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Wildunfälle: Wie lässt sich die Kollision von Tier und Auto verhindern?
Im Herbst ist das Gewusel im Wald besonders groß: Viele Wildtiere suchen zu dieser Jahreszeit intensiv nach Nahrung, um sich auf die kargen Wintermonate vorzubereiten. Zudem paaren sich Wildschweine und Damhirsche im Oktober und November besonders aktiv. Doch auf dem Weg zu Futterplätzen oder Paarungspartnern müssen sie häufig Straßen überqueren – der sogenannte Wildwechsel.
Wildunfälle: Höheres Risiko im Herbst
Da die Tage im Herbst außerdem kürzer werden, fahren mehr Menschen als im Sommer in der Dämmerung oder Dunkelheit mit dem Auto. Besonders in Wäldern, wo die Straßen schlechter beleuchtet sind, steigt deshalb das Risiko von Wildunfällen. In Deutschland kollidiert durchschnittlich etwa alle zweieinhalb Minuten ein Auto mit einem Reh, Fuchs oder Wildschwein – insgesamt ereignen sich rund 250 000 Unfälle pro Jahr. Für die Tiere endet der Zusammenstoß meist tödlich.
Doch auch für Autofahrer besteht Verletzungsgefahr. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2022 in Deutschland rund 2 600 Verunglückte durch Wildunfälle. „Gerade in den kommenden Wochen sollten Autofahrer also besonders vorsichtig fahren“, rät Jörg Asmussen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Sicheres Autofahren bei Wildwechsel
Um das eigene Leben und auch die Waldtiere zu schützen, raten Experten vor allem eins: Vorsichtig fahren. Dies gilt besonders frühmorgens und spätabends, wenn es dämmert, denn diese Zeit fällt mit dem Wildwechsel zusammen. Konkret bedeutet „vorsichtig fahren“ vor allem, die Geschwindigkeit zu drosseln. Auch die Straßenränder sollten Autofahrer im Blick behalten, denn Wildtiere springen oft plötzlich aus dem Unterholz auf die Straße.
Steht tatsächlich ein Reh, eine Horde Waschbären oder sogar ein massiges Wildschwein am Straßenrand, ist eine schnelle Reaktion gefragt: Dann raten Experten, das Fernlicht abzublenden und abzubremsen – wer statt 100 beispielsweise 80 Kilometer pro Stunde fährt, kann seinen Bremsweg bereits um 25 Meter verkürzen. Hupen hilft zusätzlich, das Wild zu verscheuchen.
Instinktives Verhalten macht Rehe besonders unfallgefährdet
Rennen die Wildtiere einem trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen unverhofft vors Auto, droht ein Zusammenprall. Denn besonders Rehe fliehen häufig nicht zurück in den Wald, wenn ein Auto auf sie zurast, sondern bleiben instinktiv stehen. Deshalb belegen die scheuen Bambis laut Auswertung des Tierfund-Katasters auch den traurigen Spitzenplatz mit knapp der Hälfte aller gemeldeten Wildunfälle.
Der Grund: Wenn ein Auto auf ein Reh zukommt, weiß dieses gar nicht, dass es sich in Gefahr befindet und bleibt stehen, um die Situation besser einzuschätzen. Dann blendet das grelle Scheinwerferlicht des Autos die sonst nachtsichtigen Tiere so stark, dass sie eine Art „Tunnelblick“ entwickeln und keinen Fluchtweg mehr ausmachen können.

Kollision mit Wild – was nun?
Doch selbst der größte Tierliebhaber sollte auf Kollisionskurs mit einem Wildtier nicht ausweichen – auch aus Selbstschutz, um nicht in den Gegenverkehr oder von der Straße abzukommen. „Die Kollision mit einem anderen Auto oder einem Baum ist in der Regel gefährlicher als der Zusammenprall mit einem Wildtier“, erklärt Asmussen. Stattdessen sollten Fahrer das Bremspedal durchdrücken, aber geradeaus steuern.
Nach dem Zusammenstoß ist es laut Experten dann wichtig, die Unfallstelle klassisch abzusichern. Das bedeutet: Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen, ein Warndreieck aufstellen und anschließend die Polizei verständigen.
Den verletzten oder verendeten Tieren auf der Straße sollten die Autofahrer sich hingegen nicht nähern und auch geflüchteten Rehen, Hirschen oder Wildschweinen auf gar keinen Fall folgen. Denn besonders schwer verletzte Tiere haben Todesangst – das bedeutet auch Verletzungsgefahr für Menschen, wenn sie ihnen zu nahe kommen. Deshalb ruft die Polizei häufig extra einen Jäger oder Förster, der das verletzte Tier sucht und sich darum kümmert.
Leuchtende Geweihe für mehr Sicherheit
Um Wildunfällen vorzubeugen, existieren teilweise kreative Ideen. Beispielsweise besprühen finnische Hirten das Geweih oder auch das Fell von Rentieren etwa mit reflektierender Farbe. So können Autofahrer die Wildtiere im Dunkeln früher und schneller erkennen und frühzeitig adäquat handeln.
„Das Spray wird derzeit an Pelzen getestet, aber auf dem Geweih kann es noch wirksamer sein, weil es von allen Seiten sichtbar ist“, erklärt Anne Ollila von der finnischen Rentierhirtenvereinigung gegenüber dem BBC. Dieses spezielle Farbspray befindet sich derzeit allerdings noch in der Testphase – unklar ist daher beispielsweise noch, wie lange und wie gut es auch bei Regen oder Schnee hält.