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Marktwirtschaft 2.0: Greift der Staat zu sehr ein?

Märkte müssen Grenzen haben, sonst ufern sie aus. So sagen es nicht wenige Wirtschaftswissenschaftler. Doch wo liegt die Grenze zwischen sinnvoller Regulierung und Überregulierung? Hat Deutschland sie vielleicht schon überschritten?

Der Bundestag. Nicht weniger vermuten, dass hier zu viel Regulierendes beschlossen wird. Doch ist das wirklich so?

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Wer in Deutschland ein Gewerbe eröffnen will oder es schon länger betreibt, wer mit Aktien handelt oder Dinge im- oder exportieren will, der wird es schon am eigenen Leibe erfahren haben: Egal was man im Bereich der Marktwirtschaft betreiben will, es geht praktisch nicht, ohne dass die Bundesrepublik im Spiel ist. Das liegt daran, dass der deutsche Staat sich das Recht vorbehält, die Marktwirtschaft in seinem Einflussbereich zu kontrollieren. Das hat unzweifelhafte Vor- aber auch bestimmte Nachteile, die auch den Bürger selbst treffen. Beides will der folgende Artikel ebenso eruieren, wie er der Frage nachgeht, ob die BRD die unternehmerischen Zügel schon zu straff hält.

Wozu dient Regulierung?

Am Anfang war Abwesenheit (des Staats)

Um dem Leser ein Wissens-Grundgerüst zu erschaffen, muss man erst einmal etwas Wirtschaftstheorie betreiben. Man stelle sich also für einen kurzen Moment vor, wir würden in einer Welt leben, in der jeder vollkommen frei Handel treiben darf, ohne dass der Staat sich abseits von Steuerzahlungen im Geringsten einmischen würde (Handel ist hier als Synonym für jegliche unternehmerische Tätigkeit zu verstehen). Eine formvollendete „Freie Marktwirtschaft“. Es herrschen also:

  • Die reine Lehre von Angebot und Nachfrage. Preise werden nur dadurch bestimmt, wie viel vorhanden ist und was Kunden dafür bereit sind, auszugeben.
  • Privateigentum aller Produktionsmittel. Der Staat hält keine Anteile an irgendwelchen Unternehmen.
  • Freier Wettbewerb und Preisbildung. Unternehmen dürfen sich absprechen, dürfen sich zusammenschließen, ohne dass der Staat Einspruch erhebt.

Ohne Regulierungen konnte die Industrialisierung mit Höchstgeschwindigkeit voranpreschen, hinterließ dabei aber auch schwere Verwerfungen und notleidende Arbeitnehmer.

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Kurzgesagt: Der Staat reguliert also weder, wer wovon wie viel in welcher Form mit wem produzieren darf, noch was er dafür verlangt. Der gesamte Markt dient nur dazu, dass Gewinnstreben der Unternehmen und das Nutzenstreben der Konsumenten zu vermehren.

Tatsächlich gab es auch auf deutschem Boden dieses Ideal bereits und zwar während der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Damals regulierte der Staat praktisch gar nichts. Und ganz objektiv betrachtet hatte diese Herangehensweise auch unbestreitbare Vorteile: Es sorgte bei uns (und in jedem anderen Land, das ebenso verfuhr) dafür, dass die Wirtschaft geradezu explodierte. Unternehmen schossen wie Pilze aus dem Boden, es etablierten sich riesige Firmengiganten. Und es sorgte auch dafür, dass das allgemeine Wohlstandslevel innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums sehr stark anstieg – für einen nicht gerade geringen Teil der Bevölkerung.  

Der Erfolg der 20er war unreguliert und auf Pump erkauft. 1929 brach das Kartenhaus und riss die Welt in die Krise.

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Ohne Kontrolle

Das Problem an dieser frühen Form der freien Märkte war jedoch, dass dadurch auch solche Dinge unreguliert blieben, die von entscheidender Wichtigkeit für das „Humankapital“ waren. Denn weder gab es Mindestlöhne, noch Arbeitszeitregulierungen oder Schutz bei Arbeitslosigkeit – welche durch das Auf und Ab der unkontrollierten Wirtschaft schneller eintreten konnte, als mancher glaubte.

Dadurch führten die ersten freien Marktwirtschaften so auch dazu, dass diejenigen, die letzten Endes die Gewinne ermöglichten, namentlich die Arbeiter, unterproportional davon profitierten. Was erwirtschaftet wurde, mehrte vor allem den Wohlstand derer, die die Produktionsmittel besaßen. Der einfache Arbeiter musste sich mit einem im Verhältnis dazu geringen (wenngleich für damalige Verhältnisse hohen) Gehalt zufriedengeben, für das er allerdings auch schwerstens arbeiten musste. Das führte zu einer nicht unerheblichen Massen-Verelendung und über diesen Weg auch zu ersten Eingriffe des deutschen Staates in die Märkte, namentlich frühe Formen der Sozialversicherung.

Abseits dieser Maßnahmen hielten sich sowohl Deutschland wie auch die meisten anderen kapitalistischen Staaten mit weiteren Regulierungen bis weit ins 20. Jahrhundert zurück. Dann aber passierte 1929 etwas, das direkt auf die Regulierungslosigkeit zurückzuführen war: der große Crash der Wallstreet. Die Gründe dafür sind zwar hochkomplex, stark vereinfacht erklärt lag es jedoch daran, dass viel zu viel Handel über Kredite finanziert war. Als sich die Panik Raum brach, waren Milliarden von Dollars weltweit ohne „harte“ Deckung, was wiederum dazu führte, dass sämtliche Volkswirtschaften, darunter auch die Deutschlands, die sich gerade erst wieder vom Ersten Weltkrieg und der anschließenden Hyperinflation halbwegs erholt hatte, stark angeschlagen wurden.

Sozial und sanft kontrolliert

Nach den Zerwürfnissen des Zweiten Weltkriegs wollte Deutschland es viel besser machen. Eine zwar freie, aber an den richtigen Stellen regulierte Marktwirtschaft, damit einerseits alle davon profitierten und andererseits die Mechanismen, die zur Entstehung jenes Börsencrashs geführt hatten, sich nicht mehr so wiederholen konnten. Die sogenannte Soziale Marktwirtschaft umfasst dabei:

  • Weiterhin freies Eigentum der Produktionsmittel
  • Freie Preisgestaltung
  • Eine regulierende Wettbewerbs-Gesetzgebung, die unter anderem Kartelle verbot
  • Einrichtung einer Notenbank, die De- und Inflation unter Kontrolle hielt

Und damit fuhr (West-)Deutschland in den ersten Nachkriegsjahrzehnten vielen anderen Ländern wirtschaftlich davon. Nicht nur, dass die deutsche Wirtschaft abermals boomte, dieses Mal profitierten auch sämtliche Schichten davon, weil die Gewinne durch regelmäßige Gehaltssteigerungen auch nach unten weitergegeben wurden.

Die Nachteile der Regulierung

Als die angeschlagene DDR zusammenbrach, hinterließ sie kaum Finanzwerte, dafür aber viele Menschen, die ein Anrecht auf Versorgung hatten.

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Es erodiert

Das Problem an der Sozialen Marktwirtschaft war jedoch seit jeher, dass Deutschland kein in sich abgeschlossenes System ist. Es ist nach wie vor abhängig vom Handel mit anderen Staaten. Zwar auch solche, in denen weniger Regulierungen herrschen. Das war in den ersten Jahrzehnten kaum ein Problem. Doch dann kamen mehrere Dinge gleichzeitig:

  • Die allgemeine Weltwirtschaft flachte im Verlauf der 1970er und -80er ab, das heißt, die Gewinne sanken.
  • Deutschland wurde wiedervereinigt, es kamen also mit den Bürgern der ehemaligen DDR gleichzeitig Millionen Menschen in das Sozialsystem, die vorher nicht darin eingezahlt hatten.
  • Die Welt wurde globalisiert, Firmen wanderten dorthin ab, wo die Produktionsbedingungen günstiger (= weniger reguliert) waren.

Diese Mischung führte dazu, dass das bislang stabile System Deutschlands erodierte: Die Sozialkosten stiegen, während gleichsam weniger Steuern nachkamen. Der bislang in der Waage gehaltene „Geldtopf“ leerte sich langsam, bis Deutschland Anfang der 2000er als „Kranker Mann Europas“ galt. Reformen waren dringend notwendig geworden.  

Soziale Verkleinerung

In der Folge war Deutschland zu mehr als drastischen Einschnitten in seinem Sozialsystem gezwungen. Die Einführung des Arbeitslosengelds zwei, besser als Hartz IV bekannt, war nur ein Schritt der sogenannten Agenda 2010. In der Summe ging es darum, Deutschland für die Unternehmen attraktiver und für den Staat günstiger zu machen. Und das gelang auch. Deutschland wurde nicht nur selbst wieder wirtschaftlich erfolgreich, sondern mauserte sich wieder zum Triebmotor der gesamten EU.

Antwort auf heutige Probleme?

Dass die Wirtschaft heute läuft, ist nur vergangenen Deregulierungen zu verdanken. Für morgen müssen wieder neue Konzepte ersonnen werden.

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Globalisierung brennt weiterhin

Es ist unter Wirtschafsexperten aus allen Schichten des politischen Spektrums (teilweise auch zähneknirschend) unbestritten, dass diese Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt notwendig waren, weil sie der einzige tragbare Ausweg aus der Misere waren. Ohne sie wäre Deutschlands Wirtschaft nach und nach weiter abgewandert. Wie es dann genau heute aussehen würde, darüber kann man nur spekulieren – mit Sicherheit schlechter, weil die Kosten des „alten“ Sozialstaats die Einnahmen bei weitem überträfen.

Doch das Problem daran ist, dass die Globalisierung weiterhin ungebremst läuft. Und bereits heute ist Deutschland nur deshalb in der Lage, „wie gehabt“ fortzufahren, weil dabei hinter den Kulissen in Form der bekannten Schwarzen Null stark gespart wird – unter anderem auf Kosten der Infrastruktur.

Falsche Herangehensweisen?

Aktuell reagiert der Staat dabei leider so, dass er weder der Marktfreiheit gerecht wird, noch dem Sozialen. Es beginnt damit, dass viele der heutigen wirtschaftlichen Erfolge abermals zulasten der Arbeitnehmer gingen, die Reallöhne beispielsweise, also das, was in Deutschland inflationsbereinigt verdient wird, steigen längst nicht in dem Maß, wie es die Wirtschaftskraft und die Preise eigentlich diktieren. Also ein ähnliches Problem wie in den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung.

Gerade für kleine und mittelständische Betriebe sind die Regularien und Dokumentationspflichten eine oft unverhältnismäßig hohe Bürde.

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Gleichsam jedoch macht es die Bundesregierung den Unternehmenden an anderer Stelle ebenso schwer: Sie verzerrt etwa den Markt dadurch, dass bestimmte Branchen subventioniert werden. Auf der anderen Seite jedoch reguliert sie bis in kleinste Bereiche der Arbeitgeber hinein, ohne dass dies einen wirklichen Nutzen (etwa Arbeitnehmerschutz) hätte. Deutsche Unternehmer müssen allein fast 100.000 deutsche Paragraphen beachten, zuzüglich zu denen, die noch durch EU-Gesetzgebungen hinzukommen.

Vieles davon ist notwendig, weil es etwa dafür sorgt, dass Deutschland in Produkten und Dienstleistungen einen dringend notwendigen qualitativen Vorteil gegenüber der globalen Konkurrenz einhält oder die Umwelt nicht über Gebühr leidet. Vieles führt jedoch auch dazu, dass den Unternehmen unnötige Ketten angelegt werden. Damit schadet die BRD wiederum sich selbst. Ein gebremster Markt bedeutet auch weniger Steuereinahmen, die dadurch sämtlichen staatlichen sozialen Projekten nicht zur Verfügung stehen.

In vielen Branchen sorgt der Ausbildungszwang nur dafür, dass die Unternehmer auf günstige 400-Euro-Kräfte ausweichen.

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Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Die Liste der Dinge, die in Deutschland überreguliert sind, ist natürlich in höchstem Maß subjektiv. Für Befürworter eines starken Staats ist sie wesentlich kürzer als für marktliberal eingestellte Personen. Doch abseits dieser politischen Schemata sollen die folgenden Punkte Beispiel dafür sein, wo sich die deutsche Politik durchaus zurückhalten könnte:

  • Bei der sogenannten Gelangensbestätigung müssen Nachweise durch deutsche Unternehmer erbracht werden, wenn sie Firmen in anderen EU-Ländern beliefern, selbst wenn dies nur einzelne Waren zu geringsten Beträgen sind. Ein unnötiger Arbeitsaufwand, der den Handel schwächt.
  • Der Ausbildungszwang für viele Berufe vor allem der unteren Einkommensschichten: Bäckereifachverkäufer müssen ebenso eine dreijährige Ausbildung absolvieren wie Friseure, Briefzusteller. Das erschwert den Zugang zu Arbeitsplätzen unnötig.
  • Die regulierenden Eingriffe in den Bereich der elektronischen Finanzen (Kryptowährungen wie etwa Bitcoin), bei der schon sehr niedrigschwellig eine Lizensierung durch das Finanzministerium erforderlich wird: Dadurch wird der Wert dieser neuen Währungsform ignoriert und der Staat schneidet sich selbst von Steuereinahmen ab.
  • Das Vorschreiben von bestimmten Aspekten der Ausbildung, die längst nicht mehr den heutigen Realitäten entsprechen, im Rahmen der Ausbildungsordnungen. Hier sollte die Politik entweder mit der Zeit gehen oder nur einen viel allgemeiner gesteckten Rahmen vorschreiben.
  • Die EU-Handelsnormen, die bei vielen Lebensmitteln Form, Größe und Farbe verbindlich vorschreiben und so dafür sorgen, dass alljährlich hunderttausende Salate, Kartoffeln und Co. nicht in den Handel gelangen, sondern einfach untergepflügt werden.
  • Das völlig veraltete Ladenöffnungszeitengesetz, das heute nur noch dafür sorgt, dass Angestellte Überstunden anhäufen und der Verbraucher nicht frei entscheiden kann, wann er was wo einkauft.
  • Die Nachweispflicht für Unternehmen zur Einhaltung des Mindestlohns. Sie zwingt den Arbeitgeber, Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit für all seine Arbeitnehmer zu erfassen: Das Problem ist hier der Adressat, denn viel einfacher wäre es, wenn die Arbeitnehmer diese Nachweise selbst übernehmen könnten.
  • Die Buchpreisbindung: Verlage müssen nach wie vor in Deutschland für ihre Bücher einen Preis festlegen. Dieser darf anschließend von allen nachfolgenden Verkäufern nicht mehr verändert werden.

Was nicht ins Schema passt, darf nicht in den Handel gelangen. Das sorgt für Lebensmittelverschwendung und verzerrt nebenbei auch die Preise.

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Diese Beispiele können natürlich nur sinnbildlich sein. Dennoch sind sie Beweis dafür, dass es Deutschland (und auch die EU) leider oft viel zu gut mit den Regularien meint. Natürlich existiert nichts davon nur zum Selbstzweck, sondern hat immer zum Ziel, Verbraucher, Arbeitnehmer und/oder einfach nur Bürger zu schützen. Leider stehen sich Regulierungen aber dabei viel zu häufig selbst im Weg und richten somit oft mehr Schaden an, als sie nutzen.

Staatliche Trägheit

Die meisten Leser dürften sich noch an die sogenannte Neuland-Debatte erinnern, die losgetreten wurde, als Bundeskanzlerin Merkel in einer Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten Obama erklärte, dass das Internet „für uns alle Neuland“ sei. Wohlgemerkt sprach sie diese Worte nicht Anfang der 2000er aus, als dies eine echte Tatsache war, sondern 2013, als weltweit bereits rund 2,7 Milliarden Menschen Zugang zum Internet hatten (2017 waren es 3,5 Milliarden).

Bis eine Idee zum Gesetz wird, vergeht oft viel zu viel Zeit. Für viele Regularien zu aktuellen Herausforderungen sind heutige Regierungen zu ineffizient.

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Dieses Beispiel zeigt eines sehr eindrucksvoll: Die Bundesrepublik ist leider, das ist die Natur einer jeden Regierung, in höchstem Maße unflexibler als die Märkte es sind. Bevor eine eigentlich gut gemeinte Regulierung es durch sämtliche Instanzen von Ausschüssen, Gremien und Abstimmungen geschafft hat, hat sich gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit die tatsächliche Sachlage vielleicht schon wieder massiv gewandelt und die Regulierung wird zum buchstäblichen Klotz am Bein.

Teilweise schon Bevormundung

Die bisherigen Punkte betrafen in der Masse vor allem Gewerbetreibende und Arbeitgeber. Tatsächlich sieht es jedoch so aus, dass hierzulande auch der berühmte Otto Normalverbraucher diversen Regularien unterliegt, die in dieser Form teilweise schon wie die Bevormundung von eigentlich mündigen, erwachsenen Bürgern anmuten. Auch hier sind einige Beispiele erforderlich:

  • Ein Großteil der Dinge, die sich auf der Liste der sogenannten opferlosen Straftaten befinden: Darunter fallen Straftaten, bei denen weder der Staat noch Einzelpersonen geschädigt werden (also ungleich zu beispielsweise Steuerhinterziehung oder Körperverletzung). Etwa der Besitz von Marihuana, das Motorradfahren ohne Helm oder illegales Glücksspiel.
  • Die Praxis, Filme, Videospiele und Ähnliches nicht nur zu indizieren, also sie nur volljährigen Personen zugänglich zu machen, sondern darüber hinaus auch generell zu beschlagnahmen: Oft zwar wegen politischem Extremismus, ebenso oft jedoch auch „nur“ wegen Gewaltdarstellungen. Ein zugegeben heikles Thema, aber nichtsdestotrotz passend.
  • Die nach wie vor bestehende Unterscheidung sexueller Orientierung, die sich nach der Einführung der „Ehe für Alle“ immer noch auf Unverheiratete erstreckt.

Auch bei diesen Beispielen gilt abermals: Die Ziele, die damit verfolgt werden, sind durchaus schlüssig und logisch nachvollziehbar. Leider führen sie aber in der Summe dazu, dass die Selbstständigkeit vieler Bürger abnimmt. Im Zweifelsfall gibt einem die Regierung eine Linie, an der man sich orientieren kann. Dem Pluralismus ist das nicht gerade zuträglich.

Gerade bei der Regulierung der Börse und der Finanzmärkte scheiden sich die Geister. Manche fordern noch mehr Einschränkungen, andere wollen Vorgaben lieber lockern.

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An der falschen Stelle wegschauen

Weiter oben wurde davon geschrieben, dass in Deutschland oft an der falschen Stelle reguliert wird. Hier sieht es momentan so aus, dass gerade der Finanzsektor, der die größten wirtschaftlichen Probleme verursachen kann, wieder zu einer gefährlichen Unterregulierung zurückkehrt.

In der Folge der Wirtschaftskrise von 2008 und der damit einhergehenden notwendigen Rettung diverser Banken durch Gelder des Bundes wurden im Nachgang zahlreiche Gesetze beschlossen, die künftig dafür Sorge tragen sollten, dass die Banken und deren Mechanismen, die zur Krise führten, künftig unter schärferer Kontrolle standen.

Fragt man einen Banker oder Finanzexperten zu diesem Thema, wird er wahrscheinlich sagen, dass derzeit an diesem Punkt eine Überregulierung herrsche. Tatsächlich sieht es jedoch so aus, dass beispielsweise die Forderungen nach einem Zwang zu einer größeren Eigenkapitaldeckung relativ ungehört verhallen. Einer der Mechanismen, die überhaupt erst dazu führten, dass 2008 die Immobilienblase platzte und einen Dominoeffekt generierte: Eine neue Wirtschaftskrise entstand.

Fazit

„Greift der Staat zu sehr ein?“ Das ist die grundlegende Frage dieses Artikels. Die Antwort darauf ist jedoch weit weniger klar und ähnelt eher einem „Jein“. Das Problem ist, dass Deutschland und seine Regierung versuchen muss, es jedem recht zu machen. Also sowohl der Wirtschaft wie den Verbrauchern, den Arbeitgebern wie den Arbeitnehmern. Zusätzlich muss Berlin in einer Zeit regieren, die sich so schnell und tiefgreifend verändert, wie kaum eine Phase zuvor. Das kreiert ganz eigene, neue Problemstellungen, vor denen der bundesrepublikanische Regierungsapparat allzu oft schon deshalb einknicken muss, weil er niemals so flexibel sein und schnell reagieren kann wie die Wirtschaft.  

Ja, wir sind teilweise überreguliert. Vor allem an den falschen Stellen, an denen eigentlich die Regulierung gefahrlos zurückgefahren werden könnte, ohne dass es zu messbaren Nachteilen für die Bürger käme. Der Staat muss keine Angst haben, dass seine Bürger außer Kontrolle geraten, wenn sie in manchen Bereichen keine Vorgaben haben. Das muss er nur, wenn er dafür sorgt, dass die Selbstständigkeit und Innovationsfreude unter einem Berg von Gesetzen und Normen begraben wird.  

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