Lexikon

Weltkrieg

ein Krieg, an dem zahlreiche Staaten, besonders Großmächte, beteiligt sind und der große Teile der Erde in Mitleidenschaft zieht. Als Weltkrieg wurde von Zeitgenossen bereits der Befreiungskrieg 18131815 bezeichnet. Weltkriege im vollen Sinne des Wortes waren jedoch erst die beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts, die die globale Ordnung nachhaltig veränderten.

Der 1. Weltkrieg (19141918)

Der Krieg brach in einer Zeit aus, die durch Hochimperialismus, übersteigerten Nationalismus, Rivalitäten und internationale Krisen gekennzeichnet war. Deutschland und Österreich-Ungarn fühlten sich teils durch „Einkreisung“ bedroht, teils in ihren Entfaltungsmöglichkeiten als „Weltmächte“ behindert; sie hatten aber diese Entwicklung selbst mit zu verantworten. Es bestanden Spannungen mit Frankreich wegen der deutschen Flottenpolitik, mit Russland wegen seines Drangs zu den Meerengen und seines panslawistisch motivierten Engagements im Donau- und Balkanraum. Jedoch begann kein Staat den Weltkrieg aufgrund eines Offensivbündnisses oder mit konkreten Eroberungsabsichten (Kriegsschuldfrage).

Anlass

Unmittelbarer Anlass war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajevo am 28. 6. 1914 durch südslawische Nationalisten. Österreich-Ungarn versicherte sich der Unterstützung Deutschlands und stellte ein scharfes Ultimatum an Serbien, das abgelehnt wurde. Die daraufhin erfolgende österreichisch-ungarische Kriegserklärung an Serbien vom 28. 7. 1914 bewog Russland zu offener Parteinahme für Serbien und zur Mobilmachung, was wiederum übereilte diplomatische und militärische Schritte in Deutschland auslöste, das Anfang August 1914 Russland und Frankreich den Krieg erklärte. Das internationale Bündnissystem verursachte nun rasch eine Kriegserklärung nach der anderen. Auf die Seite der Gegner Deutschlands und seiner Verbündeten traten folgende Staaten: Großbritannien, Japan (August 1914), Italien (Mai 1915), Portugal (März 1916), Rumänien (August 1916), die USA, Kuba, Panama (April 1917), Griechenland (Juni 1917), Siam (Juli 1917), Liberia, China (August 1917), Brasilien (Oktober 1917), Guatemala (April 1918), Nicaragua, Costa Rica (Mai 1918), Honduras (Juni 1918), Haiti (Juli 1918). Zu den sog. Mittelmächten vereinigten sich Deutschland und Österreich-Ungarn, ferner die Türkei (November 1914) und Bulgarien (Oktober 1915).
Österreich: 1. Weltkrieg
Kriegserklärung
Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. 7. 1914 in einer Extraausgabe der Wiener Zeitung.

Westfront

Der von A. von Schlieffen 1905 entworfene deutsche Operationsplan, der die Umfassung und Vernichtung der gesamten französischen Armee mittels einer durch das neutrale Belgien führenden weit ausgreifenden Offensive vorsah, scheiterte in der Marneschlacht (5.12. 9. 1914). Nachdem auch der „Wettlauf zum Meer“ im September/November keine Umfassung des Gegners und keine Behinderung des britischen Nachschubs gebracht hatte, bestanden keine Hoffnungen mehr, den Krieg rasch an der Westfront beenden zu können. An die Stelle des Bewegungskrieges trat der Stellungskrieg auf einer Front vom Meer bis zur schweizerischen Grenze, an die Stelle der Entscheidungsschlachten der Zermürbungskrieg mit gelegentlichen Stellungsverbesserungen und Durchbruchsversuchen. Der Krieg an der Ostfront zwang die Deutschen 19151917 zur Defensive an der Westfront (Champagne, Artois, Flandern; 1916 Sommeschlacht, Schlacht um Verdun; 1917 deutsche Rückverlegung in die Siegfriedstellung, Tankschlacht bei Cambrai). Fünf deutsche Offensiven, die 1918 mit Hilfe der an der Ostfront frei gewordenen Truppen unternommen wurden, erreichten nicht den Durchbruch durch die französische Front, brauchten aber die letzten deutschen Reserven auf. Vor der Großoffensive der durch US-amerikanische Truppen entscheidend verstärkten Alliierten mussten die deutschen Truppen weichen. Sie zogen sich bis zum 4. 11. 1918 auf die Linie Antwerpen-Maasstellung zurück.
Marneschlacht (1914)
Marneschlacht
Aufmarsch deutscher Truppen in der Marneschlacht am 8. September 1914 bei Fort Meaux. Nachdem die Offensive der deutschen Truppen im Westen scheiterte, wurden sie hinter die Marne zurückgenommen.
Weltkrieg I: Sommeschlacht
Sommeschlacht
Bei der Sommeschlacht, die britische und französische Truppen gegen die Verdun-Offensive richten, sterben mehrere Hunderttausend Soldaten, ohne das eine der Kriegsparteien einen nennenswerten Geländegewinn erzielt.

Ostfront

Die in Ostpreußen mit zwei Armeen eingerückten Russen wurden noch im August/September 1914 bei Tannenberg und an den Masurischen Seen geschlagen. Österreich-Ungarn errang Anfangssiege bei Krasnik und Zamość-Komarow, musste dann jedoch auf die Karpaten zurückweichen. 1915 beendete ein deutscher Sieg über die Russen in der Winterschlacht in Masuren und ein deutsch-österreichischer Durchbruch in Galizien (Gorlice und Tarnow) den russischen Druck auf die Grenzen. Der deutsche Vormarsch im Baltikum und in Südostpolen führte zum allgemeinen Rückzug der Russen, die einer Entscheidung auswichen. Russische Gegenangriffe (Brussilow-Offensiven 1916, Kerenskij-Offensive 1917) konnten teils von deutschen Truppen aufgefangen werden, teils wurden sie durch Auflösungserscheinungen im russischen Heer und durch die von der deutschen Regierung geförderte Oktoberrevolution in Russland entwertet. Der deutsche Gegenangriff in Ostgalizien und im Baltikum mit der Eroberung der Inseln Ösel und Dagö führte zum Waffenstillstand mit der Sowjetregierung am 15. 12. 1917. Nachdem Russland die eingeleiteten Friedensverhandlungen abgebrochen hatte, besetzte Deutschland Anfang 1918 weite russische Gebiete. Daraufhin schloss Sowjetrussland am 3. 3. 1918 mit den Mittelmächten den Frieden von Brest-Litowsk.
Weltkrieg I: Tannenberg
Die Truppen der russischen Narew-Armee wurden 1914 bei Tannenberg von der deutschen Armee unter Hindenburg eingeschlossen und vernichtet.
Weltkrieg I: Friede zu Brest-Litowsk
Friede zu Brest-Litowsk
Am 22. Dezember 1917 begannen in Brest Friedensverhandlungen (Friede zu Brest-Litowsk) zwischen Deutschland, Österreich und Sowjetrußland.

Balkan- und Italienfront

Die Österreicher besetzten am 2. 12. 1914 Belgrad, mussten aber vor der serbischen Offensive über die Donau zurückgehen. Durch einen deutsch-österreichisch-bulgarischen Angriff gelang seit September 1915 die Eroberung von Serbien, Montenegro und Albanien. Die seit Oktober 1915 in Saloniki gelandeten britisch-französischen Truppen bauten in Makedonien eine neue Front auf. Die Rumänen wurden von den Mittelmächten Ende 1916 rasch niedergeworfen (9. 12. 1917 Waffenstillstand, 7. 5. 1918 Friede von Bukarest). Am 15. 9. 1918 brach Bulgarien unter dem Druck der Saloniki-Armee zusammen; am 29. 9. schloss es mit den Alliierten den Waffenstillstand von Prilep. Der Zusammenbruch der Balkanfront machte die militärische Niederlage der Mittelmächte offenkundig.
Der italienische Vormarsch begann am 26. 5. 1915, führte aber in elf Isonzoschlachten nur zu geringen Erfolgen. Mit Hilfe von Ententetruppen wurde der Zusammenbruch Italiens schließlich verhindert und die österreichische Offensive am 15. 6. 1918 aufgehalten. Eine italienische Gegenoffensive gegen die von den Ungarn verlassene österreichische Front führte zum Durchbruch und zum Waffenstillstand von Padua am 4. 11. 1918.
Weltkrieg I: Isonzo
Kämpfe am Isonzo
Das Gebiet um den Isonzo in den Ausläufern der Alpen gehörte zu den am heftigsten umkämpften Schauplätzen des ersten Weltkrieges.

Türkei

Türkische Angriffe gegen Ägypten und im Kaukasus scheiterten. Die alliierten Landetruppen auf Gallipoli wurden mit deutscher Hilfe zum Rückzug gezwungen (1915). Britisch-französische Durchbruchsversuche an den Dardanellen waren vergeblich. Die Briten eroberten 1917 Bagdad zurück und besetzten bis zum Herbst 1918 Palästina. Am 30. 10. 1918 schloss die Türkei den Waffenstillstand von Mudros.

Deutsche Kolonien

Von den Gegnern wurden bald deutsche Kolonien erobert: 1914 Tsingtau (Qingdao) und Togo, 1915 Deutsch-Südwestafrika und 1916 Kamerun. Die deutsche Schutztruppe vermochte zwar Deutsch-Ostafrika nicht zu halten, leistete aber bis nach dem Waffenstillstand 1918 Widerstand.

See- und Luftkrieg

Kriegsschiff: Zarewitsch
Kriegsschiff Zarewitsch
Das russische Kriegsschiff »Zarewitsch« von 1915
Unterseeboot: Überwasserfahrt
Überwasserfahrt
Ein deutsches U-Boot während des 1. Weltkrieges auf Überwasserfahrt in das Einsatzgebiet.
Der mit illusionären Erwartungen begonnene Unterseebootkrieg fügte zwar dem Gegner beträchtliche materielle Verluste zu; er führte aber zum Kriegseintritt der USA, der die Niederlage der Mittelmächte zur Folge hatte. Die deutsche Schlachtflotte kam mit Ausnahme der Seeschlacht am Skagerrak (1916) nicht zum Einsatz.
Erst im Laufe des Krieges entwickelte sich der Luftkrieg. Französische und britische Bombenangriffe auf deutsche Städte wurden mit Luftangriffen auf französische und britische Städte (besonders London) erwidert. Die deutsche Luftüberlegenheit an der Westfront ging nach der Ankunft der Amerikaner verloren.

Kriegsende

Nach einem überstürzten, von der Obersten Heeresleitung zu verantwortenden deutschen Waffenstillstandsersuchen, das sich auf Präsident W. Wilsons „Vierzehn Punkte“ berief, endete der 1. Weltkrieg am 11. 11. 1918 durch den Waffenstillstand von Compiègne, der das Deutsche Reich wehrlos machte. 1919 folgten die Friedensschlüsse in den Pariser Vorortverträgen. Auf Seiten der Mittelmächte hatten 24,2 Mio. Soldaten an den Kämpfen teilgenommen, auf Seiten der Alliierten 42,9 Mio. Rund 10 Mio. Soldaten waren gefallen, 20 Mio. verwundet worden, 6,5 Mio. in Kriegsgefangenschaft geraten. Auf Deutschland kamen 1,8 Mio. Gefallene, 4,2 Mio. Verwundete und 600 000 Gefangene. Dem Nahrungsmangel infolge der Blockade fielen in Deutschland ca. 750 000 Menschen zum Opfer.
Weltkrieg I: Ende
Weltkrieg I: Ende
Die »Washington Times« verkündet im November 1918 in einem Extrablatt das Ende des Ersten Weltkrieges.
Weltkrieg I: Waffenstillstand
Weltkrieg I: Waffenstillstandsdelegation
In einem Eisenbahnwagen im Wald von Compiègne diktierte der französische Marschall Ferdinand Foch der deutschen Waffenstillstandsdelegation, die vom Zentrumsabgeordenten Matthias Erzberger geführt wurde, die alliierten Bedingungen zur Beendigung der Kampfhandlungen.

Politische Entwicklung in Deutschland

Der 1. Weltkrieg beendete für Deutschland eine Phase ununterbrochener Prosperität seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. In anfänglicher Kriegseuphorie erhoffte man von dem erwarteten raschen Sieg eine innere Versöhnung der in sich gespaltenen Nation durch grundlegende Reformen, die auf gemeinsamen Kriegsanstrengungen basieren würden. Der zunächst von allen Parteien gewahrte „Burgfrieden“ und die Ausgleichspolitik des Reichskanzlers Bethmann Hollweg scheiterten an unüberbrückbaren Gegensätzen in den Fragen der Kriegsziele und einer innenpolitischen Neuorientierung. In der Außenpolitik vertrat die eine Seite annexionistische Konzeptionen (Septemberprogramm, Kreuznacher Programm), die andere war um Ausgleich bemüht (undifferenziertes Friedensangebot der Mittelmächte 1916, Juliresolution 1917). Innenpolitisch scheiterte der Reformkurs mit der Osterbotschaft und der Entlassung Bethmann Hollwegs 1917. Seitdem standen sich die reaktionär-restaurativen, teils bereits auf eine moderne Militärdiktatur abzielenden Kräfte der 3. Obersten Heeresleitung (Hindenburg und Ludendorff), die einen Siegfrieden anstrebten, und die neue Mitte-Links-Mehrheit des Reichstages, die einen Verständigungsfrieden wünschte, unversöhnlich gegenüber. Die Heeresleitung fand breite Unterstützung in der Deutschen Vaterlandspartei und blieb politisch so lange bestimmend, wie Hoffnungen auf einen Sieg geweckt werden konnten. Die Reichstagsmehrheit stützte sich auf den Volksbund für Freiheit und Vaterland, kam aber erst zum Zuge, als die Niederlage der Mittelmächte feststand. Die Tatsache, dass Deutschland militärisch besiegt war, wurde jedoch schon bald nach Kriegsende von den Verfechtern eines Siegfriedens geleugnet (Dolchstoßlegende).
Die deutsche Nation war somit Ende 1918 tiefer gespalten als je zuvor. Bei dem Versuch, das Volk wieder zusammenzuführen, stand die neue Führung, die sich alsbald auf eine parlamentarisch-republikanische Staatsform einigte, vor größten Schwierigkeiten: Der Friede von Versailles war eine schwere Belastung, die vom Krieg verursachte materielle Not war lange Zeit nicht zu beheben, und die traditionelle Führungsschicht bestritt ihre Verantwortung für Krieg und Niederlage. Dies alles trug zum späteren Scheitern der Weimarer Republik bei.

Internationale Bedeutung

Der 1. Weltkrieg veränderte das Staatengefüge Europas. Zwei Vielvölkerstaaten Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich wurden aufgelöst, Russland verlor seine nichtrussischen Westgebiete. Zahlreiche neue Staaten entstanden, und viele neue Grenzen wurden verändert. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde jedoch nicht durchgesetzt; auch in den neuen Staaten bestanden weiterhin Probleme nationaler Minderheiten, oder es wurden neue derartige Probleme geschaffen. Das dynastische Prinzip erlitt eine Niederlage; die Monarchie verschwand in Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland und dem Osmanischen Reich. Der 1. Weltkrieg führte zur bolschewistischen Revolution in Russland und zum Eintritt der USA in die Weltpolitik. Das Jahr 1917, in dem beides geschah, wird vielfach als der eigentliche Schlusspunkt des 19. Jahrhunderts und Beginn einer neuen Epoche angesehen.

Der 2. Weltkrieg (19391945)

Der verlustreichste und verheerendste Krieg der bisherigen Geschichte hatte seine tieferen Ursachen in der Friedensregelung des 1. Weltkriegs, die, bedingt durch spezifische nationale Faktoren, vor allem in Deutschland, Italien und Japan nicht akzeptiert wurde. Daraus erwuchs in diesen Ländern eine zunehmend militante Revisionspolitik. Die übrigen Mächte suchten den Status quo im Kern durch begrenzte friedliche Revision und durch das neuartige Instrument des Völkerbundes zu sichern, scheiterten jedoch mit dem Versuch, auf diese Weise die Expansionswünsche der „Habenichtse“ einzudämmen. Deutschland, Italien und Japan betrieben ihre Außenpolitik im Wesentlichen unkoordiniert, doch wuchsen ihre Erfolgsaussichten mit ihren sich wechselseitig steigernden Herausforderungen an die Staatengesellschaft. Die entscheidende Zäsur bildete die Weltwirtschaftskrise seit 1929. Die dadurch verursachten Lähmungserscheinungen des internationalen Systems ermutigten die expansiven Mächte zum Krieg: Japan ab 1931 in der Mandschurei, Italien 1935 in Äthiopien und schließlich 1939 das Deutsche Reich. Ein politisches, militärisches und ideologisches Versuchsfeld war der Spanische Bürgerkrieg 19361939, in den Italien und Deutschland militärisch auf Seiten Francos, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion durch indirekte Unterstützung der legitimen republikanischen Regierung eingriffen.
Der 2. Weltkrieg kann nur zutreffend erfasst werden, wenn das umfassende Wehrpotenzial der Krieg führenden Staaten als Mittel zur Verwirklichung machtpolitischer, rassenideologischer und wirtschaftlicher Ziele gesehen wird. Neben der Auseinandersetzung der Großmächte umfasste er eine Vielzahl kleinerer Kriege oft regionaler Art zwischen anderen Mächten, die in Bündniskonstellationen eingebunden waren. Dennoch ist er als ein einheitliches Ganzes zu sehen, als ein Zusammenwirken gleichzeitiger Kämpfe zu Land, zur See und in der Luft. Dabei standen wiederum die Kriegsschauplätze auf den verschiedenen Kontinenten und Meeren in Wechselwirkung zueinander.

Vorgeschichte und Anlass

Die Revision des Versailler Vertrages war 1933 in Deutschland ein in den meisten Aspekten bereits erreichtes Nahziel. Nach dem Machtantritt Hitlers wurde daraus ein Schlagwort, mit dem sich Kriegsvorbereitungen tarnen ließen. Bei ständiger Beteuerung des deutschen Friedenswillens und gleichzeitiger massiver personeller und materieller Ausweitung der Wehrmacht gelang es schrittweise, die meisten verbliebenen Limitierungen der deutschen Handlungsfreiheit durch einseitige Akte zu beseitigen. Die offiziell vertretenen Parolen von Selbstbestimmungsrecht und Gleichberechtigung dienten dazu, das deutsche Volk hinter der nationalsozialistischen Führung zusammenzuschließen und dem Ausland deren weiter reichende Ziele zu verschleiern. Letztlich ging es Hitler darum, etappenweise die Voraussetzungen für einen Krieg um „Lebensraum“ gegen die Sowjetunion zu schaffen, dem sich dann in weiteren Auseinandersetzungen mit den verbliebenen Weltmächten ein Kampf um die Weltherrschaft anschließen musste. Diese Überzeugung vom permanenten Krieg war rassenideologisch motiviert und erhielt von daher ihre Brutalität wie auch ihre Immunität gegen neue Einsichten.
Der erste expansive Schritt Hitlers, der sich nicht mehr als Revisionsbestrebung verbrämen ließ, war die Zerschlagung der Tschechoslowakei im März 1939. Sie brachte dem Ausland vielfach Klarheit über die deutsche Kriegsentschlossenheit. Unmittelbar danach begannen militärische Planungen gegen Polen, das sich geweigert hatte, mit Deutschland eine gemeinsame Politik gegenüber der Sowjetunion zu betreiben und somit friedlich in den deutschen Machtbereich einbezogen zu werden. Als Vorwand für den Angriff dienten letztmalige Forderungen nach Korrektur der Versailler Ordnung: Rückkehr Danzigs zum Reich und exterritoriale Verkehrswege nach Ostpreußen. Polen, das sich durch eine Garantieerklärung der Westmächte für seinen Bestand in eigenen Großmachtambitionen bestärkt sah, lehnte diese Forderungen ab. Deutschland kündigte den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt und gleichzeitig das deutsch-britische Flottenabkommen. Mit Italien schloss es ein Militärbündnis („Stahlpakt“), das allerdings mehr deklarative Bedeutung hatte, da Italien erklärtermaßen nicht kriegsbereit war. Die deutsch-polnischen Spannungen wurden zielgerichtet propagandistisch erhöht. Ein deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt mit geheimen territorialen Absprachen sicherte die wohlwollende Neutralität und Unterstützung der Sowjetunion; als Reaktion folgte ein britisch-polnischer Beistandspakt. Nachdem Versuche zum Fernhalten der Westmächte gescheitert waren, begann der deutsche Angriff auf Polen am 1. 9. 1939. Ein britisch-französisches Ultimatum mit der Aufforderung, die Feindseligkeiten einzustellen, blieb unbeantwortet. Daraufhin erklärten Großbritannien und Frankreich am 3. 9. Deutschland den Krieg.

Der europäische Krieg 19391941

Polen wurde in einem fünfwöchigen Feldzug niedergeworfen. Ostpolen wurde von sowjetischen Truppen besetzt. Ein deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag besiegelte die Teilung Polens: Ostpolen kam zur Sowjetunion, Danzig und Teile West- und Nordpolens zu Deutschland. Der Rest des Landes wurde zum deutschen Generalgouvernement erklärt; dort etablierte sich eine brutale Besatzungsherrschaft. Die Sowjetunion betrieb anschließend eine aktive Politik der Machterweiterung. Sie stellte territoriale Forderungen an Finnland, die abgelehnt wurden, und griff daraufhin Finnland an; nach anfänglichen militärischen Rückschlägen im „Winterkrieg“ erreichte sie ihre Ziele in einem Friedensvertrag im März 1940. Im Juni des gleichen Jahres konnte sie aufgrund der Absprachen mit Deutschland die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie die rumänischen Gebiete Bessarabien und Nordbukowina besetzen.
Um einer alliierten Landeoperation zuvorzukommen, griff Deutschland am 9. 4. 1940 Dänemark und Norwegen an. Dänemark wurde kampflos besetzt; der letzte norwegische Widerstand wurde im Juni eingestellt. Britische Versuche, in die Kämpfe einzugreifen, blieben erfolglos.
Mit einem Angriff auf Frankreich und die neutralen Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg begann am 10. 5. 1940 der deutsche Westfeldzug. Die Niederlande und Belgien kapitulierten nach kurzer Zeit; nach sechs Wochen musste auch Frankreich die Waffen strecken. Dem britischen Expeditionskorps gelang der Rückzug über den Ärmelkanal. Nordfrankreich einschließlich Paris und ein Streifen an der Atlantikküste bis zur spanischen Grenze wurden von deutschen Truppen besetzt. In der unbesetzten Zone amtierte die französische Vichy-Regierung unter Marschall Pétain, die sich um Kollaboration mit Deutschland bemühte, während General de Gaulle von London aus die Fortsetzung des Kampfes proklamierte.
Nachdem Großbritannien ein Friedensangebot Hitlers zurückgewiesen hatte, bemühte sich dieser vergeblich um eine antibritische Kontinentalkoalition unter Einschluss der Sowjetunion. Die Luftoffensive gegen Großbritannien brachte nicht den gewünschten Erfolg; die erwogene Landung wurde nicht gewagt. Im September schloss Deutschland mit Italien und Japan den Dreimächtepakt, der hauptsächlich ein Eingreifen der USA verhindern sollte; er blieb jedoch politisch leer. Später traten ihm mehrere Balkanstaaten bei, nicht jedoch Spanien und Vichy-Frankreich.
Dreimächtepakt: Unterzeichnung
Unterzeichnung des Dreimächtepaktes
Am 29. September 1940 wird in Berlin von Deutschland, Italien und Japan der Dreimächtepakt unterzeichnet, der gegenseitige wirtschaftliche, politische und militärische Unterstützung für den Kriegsfall vorsieht und eine Gültigkeit von zehn Jahren haben soll. Das Bild zeigt den deutschen Außenminister J. von Ribbentrop (rechts), den japanischen Botschafter Saburo Kurusu (links sitzend), daneben Italiens Außenminister C. G. Ciano und Adolf Hitler.
Im Sog der deutschen Erfolge versuchte Italien einen „Parallelkrieg“ zur Gewinnung der Herrschaft über das Mittelmeer zu führen. Es nahm an der letzten Phase des Feldzuges gegen Frankreich teil, ergriff die Offensive in Nordafrika und griff im Oktober 1940 Griechenland an. Misserfolge der Italiener auf dem afrikanischen und dem griechischen Kriegsschauplatz nötigten Deutschland zum Eingreifen. Im Februar 1941 wurden deutsche Truppen nach Libyen entsandt; im April griff Deutschland Jugoslawien und Griechenland an und besetzte beide Länder. Jugoslawien, das sich geweigert hatte, dem Dreimächtepakt beizutreten, wurde als Staat zerschlagen. Zur gleichen Zeit wurde der deutsche Einfluss im Irak und Syrien durch britische und frei-französische Truppen ausgeschaltet. Im August 1941 wurde der Iran von britischen und sowjetischen Truppen besetzt.
Den Entschluss zum Angriff auf die UdSSR („Unternehmen Barbarossa“) fasste Hitler ganz allein. Trotz mancher Überlegungen in den militärischen Führungsgremien war es letztlich eine einsame Entscheidung des „Führers“. Zweifel und Alternativen wurden von ihm beiseite geschoben. Hitlers Ziele waren die Vernichtung des „jüdischen“ Bolschewismus, die Zerstückelung und wirtschaftliche Ausbeutung des Landes und die Gewinnung von „Lebensraum“ für das erstrebte „Großgermanische Reich“. Um jeglichen Widerstand von vornherein zu unterdrücken, erhielt H. Himmler mit der SS die Polizeiaufgaben übertragen. Die Ermordung der kommunistischen Funktionäre sollte nach der NS-Ideologie die Voraussetzung dafür schaffen, dass sich die Deutschen als „Herrenmenschen“ gegenüber einer rechtlosen Sklavenmasse etablieren konnten. Nach dem bereits in Polen praktizierten Verfahren galt auch die „Ausrottung“ der jüdischen Bevölkerung als „polizeiliche“ Maßnahme. Himmler ließ einen „Generalplan Ost“ entwerfen, mit dem innerhalb von 25 Jahren der eroberte Raum kolonisiert und von „germanischen Wehrbauern“ besiedelt werden konnte. Die „Endlösung der Judenfrage“ war darin eingebettet. Bereits im Zuge der Kampfhandlungen sollten SS und Polizei mit dem Massenmord beginnen.
Am 22. 6. 1941 begann der seit Juni 1940 vorbereitete Feldzug gegen die Sowjetunion. Auf deutscher Seite kämpften ungarische, rumänische, slowakische, finnische und italienische Truppen. Mit völkerrechtswidrigen Befehlen trug die Heeresführung dazu bei, dass Hitlers Absicht eines rassenideologischen Vernichtungskriegs realisiert wurde. Das traf nicht nur die Politkommissare der Roten Armee, die bei ihrer Gefangennahme sofort erschossen wurden, sondern auch Millionen von Rotarmisten, die als Kriegsgefangene Hunger, Seuchen und Zwangsarbeit erleiden mussten. Das deutsche Vorhaben, wie in den vorangegangenen Feldzügen den Gegner innerhalb weniger Wochen vernichtend zu schlagen, gelang nicht. Nach großen Anfangserfolgen kam die deutsche Offensive im Dezember vor Moskau zum Stehen; die Rote Armee ging zum Gegenangriff über. Damit war der deutsche Plan eines „Weltblitzkrieges“ noch vor dem erwarteten Eingreifen der USA gescheitert. Er hatte vorgesehen, nach schneller Niederwerfung der Sowjetunion durch den Balkan und die Türkei, von Libyen und eventuell auch von Transkaukasien aus gegen die britische Nahoststellung vorzugehen, Gibraltar zu erobern und die portugiesischen und spanischen Atlantikinseln zu besetzen, um einen blockadefesten Großraum zu schaffen.

Die Ausweitung zum Weltkrieg ab 1941

Japan führte seit 1937 Krieg gegen China. In seinem Streben nach Errichtung einer „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ entschloss es sich 1941 zur weiteren Expansion in Richtung Südostasien. Nachdem Versuche eines Ausgleichs mit den USA gescheitert waren, griff Japan am 7. 12. 1941 den US-amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor an. Damit begann der Pazifische Krieg. Obwohl durch den Dreimächtepakt nicht dazu verpflichtet, erklärten Deutschland und Italien den USA den Krieg. Japan eroberte in kürzester Zeit große Teile Südostasiens (Birma, Malaya, Singapur, Hongkong, Philippinen, Niederländisch-Indien, Neuguinea).
In der Sowjetunion kam es 1942 zu einer neuen deutschen Offensive; deutsche Truppen drangen bis in den Kaukasus und bis Stalingrad vor. In Nordafrika stieß das deutsche Afrika-Korps bis Al Alamein vor und bedrohte den Suezkanal. Im Atlantik erzielten deutsche Unterseeboote große Erfolge in der Versenkung feindlicher Handelsschiffe. Seit Mitte 1942 trat jedoch eine Wende an den meisten Fronten ein. In der See- und Luftschlacht bei den Midwayinseln wurde die japanische Offensive zum Stehen gebracht. Bei Stalingrad wurde im Winter 1942/43 eine deutsche Armee eingekesselt und vernichtet. Der deutsche Vormarsch in Nordafrika wurde zurückgeschlagen, und nach der Landung alliierter Truppen in Tunesien und Marokko ging Nordafrika ganz für die Achsenmächte verloren. Der deutsche Unterseebootkrieg brach im Mai 1943 zusammen. Im Juni 1943 begannen die massiven alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte.
Weltkrieg II: Midwayinseln
Seeschlacht bei den Midwayinseln
Durch den Sieg in der Seeschlacht bei den Midwayinseln 1942 brachen die USA die japanische Flottenüberlegenheit im 2. Weltkrieg.

Der Sieg der „Anti-Hitler-Koalition“

Mit der Ausweitung des Krieges entstand 1941 die „Anti-Hitler-Koalition“ zwischen Großbritannien, den USA und der Sowjetunion. Sie war von wechselseitigem Misstrauen und unterschiedlichen nationalen Interessen bestimmt. Während die Sowjetunion bis in die letzten Kriegstage nur gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten kämpfte, führten die Westmächte und ihre Verbündeten einen „Zwei-Ozeane-Krieg“. Allerdings blieb der Sowjetunion bis zur Errichtung der zweiten Front 1944 die Hauptlast der Kriegführung gegen Deutschland überlassen. Hinsichtlich der Kriegsziele bestand Einigkeit darin, dass zunächst die Gegner in Europa niederzuwerfen seien. Darüber hinaus sollten die besiegten Staaten politisch so umgestaltet werden, dass von ihnen nie wieder ein Krieg ausgehen könnte. Ein kollektives Sicherheitssystem sollte diese Regelungen ergänzen. Die USA hatten dabei eine neue Weltordnung in Gestalt von „Vereinten Nationen“ vor Augen, während die Sowjetunion mehr auf eine geographische und sozialrevolutionäre Absicherung ihres Machtbereichs abzielte.
An der Ostfront ging mit der Schlacht bei Kursk im Sommer 1943 die Initiative an die Sowjetunion über. Gleichzeitig landeten die Alliierten in Sizilien und anschließend auf dem italienischen Festland. Das faschistische Regime in Italien wurde gestürzt. Die neue Regierung schloss einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Deutschland besetzte Italien mit Ausnahme des schon in den Händen der Alliierten befindlichen Südens und setzte eine faschistische Marionettenregierung unter Mussolini ein. Im Juni 1944 begann die alliierte Invasion an der Küste der Normandie; damit war die zweite Front eröffnet.
Ende 1944 hatte Deutschland die meisten eroberten Gebiete (außer Norwegen und Dänemark) wieder verloren. In den ersten Monaten des Jahres 1945 wurde ganz Deutschland von sowjetischen und westalliierten Truppen besetzt. Im April trafen sich sowjetische und US-amerikanische Soldaten bei Torgau an der Elbe. Am 2. 5. fiel Berlin. Hitler hatte am 30. 4. Selbstmord begangen. Sein testamentarisch eingesetzter Nachfolger Dönitz leitete die bedingungslose Kapitulation Deutschlands ein, die am 7. 5. gegenüber den Westmächten und am 9. 5. gegenüber der Sowjetunion vollzogen wurde. Ein Alliierter Kontrollrat übernahm die Regierungsgewalt in Deutschland, das in vier Besatzungszonen aufgeteilt wurde. Die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie wurden abgetrennt und unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt.
Weltkrieg II: Rote Armee in Berlin
Rote Armee erobert den Reichtstag
Einheiten der Roten Armee erobern am 30. April 1945 nach erbitterten Gefechten den Reichstag in Berlin. Die Szene der Flaggenhissung wurde kurze Zeit später für das Aufnahmeteam der sowjetischen Wochenschau wiederholt.
Weltkrieg II: Deutsche Kapitulation
Kapitulationsunterzeichnung in Reims
Am 7. 5. 1945 wurde in der nordfranzösischen Stadt Reims die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte unterzeichnet.
Kontrollrat (1945)
Kontrollrat
Die Mitglieder des Alliierten Kontrollrates bei ihrer ersten Zusammenkunft am 5. Juni 1945 in Berlin.
Im Pazifik eroberten US-amerikanische und britische Truppen 19431945 gegen hartnäckigen Widerstand die meisten der von Japan besetzten Gebiete zurück („Inselspringen“). Aber erst der Abwurf von zwei US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima (6. 8. 1945) und Nagasaki (9. 8.) machte Japan kapitulationsbereit. Am 8. 8. erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und marschierte in die Mandschurei ein. Am 2. 9. unterzeichnete Japan die Kapitulation. Die USA besetzten die japanischen Hauptinseln und Südkorea; die Sowjetunion besetzte die Kurilen, Südsachalin und Nordkorea.

Das Kriegsbild

Der 2. Weltkrieg wurde von Deutschland mit dem Ziel des Erwerbs von „Lebensraum“ als rassenideologischer Vernichtungskrieg geplant und so auch im Osten geführt. Eine slawische Sklavenbevölkerung sollte von einer germanischen „Herrenrasse“ beherrscht und ausgebeutet werden. Darüber hinaus wurden von deutscher Seite keine tragfähigen Neugestaltungspläne für das von Deutschland beherrschte Europa entwickelt. Auf sowjetischer Seite wurde der „Große Vaterländische Krieg“ mit dem Appell an nationale Traditionen als Reaktion auf die deutsche Kriegführung sowie in Konsequenz der eigenen Militärdoktrin mit äußerster Härte geführt, z. T. als Partisanenkrieg. So kam es in Osteuropa zu einer neuen Qualität von Kriegführung, während in Westeuropa und im Mittelmeerraum der herkömmliche Charakter eines „europäischen Normalkrieges“ eher gewahrt blieb. Japan führte den Krieg in Ostasien mit großer Härte, nutzte jedoch gezielt die antikolonialen Interessen der eroberten Gebiete gegen die überkommenen Kolonialmächte.
Insgesamt entwickelte sich der 2. Weltkrieg immer mehr zu einem „totalen Krieg“ mit Eigengesetzlichkeit. Ausschlaggebend waren nicht mehr nur die Schlachten, sondern der Einsatz der gesamten Kraftquellen der Staaten. Nicht allein die Soldaten (Kombattanten nach Kriegsvölkerrecht) wurden vom Kriegsgeschehen betroffen, sondern in bisher unbekanntem Maße auch die Zivilbevölkerung. Am deutlichsten war diese Entwicklung im Luftkrieg. So starben bis zum Frühjahr 1941 mehr als 20 000 Menschen in England im deutschen Bombenhagel. Großbritannien und die USA verfügten über große Geschwader viermotoriger Bomber („Fliegende Festungen“). Mit gezielten Schlägen gegen deutsche Großstädte durch Flächenangriffe sollte die „Moral“ der Bevölkerung zerstört und der Zusammenbruch des Gegners beschleunigt werden. Diese Strategie blieb umstritten und traf Deutschland sowie Japan vor allem im letzten Kriegsjahr.
Vor einem vollständigen Sieg (oder einer totalen Niederlage) war Deutschland grundsätzlich nicht zum Friedensschluss bereit. Gleichermaßen erwarteten die Alliierten eine bedingungslose Kapitulation der Aggressoren (Erklärung von Casablanca, Januar 1943). Friedensbemühungen, die von neutralen Staaten, Kirchen und Widerstandskreisen unternommen wurden, waren daher zum Scheitern verurteilt; ebenso tastende Versuche der Sowjetunion, einen Separatfrieden zu erlangen.
Dresden: Zerstörung 1945
Dresden nach dem britischen Luftangriff 1945
Das zerstörte Dresden nach dem britischen Luftangriff in der Nacht zum 14. Februar 1945. Die Zahl der Todesopfer - zwischen 60 000 und 245 000 - kann nur geschätzt werden, da sich zum Zeitpunkt des schwersten Luftangriffs auf eine deutsche Stadt rund eine halbe Million Flüchtlinge in Dresden befanden.
Deutschland hatte dem Dilemma eines lange dauernden totalen Krieges unter Einsatz aller Ressourcen ursprünglich durch eine Blitzkriegsstrategie entgehen wollen; die Gegner sollten einer nach dem anderen rasch niedergeworfen und die Eroberungen zur Erweiterung der eigenen Basis genutzt werden. Nachdem diese Konzeption im Herbst 1941 gescheitert war, sah sich die deutsche Führung zu einer möglichst umfassenden Mobilisierung der Wirtschaft gezwungen. Die Sowjetunion, Großbritannien und vor allem die USA hatten diesen Weg schon früher eingeschlagen. Die Entfaltung aller Wirtschaftskräfte, die Entwicklung neuer Techniken, die Lösung von Transportproblemen und nicht zuletzt das Durchhaltevermögen der Bevölkerung wurden zu kriegswichtigen Faktoren. Folgerichtig wurde versucht, die eigene Bevölkerung ideologisch zu beeinflussen, aber auch auf die des Gegners durch Propaganda und direkte militärische Bedrohung (Bombenkrieg) einzuwirken.
Der ökonomische Aspekt spielte im 2. Weltkrieg eine große Rolle. Deutschland und Japan ging es bei ihrem Expansionsstreben auch um die Eroberung neuer Rohstoffquellen. Die Unterbindung kriegswichtiger Lieferungen und die Zerstörung kriegswichtiger Anlagen waren vorrangige Ziele. Der Anteil der Rüstungsausgaben am Bruttosozialprodukt, der in Friedenszeiten in den meisten Ländern zwischen 1 und 3% betragen hatte, stieg in Deutschland von 23% (1939) auf 61% (1944), in Großbritannien von 22% (1939) auf 64% (1944), in den USA von 11% (1941) auf 42% (1943). Wertmäßig verhielt sich die Rüstungsproduktion der Achsenmächte zu der der Anti-Hitler-Koalition 1941 wie 1: 2,4, 1943 jedoch wie 1: 3,4. An Treibstoffen produzierte die Anti-Hitler-Koalition 1944 etwa 29-mal so viel wie Deutschland. Die USA und Großbritannien lieferten an die Sowjetunion insgesamt 17,5 Mio. t Kriegsmaterial, darunter 13 000 Kampfflugzeuge, 2300 Geschütze, 400 000 Lastkraftwagen und 15 000 Flugzeuge.

Bilanz

Im 2. Weltkrieg standen 110 Mio. Menschen unter Waffen. Er forderte zwischen 55 Mio. und 62 Mio. Tote; hinzu kamen noch Vermisste. Die Sowjetunion verlor rund 27 Mio. Menschen (davon 7 Mio. Zivilisten), Deutschland 5,25 Mio. (500 000 Zivilisten), Polen 4,5 Mio. (4,2 Mio. Zivilisten, außerdem noch 1,5 Mio. in den von der Sowjetunion annektierten Gebieten), Jugoslawien 1,7 Mio. (1,28 Mio. Zivilisten), Frankreich 810 000 (470 000 Zivilisten), Großbritannien 386 000 (62 000 Zivilisten), Italien 330 000, die USA 259 000, Japan 1,8 Mio. (600 000 Zivilisten). Die chinesischen Verluste werden auf mindestens 9 Mio. geschätzt.
Der Versuch der aggressiven Mächte, die Landkarte zu ihren Gunsten zu verändern, hätte nur bei schneller Eroberung blockadefester und autarker Wirtschaftsräume eine gewisse Erfolgschance gehabt. Dass dies nicht gelang, wurde in Europa bereits im Herbst 1941, in Asien im folgenden Jahr deutlich. Fortan setzte sich unbeschadet militärischer Einzelleistungen mehr und mehr das überlegene Potenzial der Gegenkoalition durch. Diese Koalition war sich vornehmlich im negativen Ziel einer Niederringung der Aggressoren einig. Sie trug von Beginn an den Keim von Konflikten in sich, die sich aus unterschiedlichen ideologischen Vorstellungen und nationalen Machtinteressen ergaben. Der Ost-West-Konflikt hatte seinen Ursprung in der Kriegskoalition, auch wenn er erst nach 1945 manifest wurde. Entscheidende Etappen dazu waren die von der Sowjetunion seit 1944 getroffenen Maßnahmen zur gesellschaftlichen und politischen Umgestaltung in Ost- und Ostmitteleuropa, besonders in Polen; ferner die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der USA auch gegenüber dem Partner Sowjetunion (Reparationsfrage).
Der 2. Weltkrieg war ein entscheidender Schritt zur Dekolonialisierung. Die aggressiven Mächte, die sich anschickten, neue Kolonialreiche zu erobern, förderten in unterschiedlichem Maße kurzfristig antikoloniale Bestrebungen in Nahost, Asien und Afrika. Die westlichen Kolonialmächte sahen sich unter eigener Bedrohung zu einer Lockerung ihrer Herrschaft in abhängigen Gebieten gezwungen, mussten z. T. sogar für die Nachkriegszeit die Unabhängigkeit versprechen. So wurde die Kolonialherrschaft nach 1945 nur bedingt und mühsam, wenn auch z. T. unter großem Aufwand, restauriert. Somit liegen die Ursprünge des Nord-Süd-Konflikts durch die Emanzipation der Dritten Welt ebenso im 2. Weltkrieg wie die des Ost-West-Konflikts. Hierdurch erst wird die weltweite Dimension dieses Krieges deutlich.
Eine umfassende Friedensregelung über die Gründung der UNO hinaus kam wegen der wachsenden Spannungen zwischen den Siegermächten nicht zustande. 1946/47 wurden in Paris Friedensverträge mit den europäischen Verbündeten Deutschlands geschlossen, 1951 der Friede von San Francisco mit Japan (dem jedoch die Sowjetunion nicht beitrat), 1955 der Staatsvertrag mit Österreich. Ein Friedensvertrag mit Deutschland oder den 1949 gebildeten beiden deutschen Staaten wurde nicht geschlossen; eine abschließende Regelung und die volle Wiederherstellung der deutschen Souveränität brachte erst der Zwei-plus-vier-Vertrag von 1990.

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