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Wie wir uns ohne GPS in der Natur orientieren können
"Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergeh‘n, im Norden ist sie nie zu sehen."
So lautet ein bekanntes Sprichwort. Tatsächlich lässt sich die Himmelsrichtung grob über den Sonnenstand bestimmen. Morgens steht sie im Osten, mittags im Süden, abends im Westen. Das funktioniert allerdings nur zuverlässig in Mitteleuropa. In anderen Regionen kann der Sonnenverlauf abweichen.
Wer eine Uhr mit Ziffernblatt dabei hat, kann sie sogar als Kompass verwenden. Dafür hält man die Uhr waagerecht und richtet den Stundenzeiger auf die Sonne. Eine gedachte Linie zwischen dem Stundenzeiger und der 12-Uhr-Marke zeigt dann nach Süden, die entgegengesetzte Richtung nach Norden. In der Sommerzeit verschiebt sich die Uhrzeit allerdings um eine Stunde, deshalb nimmt man statt der 12 die 1-Uhr-Marke. Ein altbewährter Trick, den schon Pfadfinder und Soldaten verwendet haben.
Wie Sterne die Richtung zeigen
Wenn der Himmel klar ist, können wir uns nachts auch an den Sternen orientieren. Besonders hilfreich ist dabei das bei uns hoch am Himmel stehende Sternbild des Großen Wagens, das schon früh Seefahrern als Wegweiser diente. Er sieht aus wie eine Schubkarre und besteht aus sieben sehr hellen Sternen. In Deutschland können wir den Großen Wagen das ganze Jahr über sehen.
Um mit Hilfe dieses Sternbilds den Norden zu finden, zieht man von den beiden hinteren Sternen der „Ladefläche“ eine gedachte Linie nach oben und verlängert sie etwa fünfmal. An dieser Stelle befindet sich der Polarstern. Er steht über dem Nordpol der Erde und markiert damit die Nordrichtung. Zudem bleibt er die ganze Nacht über an derselben Stelle, während alle anderen Sterne langsam „weiterwandern“.
Einen weiteren Richtungshinweis kann auch die Kassiopeia geben – das „Himmels-W". Auch dieses Sternbild ist bei uns in Mitteleuropa ganzjährig am Nachthimmel zu sehen und findet sich meist im Nordosten. Der Clou dabei: Die mittlere Spitze des „W" zeigt direkt auf den Polarstern und damit ebenfalls nach Norden.
Warum Moos nicht immer Richtung Norden wächst
Landläufiger Meinung nach wächst Moos vorwiegend auf der Nordseite von Baumstämmen und kann so auch dabei helfen, die Richtung zu finden. Doch das stimmt so nicht. Entscheidend für das Mooswachstum sind Feuchtigkeit, Schatten und Untergrund. Moose haben keine echten Wurzeln und nehmen Wasser direkt aus der Luft oder von der Oberfläche auf, auf der sie wachsen. Trockenheit und Sonne vertragen sie schlecht.
Deshalb findet man Moosaufwuchs oft an schattigen, feuchten Stellen von Stämmen oder Felsen – die in Mitteleuropa häufig auf der auf deren Nordseite liegen, aber nicht immer. In einem dichten Wald kann es am Boden und an den unteren Stammabschnitten überall schattig und feucht genug sein, weil das Kronendach kaum Licht durchlässt. Daher sollte man sich nicht auf allein auf das Moos als Richtungsanzeiger verlassen.
Orientierung an Bäumen
Doch trotzdem können wir uns an Pflanzen orientieren, denn in Europa weht der Wind meistens aus Westen. Dadurch stehen viele Bäume leicht schräg in Richtung Osten. Auf der Westseite sind sie oft stärker vom Wind geformt und manchmal auch etwas kahl oder schief. Die Ostseite dagegen ist geschützter und wächst meist dichter. So kann auch die Wuchsrichtung der Bäume einen Hinweis auf die Himmelsrichtungen geben.
Ob Polarstern, Sonne oder Bäume – auch wenn moderne Technik uns heute fast überallhin führt, lohnt es sich, die alten Orientierungsmethoden zu kennen. Das kann im Notfall hilfreich sein oder auch eine Wanderung zu einem kleinen Abenteuer werden lassen.