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Orffs Carmina Burana: Eine szenische Kantate
Wie ordnete Orff sein musikalisches Schaffen ein?
Carl Orff (1895–1982) sah sich als Komponist des lebendigen Theaters. Theater verstand der Münchner vor allem als theatrum mundi, als Welttheater, das seine Wurzeln in der Antike hat und die ganze Welt als Bühne sieht, auf der die Menschen agieren. In Orffs eigenem »Welttheater« versammeln sich vier große Werkkomplexe: die ludi scaenici (Spielszenen), die Märchenstücke, das Bairische Welttheater und die Griechendramen. Hinzu kommt das Orff'sche Schulwerk, das weltweit die Musikpädagogik beeinflusste.
Was sind die »Carmina burana«?
Eine Lieder- und Gedichtsammlung, auf die Orff 1934 stieß. Der Sprachforscher Johann Andreas Schmeller (1785–1852) hatte sie nach einem Codex des Klosters Benediktbeuern unter dem Titel »Carmina burana« zusammengestellt. Vier Themenkreise – moralisch-satirische Dichtungen, Liebesgedichte, Vagantenlyrik und Spiele geistigen Inhalts – ordnen das Werk, das vorwiegend in spätmittelalterlichem Latein geschrieben ist, sich aber auch des Mittelhochdeutschen bedient und deutsch-lateinische sowie französisch-lateinische Mischgedichte vorstellt.
Wovon handeln die Lieder?
Das Spektrum der Motive reicht vom Sittenverfall, der Allmacht des Geldes, den Missständen in Staat und Kirche bis hin zu den verschiedenen Freuden des Lebens, in denen in derb-sinnlicher Manier das Fressen, Saufen, Huren und Spielen besungen wird. Auch zahlreiche Frühlings-, Liebes- und Tanzlieder hat dieser Codex überliefert und bietet so in Schmellers sorgfältiger Edition nicht nur ein anschauliches Zeitzeugnis mittelalterlichen Lebensgefühls, sondern auch ein Spiegelbild der menschlichen Seele jenseits aller zeitlichen Eingrenzung.
Wie gliedert sich die Komposition?
Orff traf für die »Carmina Burana« eine Auswahl von 24 Gesängen. Der bekannte Fortuna-Chor bildet als Einleitung und Schluss gleichsam den Rahmen des gesamten Werks. Denn alles, was geschieht, geschieht im Namen der Fortuna, jener Glücks- und Schicksalsgöttin, deren Rad das Auf und Ab im Lebensgang der Menschen symbolisiert. Die Gesänge sind in vier Abschnitte unterteilt: Primo vere (Frühling), Uf dem anger (Auf dem Anger), In taberna (In der Schenke), Cour d'amour (Liebesreigen). Damit ist das szenische Tableau für Sopran, Tenor, Bariton und Chor bestimmt. Die »Carmina burana« sind »ein Hymnus an die Lebenslust, eine chorische Frühlings- und Liebesfeier, ein Lobgesang auf die freudenreiche Welt«, so der Kritiker Karl Heinz Ruppel.
Welche Struktur hat Orffs Musik?
Orffs Musik folgt einfachen Melodie- und Rhythmusprinzipien. Sie vermeidet komplexe Polyphonie, also Mehrstimmigkeit, strebt eine eingängige Melodik an, betont in den Chorsätzen das Deklamatorische, verschmäht aber auch nicht die Wirkung arienhafter Sologesänge. Der beabsichtigte Primitivismus im Melodischen und Rhythmischen ist bei aller sorgfältigen Differenzierung Ausdruck des Kultischen und Volkstümlich-Tänzerischen. Vielleicht ergibt der überzeitliche Bezug, der aus dieser mittelalterlichen Lebenswelt erwächst, in Verbindung mit der orchestralen Archaik jene Mischung, die ein Meisterwerk wie die »Carmina burana« entstehen ließ.
Wussten Sie, dass …
die »Carmina burana« mit ihren mehr als 250 Gedichten und Gesängen als die umfangreichste Sammlung weltlicher Lyrik des 13. Jahrhunderts gelten? Verfasst wurden diese »Lieder aus Benediktbeuern« von Deutschen, Franzosen, Italienern und Engländern.
Carl Orff bei seinen »Carmina burana« das traditionelle Orchester um zwei Klaviere, ein Celesta genanntes Glockenspiel mit Tastatur sowie ein sehr umfangreiches, vielfältiges Schlagwerk ergänzte?
Für was steht der Name Carl Orff?
In der Musik für die »Camina burana«, in der Pädagogik für musikalische Früherziehung. Carl Orff, der am 10. Juli 1895 in München das Licht der Welt erblickte, erhielt früh Klavier-, Cello- und Orgelunterricht. 1913 bis 1914 studierte er an der Akademie für Tonkunst in München, komponierte bereits nebenbei. 1924 gründete er mit Dorothee Günther die »Güntherschule«, wo er das »Orff-Schulwerk« (1930–1935) schuf. Sein populärstes Werk, die szenische Kantate »Carmina burana« (1937), verkoppelte er 1953 mit den »Catulli carmina« (1943) und den »Trionfo di Afrodite« (1953) unter dem Gesamttitel »Trionfi« zu einem dreiteiligen theatralischen Gemälde. Orff starb am 29. März 1982 hochgeehrt in München.
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