Impfen gehört zu den effektivsten Instrumenten gegen Krankheiten, die wir heute haben. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass heute Kinderlähmung, Pocken und Diphterie bei uns kein Thema mehr sind. Die Europäische Impfwoche vom 22. bis 26. April 2014 soll zum einen daran erinnern, zum anderen ein Zeichen gegen die vor allem bei uns grassierende Impfmüdigkeit setzen. Was aber ist wirklich nötig und was nicht?
Das Rahmenkonzept der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert“ listet auch und gerade zum Thema Impfen umfassende Informationen und Empfehlungen auf. Jahresaktuell verweist auch die Ständige Impfkommission (Stiko), ein Expertengremium am Robert-Koch-Institut, auf die Dringlichkeit von Impfung für spezielle Risikogruppen. Dazu zählen beispielsweise Menschen über 60 Jahre und Bewohner von Senioren- oder Pflegeheimen, Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Asthma, Diabetes oder Multipler Sklerose oder werdende Mütter ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Ebenso werden Impfungen vor Reisen in spezielle Länder und generell bei Berufsfeldern mit gesteigerter Ansteckungsgefahr befürwortet. Bei Angestellten in Krankenhäusern, Arztpraxen, Kindertagesstätten und vergleichbaren Einrichtungen ist die Gefahr, sich selbst oder andere anzustecken, besonders hoch!
Da das Ziel der WHO, Masern und Röteln bis 2010 durch Impfung zu eliminieren, nicht erreicht werden konnte, wurde der zeitliche Rahmen auf das Jahr 2015 ausgedehnt. Von entscheidender Bedeutung ist hier die so genannte Durchimpfungsrate, die beispielsweise im Fall von Masern bei 95 Prozent liegen muss, um diese Infektionskrankheit endgültig auszurotten – was Amerika im Gegensatz zu Europa bereits gelungen ist. Auch im Kampf gegen die gewöhnliche Grippe hinkt man dem erklärten Ziel einer Durchimpfungsrate von 75 Prozent stark hinterher. Die Impfbereitschaft innerhalb der Risikogruppen der älteren Bevölkerung, der chronisch Kranken und des medizinischen Personals ist bisher nicht stark genug ausgeprägt.
Impfen nach Plan
Weitere Impfempfehlungen der WHO betreffen Hepatitis-B-Neuinfektionen sowie Mumps und Keuchhusten. Auch diese Krankheiten sollen erheblich reduziert werden. Und ebenso wie Masern will man auch angeborene Röteln und Diphtherie europaweit vollständig ausrotten.
Dafür müssten 95 Prozent der Kinder vollständig - also zweimal - gegen Masern geimpft werden. Besonders bei der zweiten Masern-Impfung hapert es in Deutschland laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) jedoch noch. Deutschland falle sogar deutlich hinter andere europäischen Länder zurück. Auffällig ist, dass die Impfquote in den neuen Bundesländern generell über der der alten Länder liegt. Ein möglicher Grund: In der DDR bestand noch bis zur Wiedervereinigung eine gesetzliche Impfpflicht, Impfungen werden daher nach wie vor selbstverständlicher wahrgenommen.
Impfbereitschaft oder Impfmüdigkeit?
Alles andere als zufriedenstellend sind die Impfraten bei Hepatitis B sowie Keuchhusten, ebenso wenig bei der zweiten Mumps- und Röteln-Impfung. Auch die Auffrischungsimpfungen im Jugend-und Erwachsenalter werden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts zu wenig in Anspruch genommen.
Positiv ist dagegen, dass bei den insgesamt ziemlich hohen Impfraten bei Kindern in den letzten Jahren noch eine Steigerung verzeichnet werden konnte. Deutsche Eltern haben an sich nichts gegen den kleinen Piekser einzuwenden: Nur zehn Prozent sehen Impfungen kritisch und nur ein sehr kleiner Teil lehnt Impfungen generell ab. Wobei festzustellen ist, dass Eltern mit mittlerem Sozialstatus ihre Kinder häufiger impfen lassen als Eltern mit niedrigem oder hohem Sozialstatus. Kinder aus Migrantenfamilien weisen laut KiGGS (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts) besonders häufig Impflücken auf.
Wie sinnvoll eine flächendeckende Impfung jedoch ist, zeigt sich laut BZgA am Fall der Diphtherie. Hier sei es in Osteuropa in den 1990er Jahren wegen eines mangelhaften Impfschutzes zu Ausbrüchen mit hohen Erkrankungszahlen gekommen.
Beim Thema Impfen haben Ärzte eine Vorbildfunktion
Die Ergebnisse einer BZgA-Umfrage belegen, dass für mehr als 90 Prozent aller Eltern das Gespräch mit dem Arzt die ausschlaggebende Informationsquelle zur Impfung ihrer Kinder sei. Und so bestätigen ebenso 41 Prozent der Eltern, die Impfungen skeptisch gegenüber stehen, dass es der Arzt war, der ihnen von einer Impfung abgeraten hatte. Die Zahlen, die das Robert-Koch-Institut dazu vorlegt, stimmen in die Ermahnung der Vorbildfunktion der Ärzteschaft mit ein. Den Untersuchungen zufolge ließen sich nämlich nur 60 Prozent der Allgemeinmediziner regelmäßig gegen Influenza impfen und 23 Prozent hätten sich bisher gar keiner Grippe-Impfung unterzogen. Die Hauptbegründung lautet, die Impfung sei „nicht notwendig“. Hier sehen Experten akuten Handlungsbedarf.