Daten der Weltgeschichte

Weltweite Entkolonialisierung 19571980

Der Prozess der Entkolonialisierung, der Befreiung der Länder und Völker der Dritten Welt von kolonialer Vorherrschaft, ist heute nahezu abgeschlossen. Der Befreiungsprozess nahm verschiedene Formen an, von der begrenzten Zusammenarbeit mit den Kolonialherren über den gewaltfreien Widerstand bis zum Guerillakrieg. Dennoch bestehen heute vielfältige Formen der indirekten, vor allem wirtschaftlichen Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien von den Industriestaaten.

Das Ende der Kolonialreiche

Die beiden Weltkriege und der mit ihnen einhergehende Macht- und Prestigeverlust der imperialistischen Mächte leitete die Befreiung der Völker Afrikas und Asiens von den verschiedenen Formen der Bevormundung ein. Im Rahmen des Mandatssystems des Völkerbunds stellten die Kolonialmächte nach 1918 die Unabhängigkeit ihrer überseeischen Besitzungen prinzipiell in Aussicht. Für die Kolonien änderte sich jedoch durch die Vergabe eines Mandats wenig. Die Verwaltung wurde häufig durch Terror und Willkür aufrechterhalten. Den Völkern der Dritten Welt wurde dabei ein Werte- und Normensystem übergestülpt, das aus heutiger Sicht nicht unmaßgeblich ihre „Unterentwicklung“ zu verantworten hat. Die USA obwohl selbst kolonialistisch aktiv (Dollar-Imperialismus in Südamerika) und die Sowjetunion, die als Supermächte aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgingen, waren Gegner des Kolonialismus, teils aus historischen, teils aus ideologischen Gründen. Der Druck, den die USA auf die wirtschaftlich und militärisch von ihnen abhängigen westeuropäischen Staaten ausüben konnten, blieb nicht ohne Einfluss auf die Kolonialpolitik. Den Freiraum wussten die Völker der Dritten Welt für sich zu nutzen.

Indiens Unabhängigkeitskampf

Der Kampf um Unabhängigkeit in Indien hatte bereits mit der Gründung der Allindischen Kongresspartei 1885 begonnen. 1916 stellte sie erstmals die Forderung nach Selbstregierung auf. 1920 übernahm der Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi die Führung des Kongresses und verkündete sein Programm des gewaltfreien Widerstands. In den folgenden Jahren entwickelten sich Spannungen zwischen Hindus und Moslems, die eine Majorisierung ihrer Interessen befürchteten. Die Absicht der britischen Verfassungsreformen im Indien der 30er Jahre war es, Minderheiten Schutz zu gewähren. Diese Politik schürte jedoch die bestehenden Konflikte, während Gandhi und seine Anhänger auf die Verwirklichung einer einigen indischen Nation hofften. 1947, als die Briten das Land verließen, wurden zwei Staaten unabhängig. Das hinduistische Indien und das muslimische Pakistan. 200 000 Menschenleben hatten die vorausgehenden Unruhen gekostet. Massenaustreibungen (acht Mio. Menschen) folgten den Staatsbildungen.

China wird Volksrepublik

China war im 19. Jahrhundert mit militärischen Mitteln den Wirtschaftsinteressen ausländischer Mächte unterworfen worden. 1925 bis 1927 konnte die Kuomintang (Nationale Volkspartei) das ganze Land unter ihren Einfluss bringen. Gegen sie formierte sich die Kommunistische Partei Chinas, in der Mao Zedong an Einfluss gewann. Nach Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges 1937 konzentrierte sich die KP auf die Mobilisierung der Bauernschaft. Es gelang ihr, nach dem Ende des Krieges mit Japan 1945, im Bürgerkrieg mit der Kuomintang (19461949), den Sieg zu erringen. 1949 folgte die Ausrufung der Volksrepublik China.

Vietnamkriege

Das europäische Interesse an Vietnam und die daraus folgende Einbindung in das System der Kolonialherrschaft entwickelte sich im 19. Jahrhundert aus der Zielsetzung, einen Zugang zum chinesischen Reich zu erlangen. Bis 1887 hatte Frankreich Vietnam, Laos und Kambodscha zur französisch-indochinesischen Union zusammengefasst. Nach der Niederlage der Franzosen in Indochina im Zweiten Weltkrieg und der japanischen Besetzung nahm die 1941 von Ho Chi Minh gegründete antikolonialistische Befreiungsbewegung Vietminh gewaltigen Aufschwung. Im September 1945 rief Ho Chi Minh die Demokratische Republik Vietnam aus. Doch die Franzosen betrieben eine Rekolonialisierungspolitik, die im Krieg mündete. Er endete mit einer vernichtenden Niederlage für Frankreich. Das Land wurde 1954 geteilt. Nordvietnam orientierte sich an der Sowjetunion und China, Südvietnam versicherte sich US-amerikanischer Unterstützung. Die Polarisierung führte zur Eskalation. 1960 formierte sich die Guerilla-Armee Vietcong, die weite Teile des Südens unter ihre Kontrolle brachte. Die USA reagierte mit massiver militärischer Einmischung, musste sich aber 1973 aus dem Vietnamkrieg zurückziehen. 1976 wurde die Sozialistische Republik Vietnam gegründet.

Afrikas Weg in die Freiheit

Auf dem afrikanischen Kontinent zeigten sich sowohl die Briten als auch die Franzosen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kompromissbereit. Die afrikanischen Politiker bemühten sich um die Mobilisierung der Bevölkerung und setzten sich in Verhandlungen für ihre Rechte ein. 1957 wurde Ghana als erster schwarzafrikanischer Staat unabhängig, bis Ende 1960 folgten 18 weitere. Die ehemaligen Kolonialherren hofften jedoch auf weiteren wirtschaftlichen Nutzen aus den freigegebenen Gebieten. In Algerien scheiterte die friedliche Lösung an der unnachgiebigen Haltung der Algerienfranzosen. Erst ein 1954 ausgebrochener Unabhängigkeitskrieg brachte den Algeriern 1962 das Ende der Kolonialherrschaft. Während sich in Rhodesien die weißen Siedler der britischen Kolonialmacht beugten und wenn auch erst 1979/80 der farbigen Bevölkerung die Macht überließen, leisteten die portugiesischen Kolonialherren weiterhin den Befreiungsbestrebungen von Angola, Mozambique und Guinea-Bissau Widerstand. 1974, mit dem Ende der Salazar-Diktatur in Portugal, erlangten auch diese Kolonien ihre Unabhängigkeit. In Südafrika blieb die einheimische Bevölkerung durch die Apartheid-Politik der weißen Minderheitsregierung bis in die 90er Jahre von der Entscheidung über ihr eigenes Schicksal ausgeschlossen. Erst Ende 1993 wurden die Gesetze der weißen Bevölkerungsminderheit zur Rassentrennung aufgehoben.

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