wissen.de Artikel

Warum ist das Rote Meer so stark umkämpft?

Im Roten Meer liefern sich die jemenitischen Huthi-Rebellen und westliche Militärs derzeit heftige Kämpfe um den Seeweg zum Suezkanal. Das beeinträchtigt auch den Schiffsverkehr durch dieses Gebiet. Aber warum ist diese Wasserstraße eigentlich so wichtig? Worum geht es bei dem Konflikt und welche Staaten sind daran beteiligt?
CKR, 17.01.2024
Containerschiff im Suezkanal
Für die Schifffahrt zwischen Asien und dem Nordatlantik verkürzt die Route über das Rote Meer und den Suezkanal die Entfernungen erheblich.

© donvictorio, iStock

Die Huthi-Rebellen aus dem Jemen greifen derzeit immer wieder Schiffe aus westlichen Nationen an, die an der jemenitischen Küste entlang durch das Rote Meer fahren. Schutz vor den Angreifern erhalten die Seeleute seit einigen Wochen von der US-amerikanischen und britischen Armee. Aber warum ist diese Eskorte überhaupt nötig? Warum weichen die Containerschiffe nicht einfach auf eine andere Route aus? Und seit wann gibt es den Seeweg durchs Rote Meer überhaupt?

Wie wichtig ist der Zugang zum Suezkanal?

Um Waren zwischen Asien und Europa zu transportieren, mussten Handelsschiffe früher den gesamten afrikanischen Kontinent umschiffen, vorbei am Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas. Einen anderen Weg gab es nicht. Bereits vor rund 2.500 Jahren versuchten daher Kaufleute, eine kürzere Handelsroute zwischen Asien und Europa zu etablieren. Für die sogenannte maritime Seidenstraße wurden sogar mehrfach kleinere Kanäle zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer gegraben, um die Landenge von Suez in Ägypten zu überwinden. Diese Transportwege überdauerten die Jahrhunderte jedoch nicht. Erst mit der Fertigstellung des Suezkanals im Jahr t 1869 steht in Ägypten tatsächlich ein breiter, durchgängiger Meerwasserkanal bereit, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet.

Heute ist der knapp 200 Kilometer lange Suezkanal die kürzeste Route von Asien nach Europa und damit die wichtigste Handelsroute durch das Rote Meer sowie eine der wichtigsten Handelswege der Welt. Etwa zwölf Prozent des Welthandels und etwa jedes zehnte internationale Handelsschiff passieren den Suezkanal. Betrieben wird der Kanal von einer staatlichen ägyptischen Firma. Der inzwischen mehrfach vertiefte Kanal gilt seit 2003 als Meilenstein in der Ingenieursbaukunst und kann sowohl von Handels- als auch von Kriegsschiffen aller Staaten genutzt werden.

Wie wichtig dieser Warenumschlagsplatz und wie anfällig zugleich dieses Nadelöhr ist, verdeutlicht auch der große Stau im Suezkanal, der im März 2021 für Aufsehen sorgte. Damals war der Frachter „Ever Given“ während eines Sandsturms auf Grund gelaufen und blockierte quer zum Fahrweg den gesamten Kanal. In beiden Fahrtrichtungen kam es zu kilometerlangen Staus, bis das massive Containerschiff schließlich nach sechs Tagen aus seiner misslichen Lage befreit werden konnte. Die Störung brachte die weltweiten Lieferketten zusätzlich durcheinander, die während der Corona-Pandemie ohnehin bereits stark beeinträchtigt waren.

Satellitenbild des Roten Meers
Das Rote Meer ist ein schmales Nebenmeer des Indischen Ozeans zwischen Nordost-Afrika und der Arabischen Halbinsel. Das von den Huthis kontrollierte Gebiet ist rötlich hervorgehoben.

© NASA World Wind

Warum greifen die Huthi Schiffe im Roten Meer an?

Auch beim aktuellen Konflikt im Roten Meer spielt der Suezkanal eine wesentliche Rolle. Anlass der Auseinandersetzungen war der Anfang Oktober ausgebrochene Nahost-Krieg zwischen Israel und den Hamas-Terroristen im Gaza-Streifen. Die vom Iran unterstütze schiitische Huthi-Miliz im Jemen steht in diesem Krieg nach eigenem Bekunden auf der Seite der Palästinenser und auch hinter der militant-islamistischen Hamas.

Um den gemeinsamen Feind Israel zu schwächen, greifen die Huthi seit Beginn des Gaza-Krieges Frachter im Roten Meer an, die auf dem Weg nach Israel sind oder deren westliche Herkunftsländer Israel angeblich oder tatsächlich unterstützen. Sie schießen auf die Schiffe und nehmen teils auch deren Crew gefangen. Damit wollen die Huthi verhindern, dass verschiffte Güter Israel erreichen, und ihre eigene weltpolitische Position stärken.

Als Reaktion und um die Handelsschiffe zu schützen, patrouillieren seit Ende 2023 Schiffe der US-Marine und des britischen Militärs im Roten Meer. Mit der Unterstützung von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden fangen sie dort Drohnen und Raketen aus dem Jemen ab und bombardieren seit Mitte Januar auch militärische Stellungen der Rebellen an Land. Das soll vor allem die durch die Attacken beeinträchtigte Weltwirtschaft wieder befreien.

Der Zerstörer USS Carney bei der Bekämpfung von Huthi-Drohnen im Roten Meer.
Der Zerstörer USS Carney bei der Bekämpfung von Huthi-Drohnen im Roten Meer.

© U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Aaron Lau

Reedereien nehmen tagelangen Umweg in Kauf

Viele große Reedereien lassen ihre Schiffe wegen der bedrohlichen Lage seit Mitte Dezember nicht mehr durch das Rote Meer fahren. Dazu zählen unter anderem das Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd und die dänische Reederei Maersk. Insgesamt 20 Prozent der weltweiten Containerfrachter meiden inzwischen das Rote Meer, teilte die Internationale Schifffahrtskammer (ICS) kürzlich gegenüber dem Nachrichtensender BBC mit. Das Kiel Institut für Wirtschaftsforschung sprach sogar von einem Einbruch im Containerhandel um über die Hälfte.

Weil die Handelsschiffe durch die drohende Gefahr im Roten Meer keinen Zugang mehr zum Suezkanal haben, sind sie gezwungen, wieder den tausende Kilometer langen Umweg um Afrika zu fahren. Dieser Umweg bedeutet um etwa ein Drittel beziehungsweise bis zu 20 Tage längere Routen vom Indischen Ozean in den Nordatlantik. Was früher mal normal war, hat heute verzögerte Lieferungen, gestörte Lieferketten und steigende Transportpreise für die Unternehmen zur Folge. Hapag-Lloyd sprach beispielsweise von monatlichen Mehrkosten in hoher zweistelliger Millionenhöhe.

Wie geht es weiter im Roten Meer?

Trotz der aktuellen Militärpräsenz der USA und Großbritanniens gehen die Angriffe der Huthi im Roten Meer weiter. Sie kündigten Vergeltung für die Attacken auf ihre Stellungen an. Auch der Iran und Russland verurteilten als Gegner des Westens zuletzt die Bombardements im Jemen und drohten den westlichen Nationen. Indes plant auch die Europäische Union, sich an dem Militäreinsatz zu beteiligen, um den Schiffsverkehr zu sichern. Auch Deutschland will in diesem Rahmen eine Fregatte ins Rote Meer schicken.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon