Die dicken Jacken haben ausgedient, die Temperaturen erreichen angenehme Höhen, die Menschen lechzen nach Sonnenstrahlen und Erfrischung. Und die Eissaison beginnt! Was genau ist eigentlich Speiseeis? Hier eine lexikalische Definition: „Eis – in Eismaschinen hergestellte Mischungen aus Wasser, Milch, Fruchtsäften, Eiern, Aromastoffen und Bindemitteln wie Stärke oder Tragant.“ Mmh, klingt für so einen himmlischen Gaumengenuss eigentlich ziemlich verstaubt, oder? Wir gehen der eisigen Sache darum mal auf den Grund und verfolgen das „Eisige Vergnügen“ von seinen Anfängen bis heute.
Ein eisiges Vergnügen
Wer erstmals künstlich Speiseeis hergestellt hat, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Vermutlich war es 1530 ein Zuckerbäcker in der sizilianischen Stadt Catania. Lange war die süße Schleckerei Adel und wohlhabenden Bürgern vorbehalten. Heute hingegen gehört das Eis für Groß und Klein zu einer der schönsten Nebensachen der Welt. Der Patissier Buentalentis machte 1533 die Hochzeit von Katharina von Medici durch seine Fruchtsorbets zum kulinarischen Erlebnis. In der Folgezeit blieb der Eisgenuss in Europa noch lange ein Privileg der Fürstenhöfe. Erst 1672 bot das Pariser Café Procope des Italieners Francesco Procopio dei Coltelli auch der Allgemeinheit Eisspezialitäten an. Zu den Kunden des Hauses gehörten später auch Voltaire, Diderot, Rousseau und Napoleon Bonaparte.
Die Geschichte des »natürlichen« Speiseeises reicht allerdings viel weiter zurück. Als Marco Polo 1292 von einer Asienreise nach Venedig heimkehrte, brachte er als Geschenk des Mongolenfürsten Kublai-Khan ein Rezept für Gefrorenes mit. Er berichtete auch, dass die Chinesen angeblich schon 3000 Jahre zuvor aus Milch, Wasser und Früchten mithilfe von Schnee Speiseeis hergestellt hatten. Bekannt war solches Eis auch im antiken Europa. Die griechische High Society schätzte »Schnee vom Olymp«, mit Honig, Fruchtsäften und Wein verfeinert, als »Götterspeise«. Im antiken Rom veredelte man Schnee mit Honig, Zimt, Rosenwasser und Veilchen und garnierte das Ganze dann mit Mandeln, Datteln und Feigen. Kaiser Nero besaß einen größeren Eisvorrat aus Gipfelschnee in holzverkleideten Erdgruben. Auch als Speiseeis im 18. Jahrhundert mit einer Salpeter-Kältemischung gefroren werden konnte, blieb die Produktion gering. Noch 1759 hielt Goethes Mutter es für unmöglich, dass »der Magen ein wahrhaftes Eis vertragen könne«. Ihr berühmter Sohn musste seiner Leidenschaft für Himbeereis daher heimlich frönen. Erst der Schriftsteller Fürst von Pückler-Muskau machte Speiseeis im 19. Jahrhundert auch in Deutschland salonfähig.
Beginn der Massenproduktion
Als erster Speiseeishersteller großen Stils ging US-Präsident George Washington in die kalten Annalen ein. Er produzierte auf seinem Gut Mount Vernon mit einer 1790 von der amerikanischen Hausfrau Nancy Johnson entwickelten Maschine Eis für seine zahlreichen Gäste. In großkommerziellem Stil erzeugte erstmals 1851 Jacob Fussell in Baltimore Speiseeis. Während er noch auf Salpeter-Kältemischungen zurückgreifen musste, begann mit Carl von Lindes Kühlmaschinen-Patent 1876 eine neue Ära der Fabrikation. Die Herstellung und Lagerung gelang nun unabhängig von Wettereinflüssen, das Produkt war zudem weitaus hygienischer. In der Heimat des Erfinders, in Deutschland, begann die industrielle Eisfabrikation allerdings erst 1925.
Eis wird mobil mit Waffel und Stiel
Am 9. Oktober 1923 meldete der Amerikaner Harry Bust in Ohio ein Patent für so genannte Rahmeislutscher an. Heute ist seine Erfindung - nichts anderes als ein Eis am Stiel - nicht mehr wegzudenken. Bust gebühren zweifelsfrei die Meriten als Erfinder der praktischen Leckerei, obwohl sein Landsmann Frank Epperson die Pioniertat lange Zeit für sich beanspruchte: Der Limonadenhändler aus Kalifornien soll in einer frostigen Nacht einen Löffel in einem halbvollen Glas Limonade auf dem Fensterbrett vergessen haben. Am nächsten Morgen fand er einen klebrig-süßen Eis-Lolly vor. Zu dieser Zeit waren die Eiswaffeln schon lange bekannt. Im Jahr 1903 hatte der Italiener Italo Marcioni in den USA ein Patent auf Waffeln erhalten, in die er eine Mulde für das Eis einließ. Ein Jahr später kam der Syrer Hamwi in St. Louis auf die glorreiche Idee, Waffeln zu Tüten zu formen und das Eis hineinzufüllen.
Für jeden Geschmack etwas
Das Lager der Eisliebhaber ist von jeher gespalten in die Fruchteis- und die Milcheisfans. Die immer wieder gestellte Frage, ob das eine gesünder als das andere sei, spielt für wahre Genießer keine Rolle. Sie erfreuen sich an immer ausgefalleneren Geschmackskreationen. Die Herrschaft der Fürst-Pückler-Eisrolle aus Vanille, Erdbeer und Schokolade ist längst vorbei. Champagner, Trüffel, Nougat oder spezielle Winterspezialitäten wie Zimt- und Apfelstrudeleis sind die neuen Renner.
Cremeeis ist nicht gleich Eiscreme
Und hier noch ein paar wissenswerte Fakten rund um das Eis in Deutschland, entnommen den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches für Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse. Ja, so etwas gibt es. Demnach enthält Cremeeis mindestens 50 % Milch und auf 1 Liter Milch mindestens 270 Gramm Vollei oder 90 Gramm Eigelb. Die Eiscreme hingegen enthält mindestens 10 % Milchfett. Rahmeis wiederum hat einen Milchfettanteil von mindestens 18 % aus der verwendeten Sahne, dem Rahm. Fruchteis enthält einen Fruchtanteil von mindestens 20 %, während das vor allem bei Kindern beliebte Wassereis einen Fettgehalt von weniger als 3 % hat. Alles klar? 2006 wurden nahezu 80 % des in Deutschland verkauften Speiseeises industriell hergestellt, 17 % stammten aus gewerblicher Herstellung (wurden also in Eisdielen und in der Gastronomie produziert) und 3 % waren Softeis. Und den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Speiseeis im europäischen Vergleich haben, nein, Irrtum, nicht die Italiener, sondern die Finnen mit 14,7 Litern Speiseeis pro Kopf. Überhaupt: die Skandinavier machen die ersten vier Plätze unter sich aus, gefolgt von den Deutschen und - den Italienern!
Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion