Lexikon
Silụr
[
das; nach dem Volksstamm der Silurer in Wales
]Vor 440–420 Mio. Jahren: Das Untersilur
Um 440 Mio.
Die makroskopischen Algen entwickeln sich weiter. Zu ihnen zählen Rotalgen (Solenoporaceen, Corallinaceen) und Grünalgen (Codiaceen, Dasycladaceen). Viele ihrer Arten sind in der Lage, Kalk abzuscheiden und wirken infolgedessen riffbildend. Bereits im frühesten Silur erreichen die makroskopischen Algen eine Evolutionsstufe, die sie auch heute noch einnehmen.
Unter den Kieferlosen (Agnatha), frühen Verwandten der Fische, entwickelt sich neu die Klasse Cephalaspidomorpha, zunächst mit der Unterklasse Anaspida, die im Oberdevon (375–360 Mio.) wieder ausstirbt. Die Anaspida haben spindelförmige Körper, die von Längsreihen aus schmalen, hohen Aspidin-Platten umgeben sind. Aspidin ist eine Skelettsubstanz ohne Knochenzellen. Das Innenskelett der Anaspida ist knorpelig.
Als wohl erste Klasse der echten Fische (Pisces) erscheinen die Stachelhaie (Acanthodii). Sie besitzen ein Außenskelett aus Knochensubstanz und sind wahrscheinlich die Vorfahren der Knochenfische. Ihre Hauptverbreitung fällt ins Unterdevon (410–390 Mio.). Im Perm (290–250 Mio.) sterben sie wieder aus.
440–435 Mio.
Die so genannte takonische Gebirgsbildung, eine Phase der großen weltweiten kaledonischen Orogenese, geht zu Ende. Ihr verdanken u.a. die Gebirge Spitzbergens, der skandinavischen Hochregionen und Westeuropas (Irland, Schottland, Brabant), Grönlands, Neufundlands und der nördlichen Appalachen (Nordamerika) ihre Entstehung.
440–430 Mio.
In Nordafrika setzt sich die schon im Ordovizium (500–440 Mio.) eingetretene Vereisung fort. In Südafrika herrscht die Tafelberg- oder Pakhuis-Vereisung. Möglicherweise sind die beiden ausgedehnten Gletschergebiete in Form einer Vereisung, die auch Zentralafrika umfasst, miteinander verbunden.
440–420 Mio.
Die Fische sind bereits mit einzelnen Klassen vertreten und werden nacheinander spätestens bis zum Obersilur belegbar. Neben der seit dem Oberkambrium (520–500 Mio.) bekannten Klasse Pteraspidomorpha der fischartigen Kieferlosen (Agnatha) treten ab dem Silur die Cephalaspidomorpha mit den Unterklassen Osteostraci und Anaspida hinzu. Verbreitet im Untersilur sind auch bereits die so genannten Stachelhaie (Acanthodii), einfach gebaute Fische mit einem verknöcherten Außenskelett. Sie sind keine echten Haie.
Fossil lassen sich erstmals Flagellaten nachweisen; das sind 5 bis 2000 μm große pflanzliche oder tierische Einzeller mit meist zwei Geißeln. Vermutlich existieren sie schon seit dem Präkambrium (4000–590 Mio.). Zusammen mit den Dinoflagellaten bilden sie einen Teil der als »Stacheleier« (Hystrichosphäroideen) bezeichneten Zysten des Meeresplanktons.
440–410 Mio.
Leitfossilien des Silurs sind in erster Linie Korallen (Anthozoa), Armfüßer (Brachiopoda), die zu den Kopffüßern zählenden Nautiloidae, Trilobiten, Schalen- oder Muschelkrebse (Ostracoda) und besonders Graptolithen.
Während des gesamten Silurs herrscht in vielen Gebieten der Welt kräftiger Vulkanismus, vor allem auch Plutonismus (Eindringen von glutflüssigen Magmen in tiefere Bereiche der Erdkruste).
Im Meeresgebiet zwischen Queensland (Australien) und Tasmanien bilden sich mächtige Korallenriffe mit einer Gesamtlänge von über 2500 km, die mit dem heutigen Großen Barriereriff vergleichbar sind.
Das Klima ist in den meisten Teilen der Welt feuchtwarm, in einzelnen Regionen auch trockenheiß. – Klimabedingt kommt es zu dieser Zeit in Nordamerika und Sibirien zur Entstehung bedeutender Salzlager.
Das Silur ist von einer Vorherrschaft des Meeres über das Festland (Thalattokratie) geprägt. Erst gegen Ende dieser erdgeschichtlichen Ära zeigen sich Tendenzen eines Meeresrückzuges. Besonders in Nordamerika kommt es dabei zur Entstehung ausgeprägter Dürregebiete, in denen sich Gips- und Steinsalz ablagern.
Von starker Riffkalkbildung sind die schwedische Insel Gotland, Nordamerika (Niagara-Riffe), gegen Ende des Silurs auch der Norden Asiens und Nordwestpakistans geprägt. Die Schichten sind oft reich an Erdöllagern.
In Südamerika lagern sich in weiten Gebieten Sande ab, die sich zu Sandstein verfestigen.
In Asien kommt es weiträumig zu maritimen Ablagerungen (Graptolithen führende Tone, Korallen- und Brachiopodenkalke).
Auf der osteuropäischen Tafel setzt sich die schon im Ordovizium (500–440 Mio.) eingeleitete Schelfmeeresentwicklung fort, bei der sich flache Meerwassergebiete ausbilden.
Auf der russischen Tafel und in Sibirien kommt es infolge trockenheißen Klimas durch die Verdunstung gewaltiger Wassermassen in flachen Meeresbecken zur Ablagerung mächtiger Evaporitschichten, das sind salzhaltige Eindampfungsgesteine.
440–390 Mio.
Braunalgen (Phaeophyta), die sich von den heute lebenden Braunalgen wesentlich unterscheiden, besiedeln flache Meeresgebiete. Es sind meist festsitzende Lagerpflanzen, bei denen der braune Farbstoff Fucoxanthin das Chlorophyll überdeckt. Die auch im Devon (410–360 Mio.) vorkommenden Braunalgen (Prototaxitaceae) können erhebliche Größen erreichen und Stängel von mehr als 20 cm Stärke ausbilden.
440–360 Mio.
In den Meeren leben weit verbreitet Thelodontia. Sie repräsentieren eine Ordnung der fischähnlichen Kieferlosen (Agnatha). Der Körper der Thelodontia ist mit kleinen Schuppen besetzt. Fossil finden sich im Obersilur und Devon (410–360 Mio.) häufig die für sie typischen Hautzähne mit einer Krone aus Zahnbein (Dentin) und Zahnschmelz (Durodentin). Charakteristisch für die Thelodontia sind eine deutliche Abgrenzung von Kopf und Rumpf sowie eine asymmetrische Schwanzflosse.
440–250 Mio.
Die Stachelhäuter der Klasse Knospenstrahler (Blastoidea) bevölkern die Meere. Die Körper dieser meist gestielten, am Boden festsitzenden Tiere bestehen aus 18 bis 21 kreisförmig angeordneten Platten. Im Perm (290 bis 250 Mio.) sterben die Knospenstrahler wieder aus.
Die Seelilien und Haarsterne (Crinoidea) haben ihre Hauptblütezeit und entwickeln eine Vielfalt neuer Formen. Gegen Ende des Perms (290–250 Mio.) geht die Verbreitung dieser zu den Stachelhäutern zählenden Meerestiere wieder zurück.
430–420 Mio.
Es herrscht eine geomagnetische Periode mit vorwiegend reverser Polung, d.h. die Lage der magnetischen Erdpole ist gegenüber den heutigen Verhältnissen meistens umgekehrt.
Um 420 Mio.
Nur unwesentlich später als die Stachelhaie (Acanthodii) erscheinen mit den Knochenfischen (Osteichthyes) weitere Vertreter aus der Klasse der echten Fische, die sich ab dem Obersilur (420 Mio.) sprunghaft verbreiten. Sie gehören zu den Kiefermäulern (Gnathostomata), deren Vorfahren nicht die Kieferlosen (Agnatha) sind.
Die ersten Spinnentiere (Arachnida) treten in Erscheinung. Sie gehören zu den Gliederfüßern (Arthropoda), besitzen einen deutlich zweigegliederten Körper und verfügen über acht Laufbeine. Die wohl frühesten Spinnentiere sind die räuberisch lebenden Meeresskorpione, die mitunter eine enorme Größe erreichen.
Die Kopffüßer-Ordnungen Ascocerida und Tarphycerida, die beide seit dem Ordovizium (500–440 Mio) nachgewiesen sind, sterben aus.
Vor 420–410 Mio. Jahren: Das Obersilur
420–410 Mio.
In Australien lagern sich mehrere tausend Meter mächtige Ton-, Sandstein- und Karbonatgesteinsschichten ab. Der Prozess setzte bereits im Untersilur (440–420 Mio.) ein.
In Mittel-, West- und Südeuropa setzt sich die intensive Sedimentbildung in Flachwassermeeren (Schelfmeeren) fort, die im Untersilur (440–420 Mio.) begann.
Das Klima ist überwiegend warm bis heiß und in weiten Teilen der Welt trocken. Ausnahmen bilden nur der afrikanische Kontinent südlich des Atlasgebirges und der Osten Südamerikas. Sowohl in Afrika wie in Südamerika herrscht kaltes Klima, wenngleich die noch bis ins mittlere Untersilur (etwa bis 430 Mio.) reichenden Vereisungen in diesen Gebieten nicht fortbestehen.
Die Festlandmassen der Erde verteilen sich auf zwei Großkontinente, einen Nord- und einen Südkontinent.
Mit blattlosen und ab Unterdevon (410–390 Mio.) auch sehr kleinblättrigen Formen fassen die Pflanzen auf dem Festland in größerem Umfang Fuß. Es handelt sich dabei um so genannte Nacktpflanzen (Psilophytales), einfachste, nur wenige Dezimeter hohe Sporen erzeugende Kormophyten.
Mit der Besiedlung des Festlandes durch Landpflanzen sind die Voraussetzungen für die ersten größeren (wirtschaftlich verwertbaren) Kohlelagerstätten gegeben. Sie bilden sich in küstennahen Becken mit oberflächennahem Grundwasserspiegel oder in Mooren. Vorstufe der Kohle ist der Torf.
Als erstes tierisches Lebewesen verlässt der Skorpion Palaeophonus nuncius das Meer und lebt – zumindest zeitweise – auf dem Festland. Voraussetzung für sein Landleben ist die Besiedlung küstennaher Feuchtgebiete durch erste Landpflanzen.
In den Meeren treten in großen Mengen Kopffüßer der Familie Orthoceras auf. Sie gehören zur seit dem Ordovizium (500–440 Mio.) verbreiteten Ordnung Orthocerida mit langkegeligem, gerade gestrecktem (orthoconem) bis schwach gekrümmtem (cyrtoconem) Gehäuse.
Ihre bedeutendste Blütezeit erleben unter den Kopffüßern die Nautilus-Arten, Verwandte des heute existierenden »Perlbootes«.
Weit verbreitet ist die Seelilie Scyphocrinites excavatus aus dem Stamm der Stachelhäuter (Echinodermata). Ihr birnenförmiger Kelch kann eine Höhe von etwa 70 cm erreichen.
In den Meeren der warmen Zonen nimmt die Zahl der Korallenarten- und individuenmäßig sprunghaft zu. Sie binden in großen Mengen Kohlendioxid und produzieren Kalkstein. Zwar handelt es sich um heute ganz ausgestorbene Ordnungen, doch bricht die intensive Riffbildung durch Korallen bis heute nicht mehr ab.
Durch untermeerischen Vulkanismus und Plutonismus auf und in den Meeresböden kommt es zu umfangreichen Bildungen von Erzlagern und fossilen Kohlenwasserstoffen. Entsprechende Lagerstätten bilden sich in allen Erdzeitaltern mit kräftigem Geosynklinalvulkanismus oder in so genannten Riftgebieten, wo neuer Ozeanboden entsteht. Auch Eintragungen von Erosionsmassen durch die vom Festland in das Meer strömenden Flüsse sind als weitere Ursache der vermehrten Lagerstättenbildung zu erkennen.
Es herrscht eine geomagnetische Phase mit häufig wechselnder Polung, d.h. magnetischer Nord- und Südpol tauschen mehrfach ihre Positionen gegeneinander aus.
420–360 Mio.
In den Meeren leben weit verbreitet Osteostraci. Sie repräsentieren eine Unterklasse der fischähnlichen Kieferlosen (Agnatha). Der Knochenpanzer, der ihren Kopf und den ganzen Vorderkörper bedeckt, trägt oberflächliche Zähnchen aus Zahnbein (Dentin) und Zahnschmelz (Durodentin). Der hintere Teil des Körpers ist von ziemlich großen, einander überlappenden Schuppen bedeckt.
420–300 Mio.
Mit der Pflanzenordnung Archaeolepidophytales treten erste Mitglieder der Klasse der Bärlappgewächse (Lycopodiales) in Erscheinung.
420–250 Mio.
Vertreter der Kopffüßer-Unterklasse Bactritoidea kommen in allen Flachmeeren der Welt vor. Sie nehmen eine systematische Zwischenstellung zwischen Nautiloideen (zu denen sie von manchen Paläozoologen gezählt werden) und den Ammoniten (Ammonoideen) ein. Die ersteren sind wahrscheinlich ihre Vorfahren, die letzeren stammen offenbar von ihnen ab.
Um 418 Mio.
Das Gebirgssystem der Ardennen faltet sich auf. Damit findet die große kaledonische Gebirgsbildungsära ihren Abschluss.
415–410 Mio.
Das Meer zieht sich allenthalben vom Festland zurück. Große Flachmeeresgebiete (Schelf und Epikontinentalmeere) verlanden.
Um 410 Mio.
An der Grenze Silur/Devon tritt erstmals die Mitteldeutsche Schwelle, ein sich hebender Landrücken im europäischen Geosynklinalmeer, in Erscheinung.
Die seit dem Kambrium (590–500 Mio.) vertretene Klasse Eocrinoidea aus dem Stamm der Stachelhäuter (Echinodermata) stirbt aus. Es handelt sich um sesshafte, fünfstrahlig symmetrische Meerestiere mit einem runden Körper aus regelmäßig angeordneten Platten und einfachen Armen.
Erdzeitalter
Erdzeitalter
© wissenmedia
Wissenschaft
Das Rätsel um den Ursprung
In der Evolutionslinie des modernen Menschen klaffen kolossale Lücken. Und weder der zeitliche Beginn ist gewiss noch die Herkunftsregion. von THORWALD EWE Jeder heute lebende Mensch ist der vorläufige Endpunkt einer langen Reihe von Vorfahren. Wo sich diese Ahnenreihen in ferner Vergangenheit treffen, müsste logischerweise...
Wissenschaft
Kernkraft, Kernkraft überall
Ich rede gerne und oft über Kernkraft. Neu ist, dass die Leute mir dabei zuhören. Kernkraft ist kein Tabuthema mehr, selbst in Deutschland nicht. Das erste Kernkraftwerk wurde 1954 in der damaligen Sowjetunion in Betrieb genommen. In den folgenden 50 Jahren nahm die durch Kernkraftwerke produzierte Energie weltweit stetig zu....