wissen.de Artikel
20 Jahre Kyoto-Protokoll: Was hat es bewirkt?
1995 gelang dem Physiker Klaus Hasselmann der Beweis: Der Klimawandel ist menschengemacht. Die bereits damals gemessene Erderwärmung lässt sich vor allem auf den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zurückführen. Die CO2-Emissionen zu reduzieren, stand in den 1990er Jahren jedoch passenderweise ohnehin auf der internationalen Agenda.
Ein langer Weg
Bereits 1992 – drei Jahre vor Hasselmanns Beweis – trafen sich Abgesandte und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zur Konferenz der Vereinten Nationen (UN) über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro. Auf dieser Konferenz unterzeichneten die beteiligten Länder die sogenannte Klimarahmenkonvention, die verschiedene soziale, wirtschaftliche und umweltpolitische Ziele festlegte. Im Rahmen dieser Konvention sagten die Industrieländer unverbindlich zu, ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu senken.
Auf der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin einigten sich die Mitgliedsstaaten dann darauf, ein Zusatzprotokoll mit konkreten Verpflichtungen für die Industrieländer zu erarbeiten. 1997 auf der dritten UN-Klimakonferenz im japanischen Kyoto verabschiedeten sie nach langen Verhandlungen schließlich das gleichnamige Protokoll. „Wir saßen in dem Raum und warteten die ganze Nacht“, erinnert sich Hartmut Graßl, der damals als Direktor des Weltklima-Forschungsprogramms der UN die Verhandlungen in Kyoto miterlebt hat. „Immer auf den letzten Drücker. So ist das, wenn Menschen etwas entscheiden müssen.“
Zwei Bedingungen
Damit das Kyoto-Protokoll in Kraft treten konnte, mussten jedoch zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen mussten mindestens 55 Staaten den Vertrag unterzeichnen. Zum anderen mussten diese Länder zusammengerechnet für mindestens 55 Prozent des CO2-Ausstoßes im Jahr 1990 verantwortlich gewesen sein. Bis beide Bedingungen erfüllt waren, vergingen sieben Jahre, sodass das Abkommen erst am 16. Februar 2005 in Kraft trat.
Die USA unterzeichneten den Vertrag als einziges Industrieland nie. Kanada trat 2011 aus dem Abkommen aus. Staaten, die damals als Schwellen- und Entwicklungsländer galten, wie beispielsweise China und Indien, mussten sich den Zielen des Kyoto-Protokolls nicht verpflichten. 2023 zählt China mit einem Anteil von knapp 31 Prozent jedoch als Land mit dem größten CO2-Ausstoß gefolgt von den USA mit 13 Prozent und Indien mit acht Prozent.
Dealen mit sechs Treibhausgasen
Aber was genau legte das Kyoto-Protokoll fest? Das zentrale Ziel des Klimaschutzvertrags war es, den Ausstoß der sechs wichtigsten Treibhausgase – CO2, Methan, Distickstoffoxid, Schwefelhexafluorid, Fluorkohlenwasserstoffe und halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe – zu begrenzen. Die Industriestaaten verpflichteten sich, ihre Treibhausgasemissionen in den Jahren 2008 bis 2012 um 5,2 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken – die Europäische Union verpflichtete sich zu einer Reduzierung um acht Prozent.
Doch das Abkommen hatte eine Besonderheit: Beteiligte Länder konnten mit ihren Emissionsrechten handeln. Große Konzerne, wie beispielsweise Betreiber von großen Kraftwerken, durften im Rahmen des Vertrags nur eine bestimmte Menge Treibhausgase ausstoßen. Diese Menge bekamen sie in Form von Zertifikaten zugeteilt. Überschritten sie die Menge, mussten sie Zertifikate hinzukaufen. Unterschritten sie sie jedoch, konnten sie die verbleibenden Freimengen an andere Konzerne oder Staaten verkaufen und so sogar Gewinne erzielen.
Zusätzlich konnten sich auch ganze Industrienationen Emissionen hinzukaufen. Im Gegenzug mussten sie Projekte zur Emissionsreduzierung in Entwicklungsländern umsetzen. „Der Atmosphäre ist es doch egal, wo Emissionen eingespart werden“, sagt Graßl. „Das können Sie in München oder in Asien machen.“
Was hat das Kyoto-Protokoll geschafft?
Aber erreichten die Staaten die Ziele, die sie sich gesetzt hatten? Alle Länder, die sich im Rahmen des Abkommens zu quantitativen Zielen zwischen 2008 und 2012 verpflichtet hatten, hielten diese auch ein und gingen sogar über sie hinaus. Die Emissionen aller beteiligten Staaten gingen um über 20 Prozent zurück – ein Vierfaches des angestrebten Fünf-Prozent-Ziels. Die EU reduzierte ihre Treibhausgasemissionen um knapp zwölf Prozent, Deutschland sogar um knapp 23 Prozent.
„Allerdings können die erzielten Emissionsreduktionen nicht ausschließlich auf das Kyoto-Protokoll zurückgeführt werden“, schreibt die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. „So trugen der Zusammenbruch der Industrieproduktion in den ehemaligen Staaten des Ostblocks zu Beginn der 1990er Jahre und die 2008 einsetzende globale Finanzkrise entscheidend zur Reduktion von Treibhausgasemissionen bei.“
Trotz des Erfolgs des Kyoto-Protokolls ist der globale Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 jedoch bis 2010 um rund 29 Prozent angestiegen. Ein Grund dafür: Die USA und Schwellenländer wie China, Mexiko, Brasilien und Indien haben ihren CO2-Ausstoß in der Zwischenzeit immer weiter gesteigert.
Erbe des Kyoto-Protokolls: Das Pariser Klimaabkommen
2020 lief der Klimaschutzvertrag schließlich aus. Fünf Jahre zuvor einigten sich 197 Staaten und die EU mit dem Pariser Klimaabkommen auf einen neuen Vertrag zum Bremsen des Klimawandels. Das Ziel diesmal: Die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Allerdings ist dieses Ziel des Kyoto-Protokoll-Nachfolgers jetzt schon kaum noch zu erreichen, warnen Experten.