütter, Kinder und Jugendliche, Behinderte und soziale Randgruppen. Eine häufige Ursache von Armut sind Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildungsmöglichkeiten. Zur Bekämpfung von Armut in Entwicklungsländern dienen Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums, zur Verbesserung des Gesundheitswesens und der Geburtenkontrolle.
Während es individuelle Armut immer und überall gegeben hat, kann massenhaft auftretende Armut vor allem als Begleiterscheinung sich wandelnder Gesellschafts- und Wirtschaftsformen gewertet werden, sie wird jedoch nicht immer zwingend von ihr hervorgerufen. Die Meinung, dass die Armut im beginnenden Industriezeitalter durch das aufkommende Maschinenwesen verursacht worden sei, ist weit verbreitet. Dennoch deckt sie sich nicht mit den Erkenntnissen der modernen Geschichtsforschung. Übersehen wurde, dass die Lebenslagen der Menschen in der vorindustriellen Zeit weitgehend von Ernte- und Bevölkerungsschwankungen bestimmt worden sind, dass Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland wie auch in Mitteleuropa herrschten. In durch Missernten verursachten Teuerungszeiten reichte oftmals die Kaufkraft der unteren Schichten der Bevölkerung nicht einmal zur Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Nahrungsmitteln, und Teuerung bewirkte stets auch Massenarbeitslosigkeit. Mit der im 18. Jh. einsetzenden Bevölkerungsexplosion sank bei nicht in gleicher Weise vermehrbaren Ernteerträgen die Kaufkraft der Masseneinkommen auf sehr niedrige Niveaus. Ausbleibende Ernten in den siebziger Jahren des 18. Jh. und zu Beginn des 19. Jh. (1803/04; 1816/17) führten zu jenem Massenelend, das mit dem Begriff Pauperismus umschrieben wurde. Nach inzwischen herrschender Meinung schuf erst die Industrialisierung jene Arbeitsplätze (und bewirkte zugleich die Verbesserung der Produktivität in der Landwirtschaft), die Rettung vor einer Verelendungskatastrophe bedeuteten, wenngleich auch hier zunächst nur Einkommens- und Arbeitsverhältnisse möglich wurden, die eine Lebensführung am Rande des Existenzminimums gestatteten.
Kontext
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