Was ist eigentlich schön? Die Meinungen darüber mögen auseinandergehen, dennoch finden sich in jeder Epoche vorherrschende Schönheitsideale. Das Idealbild der Frau des Barock würde heute als mollig gelten und die Verteufelung der Körperlichkeit, wie sie im Mittelalter propagiert wurde, stößt in der modernen Gesellschaft auf Unverständnis. Der folgende Artikel beleuchtet, wie sich die Schönheitsideale im Wandel der Zeit veränderten. Weiterhin wird darauf eingegangen, welches Konstrukt von Ästhetik moderne Medien schaffen und wie diese Illusion des perfekten Menschen reale Personen in ihrer Selbstwahrnehmung beeinflusst.
1. Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Im Laufe der Jahrtausende hat die Vorstellung davon, was schön und attraktiv ist, immer wieder starke Wandlungen erfahren. Es folgt eine Übersicht der Schönheitsideale ausgewählter Epochen.
Die Steinzeit – Die üppige Venus von Willensdorf

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Das alte Ägypten – Das Streben nach Vollkommenheit

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Das alte Griechenland – Das athletische Männerbild

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Die Römer – Badehäuser als Wellness-Tempel
Wie Statuen und Fresken aus dieser Zeit belegen, hatte das Schönheitsideal der römischen Antike starke Ähnlichkeit mit dem der alten Griechen. Jedoch galt Fettleibigkeit bei den Römern nicht mehr als Makel. Im Gegenteil, wer wohlbeleibt war, zeigte damit seinen Reichtum an. In den römischen Kolonien entstanden zudem zahlreiche Badehäuser und es kristallisierte sich schnell eine echte Wellness-Kultur heraus. Die römischen Krieger, welche gegen die Barbaren kämpften, wollten sich deren Gestank abwaschen und suchten unter anderem deshalb regelmäßig die Badehäuser auf. Den Frauen des alten Rom war zudem das Make-up bekannt. Im Grab vom Poppäa, der Frau Neros, wurde Lippenstift aus Zinnober sowie grüne Schminke aus Malachit gefunden. Nach dem Zerfall des römischen Reiches wurde das Tragen von Make-up als heidnisch angeprangert und das Schönheitsideal des natürlich blassen Teints setze sich durch.
Das Mittelalter – Verbannung des menschlichen Körpers in die Welt des Bösen
Der immer stärkere Einfluss, den das Christentum im Mittelalter auf alle Lebensbereiche der Menschen nahm, wirkte sich auch auf die Vorstellung von Schönheit aus. Als schön galt eine Frau im Mittelalter, wenn sie eine mädchenhafte und schlanke Figur hatte. Ihre Brüste sollten klein und fest und ihre Hüften schmal sein. Auf Gemälden dieser Zeit wurden Frauen meist androgyn dargestellt. Frauen mit kurvenreichen Körpern galten als gefährliche Verführerinnen, seit sich der Glaube an den von Eva ausgelösten Sündenfall und der darauf folgenden Vertreibung aus dem Paradies durchgesetzt hatte.

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Von der Klassik bis zum Barock – Der Körper als Gegenstand der Macht
Wurde Körperlichkeit im Mittelalter noch als Ausdruck göttlicher Willkür erlebt, ändert sich diese Ansicht mit dem Ausklingen der Epoche. Nun wurde der Körper als Werkzeug angesehen, welches sich gegenüber der göttlichen Instanz emanzipiert hat, so der Artikel „Disziplinierungstechnologien und moderner Körperkult“. Der Körper wurde zum Träger des Selbst, zu einem Subjekt der freiwilligen Disziplinierung und somit auch zu einem Gegenstand der Macht. Dies zeigt sich auch daran, dass unzählige anatomische Studien angefertigt wurden. Im Mittelalter wäre solch ein wissenschaftliches Interesse an der Körperlichkeit noch auf Unverständnis gestoßen. Doch wie wirkte sich diese Entwicklung auf das geltende Schönheitsideal aus?
In der Renaissance galten üppige Frauen als schön. Starke Hüften waren ein Zeichen für Weiblichkeit. Arme und Beine wurden auf Gemälden dennoch dünn dargestellt und der Busen der idealen Frau erinnerte eher an den eines Teenagers. Im Gesicht waren Zeichen der Wohlgenährtheit wiederum erwünscht. Runde und weiche Gesichtszüge sowie ein leichtes Doppelkinn standen hoch im Kurs. Blond war weiterhin die bevorzugte Haarfarbe. Jedoch nicht das hellblond des Mittelalters, sondern ein warmes goldblond. Frauen setzen ihre Haare deshalb tageslang der Sonne aus, nutzen Tinkturen oder flochten sich gelbe Seidenbänder ins Haar. Natürlich konnten sich nur Frauen von Stand derlei Verschönerungsmaßnahmen erlauben. Braune Augen und ein wohlproportionierter und roter Mund vervollständigten das perfekte Gesicht.

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Das 19.Jahrhundert – Pragmatismus der Körperlichkeit

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Das 20.Jahrhundert – Der Beginn der modernen Schönheitsideale
Im 20. Jahrhundert kam es zu einem grundlegenden Wandel des Schönheitsideals. Was bis dahin das Korsett geleistet hatte, musste nun durch Disziplin bewerkstelligt werden – die perfekte Figur. Während zu Anfang des Jahrhunderts noch dralle Dekolletés gefragt waren, setzte in den 20er Jahren der erste Schlankheitswahn ein. Im Zuge der Jugendbewegung galten schlanke, junge und gesunde Körper sowohl für Männer als auch für Frauen als erstrebenswert. Auch der Teint wies nun eine natürliche Bräune auf. Der Bubikopf setzte sich als beliebter Frauenhaarschnitt durch. Der 1. Weltkrieg hatte das Leben der weiblichen Bevölkerung verändert. Frauen führten nun ein selbstbestimmteres Dasein und zeigten dies auch durch ihr Erscheinungsbild. Knielange Röcke, schwarz umrandete Augen und jede Menge Strass zierten die Körper der Frauen, wenn sie sich zum Besuch eines der vielen Tanzpaläste aufmachten.
Die Nationalsozialisten setzten diesem Trend ein jähes Ende und propagierten den blonden, blauäugigen und möglichst athletisch gestählten Menschen. Für Männer und Frauen war Schlanksein Pflicht, auch wenn die Frauenkörper wieder mehr weibliche Rundungen zeigten, als dies noch in den 20er Jahren der Fall war.
Die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war wiederum durch rundliche Formen geprägt. Sie vermittelten in dieser entbehrungsreichen Phase der deutschen Geschichte den Eindruck von Gesundheit und Wohlstand. Sowohl Männer als auch Frauen durften also gerne ein paar Pfund mehr auf den Hüften haben.

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Einen starken Bruch leitete das Magermodel Twiggy ein. Hagere, dünne Frauen mit mattierten Lippen und schwarz geschminkten Augen wurden zum neuen Schönheitsideal erklärt. In den 70er Jahren waren eine schmale Taille sowie eine volle Haarpracht besonders begehrenswert. Auch die Männer trugen nun hautenge Hosen und zeigten somit ihre Figur deutlicher als dies bisher der Fall war.
Die 80er Jahre können zweifelsohne als Dekade der dekorativen Kosmetik bezeichnet werden. Symmetrische Gesichtszüge und intensives Make-up zierten die Werbeanzeigen der Modehersteller und der Kosmetikindustrie. Die Männer wurden vom damaligen Bodybuilding-Hype mitgerissen und stählten ihre Körper fortan in Fitnessstudios.
In den 90er Jahren wurden die Diskussionen um den Schlankheitswahn immer heftiger, was nicht zuletzt an dem berühmten und sehr mageren Model Kate Moss lag.
Das Schönheitsideal differenzierte sich in der Folge. Die sportlich-schlanken Idealmaße von 90-60-90 blieben für Frauen aber weiterhin erstrebenswert.
2. Die Rolle der Medien bei der Konstruktion von Schönheitsidealen

Schönheitsideale im Wandel der Zeit
Mediale Vorbilder – Die Illusion des perfekten Menschen
Die Medien bestimmen, was schön ist und was nicht. Oft ist es Frauen wie Männern gleichermaßen nicht möglich, diesen medialen Vorbildern zu entsprechen, denn sie konstruieren die Illusion des perfekten Menschen. Es wird verändert, retuschiert und beschönigt, bis aus einem sowieso schon schönen Model eine unerreichbare Wunschvorstellung wird, die dazu führt, dass „normale“ Menschen sich in ihren Körpern unwohl fühlen. Frauen sind davon in besonderem Maße betroffen, wie die nachstehende Statistik zeigt.
Die Darstellung des weiblichen Körpers in den Medien
Im Folgenden wird eine Analyse der weiblichen Schönheitsideale in den Medien vorgenommen. Dabei kommt der körpersprachlichen Inszenierung der Frau, den sogenannten Körpercodes, besondere Bedeutung zu. Frauen werden in den Medien deutlich stärker auf ihr Äußeres reduziert, als dies bei Männern der Fall ist. Die Kriterien, was als schön gilt, sind bei der Darstellung von Frauen zudem viel enger gefasst. Dies fällt vor allem in Bezug auf die geringe Alterspanne weiblicher Models im Gegensatz zu derer der männlichen Kollegen auf.
Wer sich die zahlreichen Plakate der Modeindustrie einmal genauer beschaut, wird feststellen, dass Frauen selten in einer gerade, aufrechten Position dargestellt werden. Dominant ist dagegen eine schräge, verbogene oder abgeknickte Haltung. Dies führt zu einer verringerten Stabilität und Körpergröße, was wiederum den Eindruck von Hilflosigkeit und Labilität erweckt.
Ebenfalls findet häufig eine Darstellung des weiblichen Körpers in liegender Position statt. Die PDF „Körperbilder in den Medien“ erklärt diesen Umstand damit, dass Frauen so verletzlich und sexuell verfügbar wirken.
Die Abbildung von Frauen am Arbeitsplatz wird meist mit Eigenschaften wie Flexibilität und Vielseitigkeit verknüpft, vor allem in Bezug auf die Mehrfachbelastung von Haushalt, Familie und Job. Das männliche Äquivalent hingegen überzeugt durch Professionalität. Werden Männer und Frauen gemeinsam abgebildet, ist es in der Regel die Frau, welche sich an dem Mann schmiegt oder sich an ihm festhält, beziehungsweise von ihm gehalten wird und somit Unsicherheit und Verletzlichkeit vermittelt.
Der männliche Körper und seine Inszenierung in den Medien
In den modernen Medien werden Männer meist in aufrechter, beherrschter und gelassener Körperhaltung präsentiert. Entweder sie stehen mit beiden Beinen fest auf dem Boden oder sie stützen sich beiläufig an Gegenständen ab, wodurch sie mehr Raum im Bild einnehmen und besonders selbstsicher wirken.
Das männliche Gesicht zeigt häufig nur wenige Emotionen. Ganz im Gegensatz zu dem der Frau, die oft einen verzückten Eindruck macht oder offenherzig lacht. Dahinter steckt die Annahme, dass Männer ihre Gefühle nicht so offen zur Schau stellen, wie Frauen dies tun.
Wie die bereits angeführte Grafik zeigt, fühlen sich Männer von ihren medialen Vorbildern weniger eingeschüchtert als Frauen dies tun. Doch auch auf Männer haben die Medien einen großen Einfluss. Zur Verdeutlichung folgt ein Beispiel: In den 80er Jahren beeinflussten muskulöse Leinwandhelden wie Conan der Barbar oder Rambo das Selbstbild der Männer. Die mediale Konstruktion des brachialen und muskelbepackten Mannes löste einen wahren Bodybuilding-Hype aus. Immer mehr Fitnesscenter eröffneten und immer mehr Männer verbrachten einen großen Teil ihrer Freizeit dort, um ihren Körper zu stählern und ihren Leinwandhelden so mehr und mehr zu entsprechen. Auch wenn extrem muskulöse Körper mittlerweile von den meisten Menschen nicht mehr als erstrebenswert erachtet werden, beeinflussen Conan und Co. das männliche Selbstbild bis heute. So werden auf der Seite von Peak Trainingspläne angeboten, die zu „brachialen Armen“, einer „stählernen Brust“ und einem „massiven Rücken“ führen. Männlichkeit definiert sich also nach wie vor immer auch über körperliche Stärke.
Abweichung vom Ideal – Innovative Werbekampagnen
Neuerdings zeigen Medien bewusst Frauen, die dem gängigen Schönheitsideal nicht entsprechen. Zu nennen, ist beispielsweise die Werbekampagne für eine hautstraffende Körperlotion eines bekannten Herstellers für Pflegeprodukte. Sie zeigt fröhliche Frauen in Unterwäsche mit normaler Figur anstatt eines dünnen Models. Ähnliche Kampagnen wurden auch von anderen Unternehmen umgesetzt, die sich erhofften, dadurch Kundinnen zu gewinnen, die vom Schlankheitswahn der Medien genervt sind und sich lieber mit „normalen“ Frauen in der Werbung identifizieren möchten. Dass dieses Konzept nicht aufging, belegt eine Studie der Arizona State University, der Erasmus-Universität in Rotterdam und der Universität Köln.
Der Studie ist zu entnehmen, dass die meisten normalgewichtigen und übergewichtigen Frauen negativ auf derlei Kampagnen reagierten. Zwar konnten die übergewichtigen Frauen sich in den Darstellungen der schlanken Models, die das heutige Schönheitsideal prägen, nicht wiederfinden, die Plus-Size-Models aber suggerierten ihnen, sie seien zu dick. Normalgewichtige Frauen gaben an, sich beim Anblick schlanker Models gut zu fühlen, jedoch sank ihr Selbstwertgefühl deutlich, wenn ihnen Werbekampagnen mit molligen Frauen gezeigt wurden.
3. Fazit
Die Definition, was als schön gilt und was nicht, hat im Laufe der Jahrtausende zahlreiche Wandlungen erfahren. Galten im Barock üppige Frauen als besonders anziehend, wird heute ein sportlich-schlankes Erscheinungsbild propagiert. Schon immer eifern die Menschen den konstruierten Idealen nach, bleichen sich die Haare oder den Teint oder verändern ihr Aussehen auf andere Weise, um dem gängigen Schönheitsideal ihrer Epoche zu entsprechen. In der heutigen Zeit herrscht ein extremes Überangebot an stilisierten Vorbildern. Perfekte Illusionen von Frauen und Männern zieren die Werbeplakate und begegnen uns in der Fernsehwerbung genauso, wie in den zahlreichen Online-Werbeanzeigen. Dies führt nicht selten dazu, dass sich vor allem junge Menschen verunsichert fühlen und ein ungesundes Verhältnis zu ihrem Körper und seinen scheinbaren Makeln entwickeln.
Und was lernen wir daraus? Die Vorstellung von idealer Schönheit wird es wohl immer geben und sicher wird sie sich im Laufe der Zeit auch immer wieder verändern. Grundsätzlich ist es auch in Ordnung, diesen Idealen bis zu einem gewissen Punkt nachzueifern. Der Einzelne sollte dabei jedoch immer bedenken, dass es sich um unerreichbare Konstrukte handelt, deren Anziehungskraft auf eben diese Unerreichbarkeit zurückzuführen ist.