wissen.de Artikel
60 Jahre Stiftung Warentest: So testet die Organisation
„Nimm besser diese Matratze. Die Stiftung Warentest hat sie mit ‚sehr gut‘ bewertet. Die da nicht, die soll nur ‚ausreichend‘ sein.“– So oder so ähnlich laufen Gespräche mit Familie und Freunden häufig ab, wenn wir darüber diskutieren, welches Produkt oder welche Dienstleistung besser ist. Schließlich genießen die Produkttests der Stiftung ein hohes Ansehen. 9.178 von ihnen hat sie seit ihrer Gründung vor genau 60 Jahren – am 4. Dezember 1964 – bis 2023 durchgeführt. Aber wie kommt die Verbraucherorganisation überhaupt vom Produkt zum Testergebnis?
Endgültige Entscheidungen trifft sie allein
Allem voran steht die Frage, welche Produkte die einst vom Bundestag ins Leben gerufene Stiftung Warentest denn überhaupt testen soll. Dazu bedient sich die Stiftung vor allem am Input der Leser. Die Leser suchen auf der Website der Organisation nach bestimmten Themen oder schlagen der Stiftung konkrete Tests und Produkte vor. Zusätzlich beobachtet die Stiftung aktuelle Verkaufszahlen von Produkten, Trends und relevante Gesetzesänderungen. Drei Mal im Jahr legt die Stiftung Warentest dann fest, welche Produkte sie testet.
Stehen die zu testenden Produkte fest, entwirft die Stiftung den Ablauf der Tests und lässt sich anschließend von einem Fachbeirat, der aus Verbraucherschützern, unabhängigen Experten und Anbietervertretern besteht, beraten. Das dient dazu, sicherzustellen, dass die Tests alle relevanten Prüfungen enthalten. Der Fachbeirat ist jedoch nicht an der endgültigen Entscheidung über die Prüfmethoden beteiligt. Darüber entscheidet allein die Stiftung Warentest.
Anonym und neutral
Sind Produkte und Testablauf festgelegt, ist es an der Zeit, die zu testenden Produkte einzukaufen. Hier geht die Stiftung Warentest bewusst wie die Verbraucher selbst vor: Mitarbeitende gehen anonym in Fachgeschäfte oder Supermärkte, lassen sich von den Verkäufern beraten und kaufen dann mit Bargeld oder Kreditkarten, die nicht auf die Organisation zurückzuführen sind, das Produkt ein. Kostenlos zur Verfügung gestellte Produkte nimmt die Stiftung Warentest nicht an.
Nach dem Einkauf steht dann der eigentliche Warentest an. Diese Tests finden jedoch nicht bei der Stiftung Warentest selbst statt. Stattdessen beauftragt sie unabhängige Labore, die die einzelnen Prüfungen an den Produkten durchführen und anschließend ein Gutachten erstellen. Welche Labore die Prüfungen durchführen, bleibt streng geheim, damit Hersteller und Anbieter der Produkte keinen Einfluss auf sie nehmen können. Gleichzeitig müssen sich die Labore aber auch zur Neutralität verpflichten. Wissenschaftler der Stiftung Warentest gewichten anschließend die verschiedenen Prüfungskriterien und bewerten die Produkte von „sehr gut“ bis „mangelhaft“. Die getesteten Produkte versteigert die Stiftung mehrmals jährlich bei Online-Auktionen.
Schokozoff und Schokoadventskalender
Manchmal kommt es vor, dass Unternehmen die Ergebnisse der Tests anzweifeln oder sogar das Gericht einschalten. Eigenen Angaben nach muss sich die Organisation jedes Jahr in vier bis sechs Verfahren behaupten und gewinnt die Prozesse fast immer. Aber auch nur fast. 2014 verlor die Stiftung ein Gerichtsverfahren gegen den Schokoladenhersteller Ritter Sport.
Die Stiftung Warentest behauptete, dass ein Aroma in der Voll-Nuss-Schokolade des Herstellers nicht natürlich und somit die Aussage des Herstellers über natürliche Inhaltsstoffe falsch sei. Ritter Sport behauptete hingegen, dass das Aroma in der Tat natürlich sei, und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen die Stiftung. Das Oberlandesgericht München entschied zugunsten des Schokoladenherstellers und untersagte der Stiftung Warentest, die Behauptung weiterhin zu verbreiten, da sie nicht hinreichend belegt war.
Zwei Jahre zuvor, im Jahr 2012, geriet schon einmal Schokolade in den Fokus der Stiftung. In allen 24 von ihr untersuchten Schokoladenadventskalendern fand die Stiftung Rückstände von Mineralöl und verwandten Substanzen. In neun von ihnen sogar aromatische Mineralöle, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Ein Hersteller nahm seinen Adventskalender in der Folge vom Markt, andere kündigten an, zu klagen, ließen es dann aber doch sein. Die Hersteller bemängelten, dass die Stiftung „zu streng“ bewerte.
Mit erhobenem Zeigefinger
Die Stiftung Warentest darf sogar eigene Grenzwerte und Kriterien setzen, die über Gesetze und etablierte DIN-Normen hinausgehen. Als unabhängige Verbraucherorganisation steht sie in der Pflicht, Verbraucher bestmöglich zu schützen, zum Beispiel durch strengere Auflagen. Auch die Prüfkriterien sind verbraucherorientiert: Die Stiftung orientiert sich an Kriterien, die aus ihrer Sicht für Verbraucher besonders relevant sind, wie langfristige Haltbarkeit, Sicherheit oder Umweltfreundlichkeit.