wissen.de Artikel
Zwischen Realität und Fiktion – So lebten Gladiatoren wirklich
Gladiatorenkämpfe gelten als typische Entertainmentevents des alten Roms, an denen sich Patrizier wie Plebejer ergötzten. Schwer gerüstet und muskelbepackt sollten die Gladiatoren in blutigen Kämpfen die Römer unterhalten. Besonders wichtig dabei: Viele der Gladiatoren sterben tragisch im Sand der Arena. So war es zumindest, glaubt man den filmischen Darstellungen dieser Kämpfe. Aber was ist wirklich dran an dieser Darstellung des antiken Unterhaltungsprogramm?
Besondere Totenehrung
Die Geschichte der Gladiatoren fing eigentlich viel unspektakulärer an, als sich die meisten von uns vorstellen. Zunächst kämpften sie zu eher ungewöhnlichen Anlässen: auf Bestattungsfeiern. Die ersten dieser Kämpfe sollen im Jahr 264 vor Christus stattgefunden haben, als die beiden Söhne des Konsuls – das höchste Amt der Römischen Republik – Decimus Iunius Brutus Pera zu Ehren seines ihres toten Vaters drei Duelle zwischen Kriegsgefangenen austragen ließen. Das Ganze fand allerdings nicht in einer großen Arena statt, sondern auf dem Forum Boarium, einem der Marktplätze in Rom.
Zunächst dienten Gladiatorenkämpfe also dazu, die Toten zu ehren. Bevor diese Kämpfe Einzug in die Totenfeiern hielten, war eine noch blutigere Tradition gang und gäbe. „Älteren Traditionen nach war es Brauch, am Grab eines tapferen Kriegers oder ehrenhaften Mannes Gefangene zu opfern“, erklärt das Archäologische Museum Hamburg. „Dies wandelte sich später zu Kämpfen zu Ehren des Verstorbenen.“
Gladiatorenkämpfe als Herrschaftsinstrument
Mit der Zeit wandelten sich die Gladiatorenkämpfe zu einem politischen Machtinstrument. Politiker bemerkten, dass auch die Bürger Gefallen an den Kämpfen fanden, und veranstalteten sie als Unterhaltungsevents, um für sich zu werben und Großzügigkeit und Volksnähe zu demonstrieren. Die Kämpfe fanden dann nicht mehr nur auf öffentlichen Plätzen, sondern in temporären Arenen aus Holz statt.
Mit Beginn der römischen Kaiserzeit im Jahr 27 vor Christus machte der erste römische Kaiser Augustus die Kämpfe zu staatlichen Veranstaltungen und während seiner Herrschaft wurde das erste richtige Amphitheater erbaut, das 29 vor Christus eingeweihte Amphitheater des Statilius Taurus. Augustus war es auch, der festlegte, dass die Gladiatorenkämpfe nur an einer bestimmten Anzahl an Tagen stattfinden durften.
Die „Gerstenjungs“ in Ausbildung
Aber wer genau waren die Gladiatoren? „Alle Gladiatoren waren Sklaven, und eine der Möglichkeiten, Sklave zu werden, bestand darin, in Kriegsgefangenschaft zu geraten“, erklärt die Kuratorin des Hadrianswalls Frances McIntosh im Interview mit English Heritage. Etwa 200 Jahre lang mussten auch Frauen zur Belustigung herhalten und oft gegen Kleinwüchsige antreten, bis Kaiser Domitian ihren Einsatz verbot. Mit steigender Popularität der Gladiatorenkämpfe meldeten sich aber auch normale Bürger, um in den Arenen zu kämpfen. Es sollen sich sogar so viele Freiwillige gemeldet haben, dass schließlich die Hälfte aller Gladiatoren normale Bürger waren.
In sogenannten „ludi“ (Schulen) lernten die Gladiatoren zu kämpfen. Die größte von ihnen war der Ludus Magnus (große Schule) in Rom, der durch einen unterirdischen Gang mit dem Kolosseum verbunden war. Die aufstrebenden Gladiatoren bekamen gute medizinische Betreuung, eine Zweibettzelle und drei Mahlzeiten am Tag. Ansonsten erinnerten die Gladiatorenschulen jedoch eher an Gefängnisse.
Die Ernährung in den Schulen war nicht sonderlich gesund und sicher keine Kraftnahrung: Meistens ernährten sich die Schüler von Bohnen und Gerste. Dabei scheinen sie so viel Gerste zu sich genommen zu haben, dass sie den Spitznamen „Gerstenjungs“ erhalten haben. Vor einem Kampf nahmen sie besonders viel Nahrung und Öl zu sich, um sich ein schützendes Fettpolster anzufuttern.
Hollywood liegt nicht immer richtig
Und was war mit der Ausrüstung der Gladiatoren? Es gab viele verschiedene Arten von Gladiatoren, alle mit ihren eigenen Waffen und Ausrüstungen. Brustpanzer, wie sie in Gladiator und Gladiator II zu sehen sind, gab es aber in der Regel nicht: „Die meisten Gladiatoren waren von der Taille aufwärts nackt, es sei denn, man war ein ‚equites‘, ein Gladiator, der ein Pferd ritt“, erklärt McIntosh. „Jeder Gladiator hatte also eine bestimmte Rolle und so etwas wie eine bestimmte Uniform. So konnten Zuschauer sofort an der Kleidung erkennen, um welche Art von Gladiator es sich handelte.“
Ganz so viele Todesopfer wie in den Filmen dargestellt gab es wohl ebenfalls nicht. „Wir glauben nicht, dass die Zahl der Toten so hoch lag, wie es in den Filmen den Anschein macht, denn die Ausbildung eines Gladiators war sehr teuer. Zuerst kaufte man sie, dann verbrachte man Zeit damit, sie zu trainieren, zu ernähren und zu bewaffnen. Nicht jedes Duell oder jeder Kampf endete also tödlich“, sagt Kuratorin McIntosh.
Ebenfalls ein verbreiteter Mythos, der nicht stimmt: Der Veranstalter der Spiele entschied nicht per Daumen hoch oder runter über Leben oder Tod des Verlierers. Vermutlich entschieden das die Zuschauer jedoch mit einem anderen Zeichen. Welche dies waren, ist aber nicht überliefert.
Ruhme und Ehre, aber unterste soziale Schublade
Ein typischer Wettkampftag startete mit Tierkämpfen durch die sogenannten „Bestiarii“. Sie kämpften gegen wilde Tiere wie Löwen und Elefanten, die oft von weit her und sogar von anderen Kontinenten importiert wurden. Diese Tierjagden nahmen zeitweise solche Ausmaße an, dass in den ursprünglichen Verbreitungsgebieten der Tiere keine mehr von ihnen anzutreffen waren. Im Anschluss an die Tierkämpfe fanden in der Arena öffentliche Hinrichtungen von Kriminellen statt, ebenfalls um die Zuschauer zu unterhalten.
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildeten selbstverständlich die eigentlichen Gladiatorenkämpfe. Gewinner bekamen, neben tosendem Applaus, oftmals Geld und ein Palmblatt. Obwohl sich die Gladiatoren bei den Zuschauern großer Beliebtheit erfreuten, gehörten sie selbst als Gewinner der untersten sozialen Schicht an und waren von der Öffentlichkeit ausgegrenzt. Die besten unter ihnen erlangten zwar Starruhm, blieben aber Sklaven im Privatbesitz.
Im Jahr 404 nach Christus war dann Schluss mit dem antiken Unterhaltungsprogramm. Kaiser Honorius verbot jegliche Gladiatorenkämpfe und schloss bereits ein paar Jahre zuvor sämtliche Gladiatorenschulen. Angeblich hatte der Tod eines Mönches, der einen Kampf Gladiatorenkampf zu stoppen versuchte und von der aufgebrachten Zuschauermenge gesteinigt wurde, den christlichen Kaiser zu diesem Schritt bewogen.